Die juristische Presseschau vom 29. April bis 2. Mai 2017: Was ist Leit­kultur? / Thomas Fischer im Ruhe­stand / Sach­sen­sumpf vor Gericht

02.05.2017

Die Thesen von Innenminister de Maizière zur "Leitkultur für Deutschland" lösen Streit aus. Außerdem in der Presseschau: Thomas Fischer verlässt den 2. BGH-Strafsenat und das Landgericht Dresden verhandelt gegen Verfassungsschützerin.

Thema des Tages

Leitkultur: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat in der BamS Thesen über eine "Leitkultur für Deutschland" veröffentlicht. Diese Leitkultur gehe über den Verfassungspatriotismus hinaus und erkläre, "was uns leitet, was uns wichtig ist". Es soll sich um ungeschriebene und unverbindliche Werte und Haltungen handeln, etwa um den Handschlag zur Begrüßung, die Bejahung von Bildung, Leistung und aufgeklärtem Patriotismus sowie von Religion als Kitt der Gesellschaft.

Heribert Prantl (Dienstags-SZ) hält die Auflistung de Maizières für albern, ausgrenzend und überflüssig. "Es darf in diesem Land nicht darum gehen, eine Leitkultur zu propagieren, es muss darum gehen, eine Kultur des Zusammenlebens zu etablieren: Sie heißt Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte."  Auch Christian Rath (Dienstags-taz) kritisiert: "Die Leitkultur des Westens ist die individuelle Freiheit und der Pluralismus der Lebensstile. Bei de Maizière ist dagegen fast nur vom großen 'wir' die Rede und kaum vom individuellen 'ich'."  Reinhard Müller (Dienstags-FAZ) räumt ein, dass die Beschreibung einer Leitkultur schnell bemüht wirken kann. Allerdings gehe es nicht darum, jemand etwas vorzuschreiben, vielmehr solle nur der "Grundkonsens" beschrieben werden.

Rechtspolitik

Kameras bei Bundesgerichten: lto.de (Pia Lorenz) spricht mit der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg über das geplante Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren. Limperg übt Kritik an der vorgesehenen Ausstrahlung von Urteilsverkündungen der obersten Bundesgerichte, weil sie auf weitere Instanzen und auch die Beweisaufnahme ausgedehnt werden könnte. Sollte eine Videoaufzeichnung kommen, fordert sie die Zuständigkeit der Gerichte für die Aufnahme und die Veröffentlichung, damit eine ausgewogene Berichterstattung sichergestellt ist.  

Föderalismus: Bund und Länder haben bei den Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich auch eine Grundgesetzänderung vereinbart. In einem neuen Artikel 104c soll es künftig heißen: "Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren." Anlässlich einer Anhörung im Bundestag äußert Jasper von Altenbockum (Dienstags-FAZ) grundsätzliches Unbehagen gegen solche Durchgriffsrechte des Bundes auf die Kommunen.

Alterspräsident: Wie die Samstags-FAZ (Günter Bannas) berichtet, unterstützt der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages die Forderung nach einer Neubestimmung des Alterspräsidenten. Künftig soll nicht mehr der lebensälteste Abgeordnete die konstituierende Sitzung des Bundestages eröffnen, sondern der dienstälteste. Dies werde Wolfgang Schäuble (CDU) sein und damit kein AfD-Abgeordneter. Die Änderung der Geschäftsordnung soll Mitte Mai im Bundestag beschlossen werden.

Fluggastdatenspeicherung: netzpolitik.org (Simon Rebiger) stellt das vergangene Woche im Bundestag beschlossene Gesetz zur Fluggastdatenspeicherung vor. Danach können bis zu 60 Einzeldaten zu jedem Passagier auf internationalen Flügen für die Dauer von fünf Jahren gespeichert werden. Das Gesetz geht über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus und führt die Speicherung für alle Auslandsflüge ein, nicht nur in und aus dem außereuropäischen Ausland, wie die Richtlinie vorschreibt.

Stalking: Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) hat vorgeschlagen, Stalker künftig auch mit der elektronischen Fußfessel zu überwachen. Er wolle dies bei der Justizministerkonferenz im Juni diskutieren, meldet die Dienstags-SZ.

Wechselmodell: Die FDP fordert, dass Gerichte solchen Eltern, die sich nach einer Scheidung nicht über den Aufenthalt des gemeinsamen Kindes einigen können, in der Regel das Wechselmodell vorschreiben. Dies wäre die konsequente Fortführung der gemeinsamen Sorge, argumentiert FDP-Vize Katja Suding im Interview mit der Dienstags-Welt (Sabine Menkens).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. April bis 2. Mai 2017: Was ist Leitkultur? / Thomas Fischer im Ruhestand / Sachsensumpf vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 02.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22791/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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