Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2012: Streit um EU-Datenschutz – Karlsruhe vor Wahlrecht-Entscheidung – "Flecki" trotzt "Paula"

25.07.2012

Die EU-Justizminister debattieren über die Zukunft des europäischen Datenschutzes. Außerdem in der Presseschau der Bundeswehr-Strafgerichtsstand in Kempten, Vorberichte zum Karlsruher Wahlrechts-Urteil, "Flecki" und Samsung trotzen "Paula" und Apple, Vodafone-Vorratsdaten vor Gericht – und wie die Regensburger Polizei eine Neuauflage von "Krieg der Welten" verhinderte.

EU-Datenschutz: Den "Machtkampf um den Datenschutz" beim Treffen der europäischen Justizminister mit EU-Justizkommissarin Viviane Reding auf Zypern dokumentiert die FAZ (Nikolas Busse). Dabei gehe es um den Vorschlag der Kommissarin, das EU-Datenschutzrecht von Grund auf zu erneuern. Die Mitgliedstaaten seien skeptisch, zu viel Rechtssetzungskompetenz nach Brüssel zu delegieren.

Reinhard Müller (FAZ) plädiert für den Subsidiaritätsgrundsatz – die EU soll nur regeln, was unbedingt auf Gemeinschaftsebene geregelt werden müsse. Die von der EU zu achtenden nationale Identität definiere sich in Deutschland aber geradezu über den Datenschutz.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Bundeswehr-Strafgerichtsstand: Auf lto.de beschäftigt sich Christian Sieh, Justitiar des Deutschen Bundeswehrverbands, mit den Plänen der Bundesregierung, in Kempten einen einheitlichen Strafgerichtsstand für Straftaten von Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz zu schaffen. Dies sei sinnvoll – allerdings begegne die Angewiesenheit der Staatsanwaltschaft auf die Ermittlungen der bundeswehreigenen Feldjäger "massiven rechtsstaatliche Bedenken".

Verfassungsrichterwahl: Bundestagspräsident Norbert Lammert hält im Gespräch mit der FAZ (Günter Bannas) an seinem Vorschlag fest, die vom Bundestag zu bestimmenden Verfassungsrichter künftig vom Plenum wählen zu lassen.

Jasper von Altenbokum (FAZ) meint, die "Retourkutsche" Lammerts gehe ins Leere – immerhin halte das Gericht eine Wahl durch das Plenum "natürlich" für zulässig. Nur eben nicht für geboten.

Weitere Themen – Justiz

Bundeswahlrecht: Heute verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Reform des Bundeswahlgesetzes. Wolfgang Janisch (SZ) stellt die Auseinandersetzung dar, hält Überhandmandate für den "Geburtsfehler" des bundesdeutschen Wahlrechts – und spekuliert angesichts des schnellen Urteils, ob Karlsruhe dem Bundestag bis zur nächsten Wahl wohl noch Zeit zum nachbessern geben wolle.

Auch spiegel.de (Dietmar Hipp) rechnet mit der "nächsten Schlappe" für Schwarz-Gelb in Karlsruhe, während die FTD (Thomas Steinmann/Kai Beller) die vier wichtigsten Fragen zum Verfahren beantwortet.

Entzug der Gemeinnützigkeit: Die taz (Christian Rath) analysiert eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion zum im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehenen Entzug der Gemeinnützigkeit bei Vereinen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Bemerkenswert sei, dass die Bundesregierung zusichere, dass im Falle eines gerichtlichen Vorgehens eines betroffenen Vereins die Finanzbehörden den Ausgang des Verfahrens abwarten würden, bevor sie eine Aberkennung vornähmen. Im Gesetz finde sich eine solche Wartepflicht freilich nicht.

EuGH zum Formwechsel: Die Rechtsanwälte Harald Gesell und Christoph Köhler stellen auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum identitätserhaltenden Formwechsel bei Unternehmen vor. Damit habe der Gerichtshof "eine weitere Schranke für den Umzug von Unternehmen geöffnet" und sei dem Gesetzgeber einmal mehr zuvorgekommen.

OLG Düsseldorf zu "Flecki" vs. "Paula": Aldi darf seinen Pudding "Flecki" weiterhin verkaufen. Der Lebensmittelkonzern Dr. Oetker unterlag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht mit seinem Antrag auf eine einstweilige Verfügung, in dem er argumentiert hatte, das Produkt ähnele zu sehr seinem eigenen Pudding "Paula". Über den Kuh-Streit berichtet die FAZ (Corinna Budras).

In einem Kommentar verteidigt Corinna Budras (FAZ) das Vorgehen Dr. Oetkers. Was lächerlich wirke, sei in Wirklichkeit ein Streit um viel Geld und die Frage, "ob man sich eine gute Verkaufsidee einfach klauen lassen muss".

OLG Düsseldorf zu Apple vs. Samsung: Der Elektronikkonzern Samsung hat einen Teilerfolg gegen seinen Konkurrenten Apple erzielt – das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Antrag von Apple zurückgewiesen, Samsung den Verkauf seines Tabletcomputers "Samsung Galaxy Tab 10.1N" zu untersagen. Das kleinere Modell "7.7" darf dagegen in Europa weiterhin nicht verkauft werden. Dies meldet spiegel.de.

Das Handelsblatt (Axel Postinett) gibt einen Überblick über die eskalierenden weltweiten Rechtsstreitigkeiten zwischen den beiden Unternehmen.

Private Vorratsdatenspeicherung: Wie lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, geht der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik nun gerichtlich gegen die "private Vorratsdatenspeicherung" des Mobilfunkanbieters Vodafone vor. Dieser speichere bis zu 180 Tage lang die Mobilfunkdaten seiner Kunden – angeblich zu Abrechnungszwecken. Dazu seien viele der gespeicherten Daten aber gar nicht notwendig, so die Klägerin.

netzpolitik.org (Andre Meister) dokumentiert das Verfahren.

Erbschaftssteuer vor EuGH: Die FTD (Raimund Diefenbach) berichtet auf der "Steuern"-Seite über ein Vorlageverfahren des Finanzgerichts Düsseldorf beim Europäischen Gerichtshof. Dabei geht es um die unterschiedliche Behandlung ausländischer Ehegatten bei der Zuerkennung von Steuerfreibeträgen im Erbfall.

Investitionsschiedsverfahren: In einem Gastbeitrag für die "Recht und Steuern"-Seite der FAZ erklärt der Rechtsanwalt Peter Bert, warum Vattenfall vor einem Schiedsgericht gegen den Atomausstieg vorgeht – und erläutert den Sinn von Investitionsschiedsverfahren.

Hypo Alpe Adria-Prozess: Ein Gutachten des Finanzprofessors Bernhard Schwetzler hat den Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft München, die BayernLB habe beim Kauf der Hypo Alpe Adria 624 Millionen Euro zu viel bezahlt, nicht untermauert. Allerdings seien bei einem späteren Aktien-Erwerb 75 Millionen Euro zu viel bezahlt worden. Die Verteidiger erwarteten auf die "große Anklage" hin nun einen "kleinen Prozess", so die SZ (Klaus Ott).

Ermittlungen gegen Dräger: Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechung gegen Mitarbeiter des Lübecker Herstellers von Medizin- und Sicherheitsprodukten Dräger. Diese sollen die frühere österreichische Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kalat für einen Auftrag bezahlt haben, berichtet die FTD (Christian Höller).

Rückfall-Checklisten: Eine britische Meta-Studie zur Aussagekraft von Prognose-Instrumenten der forensischen Psychiatrie zur Rückfallgefährdung von Gewalttätern stellt das SZ-Feuilleton (Christian Weber) vor. Auffallend sei der hohe Anteil von Falschdiagnosen unter denen, die Tätern eine hohe Rückfallgefahr attestierten.

Witwenrente: Im Streit um die Opferrente der Witwe eines Holocaust-Überlebenden hat die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf einen offenen Brief des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma nun veranlasst, dass der Fall vom Innenministerium neu geprüft werde. Es berichtet die taz (Wolf Schmidt).

Beschneidungs-Urteil: Die Rechtswissenschaftlerin Reut Yael Paz kritisiert auf verfassungsblog.de das Beschneidungs-Urteil des Kölner Landgerichts als "blow against liberal legal pluralism" und analysiert in ihrem englischen Artikel unter anderem die israelische Rechtsprechung zur Beschneidung.

Thomas Darnstädt (spiegel.de) plädiert dagegen dafür, "die westliche Liberalität im Umgang mit der Vorhaut genau zu überprüfen".

Weitere Themen – Recht in der Welt

Großbritannien – News of the World: Im Abhörskandal um das mittlerweile eingestellte britische Boulevardmagazin News of the World erhebt die Londoner Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen mehrere ehemalige Mitarbeiter wegen "Verschwörung zum Abhören von Kommunikation". Die SZ (Christian Zaschke) berichtet und erläutert die politischen Auswirkungen des Verfahrens auf den britischen Premier David Cameron, dessen Mitarbeiter in den Skandal verwickelt sind.

USA – Galgenfrist für Warren Hill: Der geistig Behinderte Todeskandidat Warren Hill ist doch nicht hingerichtet worden – wegen eines Formfehlers vertagte das Oberste Gericht von Georgia die Hinrichtung bis April 2013. Wie die taz (Dorotheo Hahn) berichtet, sollte Hill erstmals mit einem neuen Giftcocktail hingerichtet werden – die Strafvollzugsbehörde hatte eine 30tägige Umstellungsfrist aber nicht eingehalten.

Irland – Bankenskandal vor Gericht: In Irland ist mit Sean FitzPatrick, dem ehemaligen Vorstandschef und Verwaltungsratsvorsitzenden der Anglo Irish Bank, nun eine mutmaßliche Schlüsselfigur des Bankenskandals vorübergehend festgenommen und angeklagt worden. Wie die FTD (Christine Mai) berichtet, beginnt der Hauptprozess im Oktober.

USA – Libor-Klagewelle: In den USA baut sich eine regelrechte Klagewelle von Privatanlegern wegen der Libor-Manipulationen auf. Darüber berichtet die FTD (Sabine Muscat/Kim Bode) auf ihrer "Agenda"-Seite.

Sonstiges

Hegel-Preis für Lübbe-Wolff: Die Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff ist mit dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart ausgezeichnet worden, meldet die FAZ (Christian Geyer) im Feuilleton. Bei dem Preis handele es sich um eine der "wichtigsten philosophischen Auszeichnungen".

Jura-Fakultät vor Schließung: Mit der Auseinandersetzung um die von einer Kommission vorgeschlagene Schließung der juristischen Fakultät an der Universität Potsdam beschäftigt sich Anna Katharina Bernzen auf lto.de.

Das Letzte zum Schluss

"Krieg der Welten II": Die Polizei hat letzte Woche ein Medienexperiment von Regensburger Studenten gestoppt. Diese hatten – ganz in der Tradition der Radio-Sendung "Krieg der Welten" – über verschiedene soziale Medien eine Falschmeldung über den Ausbruch einer Virenepidemie verbreitet. Um zu zeigen, dass ein reflektierter Umgang mit Informationen wichtig sei. Gar nicht witzig fand das die Regensburger Polizei, die von einer besorgten Bürgerin alarmiert worden war – und forderte die Studenten auf, die Seiten vom Netz zu nehmen. Allerdings weiß die Polizei nun nicht so recht, welche Straftat sie den Studenten eigentlich vorwerfen soll. Die ganze Geschichte erzählt lawblog.de (Udo Vetter).

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Juli 2012: Streit um EU-Datenschutz – Karlsruhe vor Wahlrecht-Entscheidung – "Flecki" trotzt "Paula" . In: Legal Tribune Online, 25.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6693/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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