Die juristische Presseschau vom 21. April 2015: Späte Sühne - Teure Untreue - Unverhältnismäßige U-Haft

21.04.2015

Justiz

Kritik am BVerfG: Auch zeit.de (Lisa Caspari) geht nun auf jüngst aus Unionskreisen geäußerte Kritik an vermeintlicher politischer Einflussnahme durch das Bundesverfassungsgericht ein. Neben einer Darstellung der Argumente zählt der Beitrag historische Vorbilder aus anderen politischen Lagern auf.

DGH zu richterlicher Unabhängigkeit: Der von einer Gerichtspräsidentin ausgesprochene Vorhalt unterdurchschnittlicher Erledigungszahlen und die damit verbundene Aufforderung, schneller zu arbeiten, verstößt nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit. Dies entschied am vergangenen Freitag der Dienstgerichtshof für Richter in Stuttgart. Über Entscheidung und Verfahren berichtet lto.de (Pia Lorenz).

LG Hamburg zu Heinrich Maria Schulte: Wegen Veruntreuung von mehr als 147 Millionen Euro aus dem Vermögen von Immobilienfonds hat das Landgericht Hamburg den Arzt Heinrich Maria Schulte zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Schulte bleibt in Untersuchungshaft, schreibt die FAZ (Carsten Germis/Joachim Jahn), es werde erwartet, dass die Vertreter der "schillernden Persönlichkeit" Revision einlegen. Das Handelsblatt (Gertrud Hussla) befragt einen der geschädigten Anleger zu Bemühungen, das veruntreute Geld zurückzuerlangen.

Joachim Jahn (FAZ) macht darauf aufmerksam, dass die Verurteilung auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehe. Geschädigte Anleger und Insolvenzverwalter versuchten, "nach dem Prinzip der "tiefen Taschen", von der Wirtschaftskanzlei Bird & Bird, die Schulte beraten hatte, mehr als 130 Millionen Euro Ersatz zu erlangen. Weil Berufshaftpflichtversicherer für vorsätzlich begangene Straftaten nicht aufkämen und im Zivilrecht auch keine "strenge Unschuldsvermutung" gelte, sei die Forderung "selbst für eine internationale Beratersozietät starker Tobak."

LG Essen – Thomas Middelhoff: Das Landgericht Essen hat mitgeteilt, dass der gegen den nach wie vor nicht rechtskräftig verurteilten Thomas Middelhoff verhängte Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden ist. Der Manager müsse eine Kaution zahlen, seinen Pass abgeben und Meldeauflagen erfüllen, schreibt die SZ (Hans Leyendecker).

Udo Vetter (lawblog.de) berichtet aus zweiter Hand von einer Mitteilung des nordrhein-westfälischen Justizministerium, nach der für die jetzige Entscheidung Middelhoffs Erkrankung nicht ausschlaggebend gewesen sei. Vielmehr dürfe die Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur verhängten Strafe stehen. Dass bei einer Verurteilung zu drei Jahren Freiheitsentzug die Untersuchungshaft "geradezu zwangsläufig unverhältnismäßig wird, hätte man also problemlos" bei der Urteilsverkündung absehen können. Es sei demnach fraglich, "wieso es überhaupt zu einer Inhaftierung" kam.

LG Bonn zu Verzweiflungstat: Wegen Totschlags in einem minder schweren Fall hat das Landgericht Bonn einen 85-jährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Wie die FAZ (Reiner Burger) schreibt, wollte der Rentner mit einem Verkehrsunfall seine demente und pflegebedürftige Ehefrau und sich selbst töten, weil er befürchtete, aufgrund eigener Gebrechen seiner Gattin nicht mehr zur Seite stehen zu können. Die ursprüngliche Anklage wegen heimtückischen Mordes wurde von der Anklagebehörde wegen der besonderen Umstände fallengelassen.

LG Bielefeld – Tönnies: Über die Fortsetzung des innerfamiliären Streits zwischen Robert und Clemens Tönnies vor dem Landgericht Bielefeld berichtet die Welt (Carsten Dierig). Sowohl der klagende Neffe Robert Tönnies als auch dessen beklagter Onkel Clemens Tönnies hätten sich nach einer zweieinhalbstündigen Beweisaufnahme in ihrer jeweiligen Rechtsansicht zur Schenkung von Vermögensanteilen am Fleischkonzern der Familie bestätigt gesehen. Das Verfahren wird im September fortgesetzt.

LG Frankfurt – Spielerberater: Eine Berateragentur hat beim Landgericht Frankfurt/M. eine einstweilige Verfügung gegen das vom Deutschen Fußball-Bund neu erlassene Reglement für Spielerberater beantragt. Nach Bericht der FAZ (Michael Ashelm) macht die Antragstellerin einen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit und einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Verbandes geltend.

AG Altenburg – Einschlafhilfen: Vor dem Amtsgericht Altenburg müssen sich vier Erzieherinnen unter anderem wegen der Misshandlung Schutzbefohlener verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, Kita-Schützlinge zum Zweck der "Einschlafhilfe" festgeschnürt und fixiert zu haben. Weil durch die Beweisaufnahme nicht belegt werden konnte, dass die Praxis den Kleinkindern geschadet habe, sei nach der Einschätzung des mit der Sache befassten Richters ein Freispruch zu erwarten. Die SZ (Cornelius Pollmer) berichtet.

StA Osnabrück – Anklage gegen Staatsanwalt: Nach Bericht der taz-Nord hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück Anklage gegen einen früheren Oberstaatsanwalt aus Oldenburg wegen Strafvereitelung im Amt und Rechtsbeugung erhoben. Er soll im Verfahren gegen den wegen mehrfachen Mordes verurteilten, ehemaligen Krankenpfleger Niels H., unzureichend ermittelt haben.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. April 2015: Späte Sühne - Teure Untreue - Unverhältnismäßige U-Haft . In: Legal Tribune Online, 21.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15295/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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