Die juristische Presseschau vom 29. April bis 2. Mai 2017: Was ist Leit­kultur? / Thomas Fischer im Ruhe­stand / Sach­sen­sumpf vor Gericht

02.05.2017

Justiz

Thomas Fischer im Ruhestand: Bundesrichter Thomas Fischer tritt mit seinem 64. Geburtstag vorzeitig in den Ruhestand. Das teilte der Bundesgerichtshof am vergangenen Freitag mit, wie lto.de meldet. Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert, der Bundesrichter tauge nicht ohne weiteres als Vorbild, habe jedoch durch seine Kompetenz überzeugt: "Er hat es allen gezeigt. Wem das nicht gefiel, dem war zuzumuten, es auszuhalten."

OLG München zu IS-Mitglied: Ein Familienvater aus Berlin heuerte beim IS an, um seine Familie aus Rakka zu retten. Dort arbeitete er ein halbes Jahr in einer Fabrik, die Sprengfallen herstellte, bis ihm die Flucht nach Deutschland gelang. Hierfür ist er vom Oberlandesgericht München zu drei Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Die Verteidigung macht dagegen einen rechtfertigenden und entschuldigenden Notstand geltend und geht in die Revision. Die WamS (Gisela Friedrichsen) und spiegel.de (Martin Knobbe/Fidelius Schmid) stellen den Fall dar. 

LG Dresden zu NPD-Kritik: Der Politologe Steffen Kailitz darf weiterhin behaupten, dass die NPD rassistisch motivierte Staatsverbrechen plane und acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben wolle. Das Landgericht Dresden sah die Aussage als Meinungsäußerung an und wies die Klage der NPD ab, berichten die Samstags-FAZ (Stefan Locke) und Samstags-SZ (Antonie Rietzschel). Der Fall hatte öffentliches Aufsehen erregt, weil ein Richter, der AfD-Mitglied ist, dem Antrag der NPD zunächst stattgegeben hatte.

LG Frankfurt/M. zu Totschlag: Eine ältere Türkin ist wegen Totschlags vom Landgericht Frankfurt zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die einst zwangsverheiratete Frau ihren Ehemann nach jahrelangen Misshandlungen erdrosselt hat.  Die FAS (Raquel Erdtmann) bringt eine ausführliche Prozessreportage.

AG München zu Vatersuche: Eine Frau suchte den Vater ihres Kindes, das sie rund neun Monate nach einem mehrtägigen Hoteltreffen gebar. Da sie nur wusste, dass der Mann wohl Michael hieß, verklagte sie das Hotel auf Auskunft über in Frage kommende Männer. Das Amtsgericht billigte nun aber die Auskunftsverweigerung des Hotels. Da nicht sicher ist, ob der Mann tatsächlich Michael heißt, sei das Hotel nicht verpflichtet, Details über die vier in Frage kommenden Hotelgäste namens Michael herauszugeben. Das Urteil aus dem Oktober 2016 sei erst jetzt veröffentlicht worden, berichtet spiegel.de.

EuGH zu dynamischen Bezugnahmeklauseln: Rechtsanwalt Jochen Keilich erläutert auf lto.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dynamischen Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge, die in der vergangenen Woche erging. Die Anwendung solcher Klauseln verstoße nach einem Betriebsübergang nicht gegen EU-Recht, weil der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen könnte. Der Autor kritisiert, dass die Voraussetzungen einer wirksamen Änderungskündigung jedoch sehr hoch seien. 

BGH zu Panoramafreiheit: Nun erläutert auch Rechtsanwalt David Ziegelmayer auf lto.de das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Panoramafreiheit bei Kreuzfahrtschiffen. Die Urteilsbegründung stehe zwar noch aus, jedoch habe der BGH in der Pressemitteilung angedeutet, dass die Panoramafreiheit für Fahrzeuge aller Art gelten solle. Folglich könnten Kunstwerke auf Fahrzeugen, die sich im öffentlichen Raum bewegten, ohne Erlaubnis fotografiert und gefilmt werden.

EuGH – Darlehen in Fremdwährung: Um niedrigere Zinssätze zu nutzen, nahmen viele Verbraucher Kredite in Fremdwährungen auf und müssen aufgrund von Wechselkursschwankungen deutlich höhere Summen zurückzahlen. Ob die Verbraucher das Risiko tragen müssen oder doch eher die Bank, wird demnächst der Europäische Gerichtshof entscheiden. In den Schlussanträgen hat der Generalanwalt zwar umfassende Informationspflichten angenommen, jedoch nur für solche Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden oder vorhersehbar waren, erläutert Rechtsanwalt Alexander Knauss auf lto.de.

GBA – NSU-Ableger: Der Spiegel (Maik Baumgärtner/Martin Knobbe) berichtet von Ermittlungen des Generalbundesanwalts wegen eines möglichen NSU-Ablegers namens "Zweiter Frühling", die jedoch 2016 eingestellt worden sind. Aus den Akten ergebe sich, dass eine Gruppe von bekannten und mit dem NSU vernetzten Neonazis möglicherweise eine weitere neonazistische Tarnorganisation gründen wollte. Der Verfassungsschutz will die Personen und ihr Umfeld weiterhin beobachten.

LG Hamburg – Säureangriff: Ein Mann steht in Hamburg wegen gefährlicher und versuchter schwerer Körperverletzung vor Gericht, weil er seiner Ex-Frau ein Glas Salzsäure ins Gesicht schüttete. Motiv soll die Trennung und Eifersucht des Ex-Mannes gewesen sein, berichtet spiegel.de (Peter Maxwill).

LG Dresden  Sachsensumpf: Ab diesem Dienstag muss sich die ehemalige Landes-Verfassungsschützerin Simone H. vor dem Landgericht Dresden wegen falscher Verdächtigung verantworten. Sie hatte 2007 ein Dossier zusammengestellt, das vor einem Netzwerk aus Organisierter Kriminalität und Justiz warnte. Hauptquelle war der Polizist Georg W., der im gleichen Prozess wegen Beihilfe angeklagt ist. W. habe sich an einem Staatsanwalt rächen wollte, der einige Jahre zuvor gegen ihn ermittelt hatte. Vorab berichtet die Dienstags-Welt (Sven Eichstädt).

GBA  BVB-Anschlag: Der wegen des Anschlags auf den BVB-Bus verdächtige Sergej W. bestreitet nun die Tat, nachdem er zunächst geschwiegen hatte. Der Spiegel (Matthias Bartsch u.a., spiegel.de-Zusammenfassung) stellt die aktuellen Ermittlungsergebnisse des Generalbundesanwalts und den mutmaßlichen Tathergang dar.

StA Frankfurt/M. – terrorverdächtiger Soldat: Reinhard Müller (Samstags-FAZ) nimmt den Fall des Oberleutnants Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und vermutlich rechtsextrem motivierte Anschläge geplant hat, zum Anlass, die deutsche Flüchtlingspolitik zu kritisieren. "Wenn der Staat aber Syrer mit guten Gründen vor Krieg und Elend retten will, dann sollte er sich vergewissern, ob es auch Syrer sind, die Schutz begehren." Der Fall A. stelle ein "trauriges Beispiel für ein grundlegendes Versagen bei der Erfüllung elementarer staatlicher Aufgaben" dar.   

BGH zu Asterix-Bearbeitung: Aus Anlass des 90. Geburtstags des Asterix-Zeichners Albert Uderzo erinnert lto.de (Martin Rath) an ein Plagiatsverfahren Uderzos gegen den Comic "Falsches Spiel mit Alcolix - die Parodie". Das Oberlandesgericht München hatte 1991 eine Parodie verneint, da Asterix kein Alkoholiker sei, sondern nur gelegentlich gerne trinke. Der Bundesgerichtshof hob das Verbotsurteil aber wieder auf. Es gebe auch nicht-parodistische freie Benutzungen von berühmten Vorlagen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. April bis 2. Mai 2017: Was ist Leitkultur? / Thomas Fischer im Ruhestand / Sachsensumpf vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 02.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22791/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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