Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2014: Harte Worte in Hannover – Teurer Vergleich – BVerfG zum Rückwirkungsverbot

21.02.2014

Justiz

BVerfG zum Rückwirkungsverbot: Eine gesetzgeberische "Klarstellung" ist als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auch dann nichtig, wenn unbeabsichtigte steuerrechtliche Effekte mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt werden sollen. FAZ (Joachim Jahn) im Wirtschafts-Teil und die Badische Zeitung (Christian Rath) berichten über diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. In einem Minderheitsvotum habe Verfassungsrichter Johannes Masing gegen die "gravierende" Verschiebung der Balance von Demokratie und Rechtsstaat zugunsten der Gerichte argumentiert. In einem das Urteil begrüßenden Kommentar meint dagegen Joachim Jahn (FAZ), dass der Bürger so viel Vertrauensschutz "verdient habe." Zu diesem Ergebnis gelangt auch Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) in einer ausführlichen Analyse des Beschlusses.

BGH zu Unterhaltspflicht: Matthias Matussek (Welt) setzt sich in einem Essay aus Anlass des Urteils des Bundesgerichtshofs zur Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber pflegebedürftigen Eltern mit aktuellen Familienkonzeptionen auseinander. Er kommentiert hierzu auch mediale Reaktionen auf die Entscheidung und spannt einen Bogen zum "wohl schönsten Familienfilm aller Zeiten", der Trilogie "Der Pate".

BSG zu Hartz IV: Die SZ (Claus Hulverscheidt) berichtet über eine nun veröffentlichte Entscheidung des Bundessozialgerichts, nach der Hartz IV-Empfänger nicht in jedem Fall dazu gezwungen werden können, ihr Vermögen vor einem Leistungsempfang vollständig aufzubrauchen, etwa in dem sie eine Lebensversicherung auflösen. Vielmehr müssten die Jobcenter in einer Einzelfallprüfung feststellen, ob die Auflösung verhältnismäßig sei oder hierdurch unzumutbare Verluste entstünden.

OLG München – NSU-Prozess: Die taz-Nord (Andreas Speit) berichtet über eine mögliche Zeugenbeeinflussung durch Holger G., einen der Mitangeklagten im Verfahren gegen Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München. G., der als Hauptbelastungszeuge auftrete, sei zumindest ursprünglich dem Zeugenschutzprogramm des Bundeskriminalamts zugeteilt gewesen, ob dies nach wie vor der Fall sei, habe die Behörde auf Anfrage nicht beantworten wollen.

OLG München zu Kirch: Der jahrelange Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bank und den Erben Leo Kirchs ist mit einem vor dem Oberlandesgericht München geschlossenen Vergleich beendet worden. Wie die SZ (Klaus Ott/Andrea Rexer) schreibt, einigten sich die Parteien auf eine vom Geldinstitut zu leistende Zahlung von mehr als 925 Millionen Euro, die nach Informationen der Zeitung auch gleich überwiesen worden seien. Im Gegenzug zögen die Nachkommen Kirchs alle noch anhängigen Klagen gegen die Bank zurück. Auch die FAZ (Joachim Jahn) berichtet und bietet in einem weiteren Beitrag (Hans-Josef Susenburger) die "Chronik eines Debakels für Banker und ihre Juristen."

Marc Beise (SZ) kommentiert, dass die Dauer des Verfahrens auch der juristischen Vertretung der Bank geschuldet sei: "sonst extrem selbstbewusste Manager" hätten "viel zu lange" der Argumentation ihrer Anwälte, nach der eine Einigung Aktionärsklagen nach sich ziehen könnten, vertraut. Die gefundene Lösung bedeute dagegen die Rückkehr unternehmerischer Vernunft.

VG Stuttgart – Stefan Mappus: Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat beim Verwaltungsgericht Stuttgart eine gegen den Landtag gerichtete Klage eingereicht, in der ein unzureichendes Frage- und Beweisantragsrecht im EnBW-Untersuchungsausschuss gerügt wird, schreibt die FAZ (Rüdiger Soldt). "Intellektueller Kopf" der juristischen Strategie des Ministerpräsidenten a.D., zu der auch eine Klage gegen die Kanzlei Gleiss Lutz gehöre, sei der Strafrechtler Bernd Schünemann. Dessen wortgewaltige Empörung über die Arbeit des Ausschusses ließe "ernsthafte Einwände" etwas untergehen, so sei etwa problematisch, dass Unterlagen aus dem parallel laufenden Ermittlungsverfahren wegen des umstrittenen EnBW-Rückkaufs in den Ausschuss gelangten und von dieser öffentlichen Bühne aus die nichtöffentlichen Ermittlungen beeinflussten.

AG Tiergarten zu Bushido: Vor dem Amtsgericht Tiergarten von Berlin ist der Musiker Bushido vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden. Wie die FAZ (Mechthild Küpper) schreibt, verzichtete das vermeintliche Opfer eines Schlages mit dem Schuh des Rappers vor Gericht auf eine Aussage.

Edathy – Friedrich: Rechtsprofessor Friedrich Schoch (FAZ) unterzieht in einem Gastbeitrag für den Staat und Recht-Teil der Zeitung die "juristisch heikle" Informationsweitergabe im Fall des ehemaligen Bundestags-Abgeordneten Sebastian Edathy durch den vormaligen Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) an Sigmar Gabriel (SPD) einer auf das Dienstrecht konzentrierten Analyse. Weil dieser in seiner Eigenschaft als Parteichef und nicht etwa als Abgeordneter über die Ermittlungen informiert worden sei, sei Friedrich eine Verletzung der im Bundesministergesetz normierten Verschwiegenheitspflicht anzulasten, für die das Gesetz aber eine Disziplinarmaßnahme nicht vorsehe. Der von der Rechtsordnung vorgezeichnete Weg wäre allerdings die Information der Bundeskanzlerin gewesen. Das Verhalten der beteiligten SPD-Funktionäre hinsichtlich der Informationsweitergabe sei dagegen "soweit die Fakten bekannt sind" nicht zu beanstanden. Auch die Anfrage des Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann beim BKA-Chef Jörg Ziercke könne als Anfrage aus dem Informationsfreiheitsgesetz qualifiziert werden.

KZ-Wachmänner: Die FAZ (Rüdiger Soldt, erweiterte Online-Version) berichtet über Durchsuchungen bei ehemaligen, mutmaßlichen Wachmännern des KZ Auschwitz. Die früheren SS-Mitglieder stünden aufgrund von Vorermittlungen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg im Verdacht, an der Tötung von KZ-Häftlingen beteiligt gewesen zu sein. Drei Männer seien vorläufig festgenommen worden.

Datenschutz und Clouds: In Fortsetzung seiner Themenwoche "Anwalt & Technik" beschäftigt sich lto.de (Daniel Grosse) mit den Möglichkeiten, Kanzlei-Dateien auf virtuellen Speicherplätzen, den sogenannten Clouds, zu sichern.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Februar 2014: Harte Worte in Hannover – Teurer Vergleich – BVerfG zum Rückwirkungsverbot . In: Legal Tribune Online, 21.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11119/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen