Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Januar 2016: Reform­for­de­rungen nach Sil­ves­ter­über­griffen / "Nein heißt nein" / Dos­sier zu NPD-Verbot

11.01.2016

Nach den Silvesterübergriffen in Köln fordern CDU, CSU und SPD nun Gesetzesverschärfungen. Außerdem in der Presseschau: "Nein heißt nein", Cannabis zu Therapiezwecken, Dossier zu NPD-Verbot und Polens Rechtsstaatsprüfung vorerst auf Eis.

Thema des Tages

Reformforderungen nach Silvesterübergriffen: Am heutigen Montag wird die Koalition wohl über Gesetzesverschärfungen als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht sprechen – am kommenden Mittwoch werde sich der Bundestag mit dem Thema auseinandersetzen, schreiben das Hbl (Donata Riedel/Anja Stehle) und die Montags-taz (Pascal Beucker). Am vergangenen Wochenende wurden verschiedene Reformforderungen laut. So sollten unter anderem öffentliche Plätze mehr überwacht, die Schleierfahndung häufiger eingesetzt, die Möglichkeiten zur Abschiebung straffälliger Ausländer verschärft und die Polizei personell gestärkt werden. Dabei kommt eine Vielzahl der Forderungen von Seiten der CDU, die SPD sei allerdings ebenso bereit Gesetze zu verschärfen. Wie die FAS (Peter Carstens/Thomas Gutschker) berichtet, kritisierten die Grünen solche "Schnellschüsse" schürten weitere Ressentiments und seien unaufrichtig. Unter anderem Montags-SZ (Kim Björn Becker), Samstags-SZ (Michael Bauchmüller/Nico Fried), Samstags-taz (Daniel Bax) und der Tsp (Jost Müller-Neuhof) informieren über die Forderungen aus SPD und CDU. Ein separater Beitrag in der Samstags-SZ (Daniela Kuhr – eingeschobener Beitrag) fasst die Beschlüsse der CSU zusammen.

"Der nach Exzessen wie in Köln übliche Überbietungswettbewerb – wessen Ruf nach der Härte des Rechtsstaats der lauteste und wessen Härte des Rechtsstaats die härteste sei – ist ebenso peinlich wie er hoffentlich folgenlos bleiben wird", konstatiert Christian Bommarius (BerlZ)Heribert Prantl (Montags-SZ) hinterfragt kritisch den zunehmenden offenen Rassismus nach der Silvesternacht und die Forderungen nach einer "neuen, rigorosen deutschen Flüchtlingspolitik". Er betont, "besoffene Machos" dürften nicht die Macht haben, die Genfer Konvention auszuhebeln. Es bräuchte keinen "gesetzgeberischen Aufstand", es hapere vielmehr an der Umsetzung des geltenden Rechts. Auch Reinhard Müller (Montags-FAZ) vertritt diese Ansicht. Sven Afhüppe (Hbl) hingegen begrüßt die Reformbestrebungen der Union. Er hält die Warnungen vor Schnellschüssen aus der Opposition für "lebensfremd". Neben der Behebung von Schwachstellen des Asylrechts müsse der Staat allerdings das bestehende Recht "ohne Rücksicht auf den kulturellen Hintergrund" anwenden. 

Die Samstags-Welt (Thorsten Mumme/Freia Peters) setzt sich damit auseinander, inwieweit die Reformforderungen aus der Politik umsetzbar sind. Unter anderem zeit.de (Katharina Schuler) stellt dar, wie das derzeitige Recht auf kriminelle Ausländer reagieren kann und wägt ebenso ab, inwiefern die geplanten Reformen der CDU rechtlich machbar sind.

Rechtspolitik

Verschärfung des Sexualstrafrechts: Ein klares "Nein" der Opfer von sexueller Nötigung und Vergewaltigung soll künftig ausreichen, um die Strafbarkeit zu begründen – dies fordert der CDU-Parteivorstand nach der Kölner Silvesternacht und geht damit über die Reformvorschläge von Heiko Maas (SPD) hinaus. Dessen Entwurf beschränkt sich derzeit auf eine punktuelle Ergänzung des Sexualstrafrechts. Die Montags-taz (Christian Rath) beschreibt Maas' Entwurf und entsprechende Kritikpunkte. Auch das Hbl (Dana Heide/Donata Riedel u.a.) schildert die Forderungen der CDU. zeit.de  erinnert daran, dass der Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts sich bereits seit kurz vor Weihnachten in der Länderabstimmung befindet (nicht erst seit den Vorfällen in Köln) und resümiert die geplante Reform. Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) macht auf eine Lücke im Strafrecht aufmerksam; eine "Ungereimtheit unserer Rechtsordnung" zeige sich, wenn ein Angriff auf das Eigentum als Diebstahl geahndet werde, ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung durch "Angrapschen" allerdings strafrechtlich folgenlos bleibe – oder allenfalls als Beleidigung der "Geschlechtsehre" angesehen werde.

Im Interview mit zeit.de (Till Schwarze) erläutert der Strafrechtler Nikolaos Gazeas , warum Frauen aus seiner Sicht strafrechtlich ausreichend geschützt seien. Er äußert sich auch aus strafprozessrechtlicher Sicht zu den Vorfällen in Köln und erläutert kurz, unter welchen Umständen ausländische Täter abgeschoben werden können.

Vorratsdaten für Verfassungsschutz: Der Bundesvorstand der CDU will einen Staatstrojaner einführen und durchsetzen, dass auch Verfassungsschutzbehörden Vorratsdaten nutzen können. Dies geht aus einem Beschluss vom vergangenen Wochenende hervor. Die Montags-FAZ (Constanze Kurz) hebt einige rechtliche Kritikpunkte an der Vorratsdatenspeicherung generell hervor und betont, die Nutzung der Daten durch Geheimdienste sei grundrechtlich fragwürdig. Das Vorgehen erwecke den Eindruck, dass "der Abriss rechtlicher Schranken von vorneherein geplant war".

Cannabis als therapeutisches Mittel: In einem Referentenentwurf schlägt das Bundesgesundheitsministerium vor, Cannabis für verkehrs- und verschreibungsfähig zu erklären, um eine kontrollierte Abgabe zu Therapiezwecken zu ermöglichen. ferner-alsdorf.de (Jens Ferner) schildert den Entwurf.

Mindesthonorar für Selbstständige: Die Grünen fordern in einem Diskussionspapier, welches der Montags-taz (Gareth Joswig) vorliegt, ein Mindesthonorar für Selbstständige. Prekäre Arbeitsbedingungen für Solo- und Scheinselbstständige sollen damit bekämpft werden.

Haftung für offenes WLAN: Die Störerhaftung privater WLAN-Betreiber verzögert das geplante Gesetz, welches zu mehr offenen WLAN-Zugängen führen soll. Die Montags-SZ (Helmut Martin-Jung) erläutert die Schwierigkeiten um den Gesetzentwurf und gibt die Kritik am Konzept der Störerhaftung wieder.

TTIP: Die Montags-taz (Eric Bonse) skizziert den derzeitigen Stand der TTIP-Verhandlungen und prognostiziert, dass auch das neue Jahr schwierig werde.

ODR-Verordnung: Am vergangenen Samstag ist die Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten in Kraft getreten. dr-schenk.net fasst die neuen Informationspflichten für Online-Händler zusammen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. Januar 2016: Reformforderungen nach Silvesterübergriffen / "Nein heißt nein" / Dossier zu NPD-Verbot . In: Legal Tribune Online, 11.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18088/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen