Die juristische Presseschau vom 7. November 2023: Asyl­be­schlüsse von Bund und Län­dern / Busch­mann zu Rück­füh­rungs­ge­setz / Fran­k­reichs Jus­tiz­mi­nister vor Gericht

07.11.2023

Der Migrations-Gipfel von Bund und Ländern kam in der Nacht zu Ergebnissen. Bundesjustizminister Buschmann hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Rückführungsgesetz. Justizminister Éric Dupond-Moretti steht in Frankreich vor Gericht. 
 

Thema des Tages

Asyl: Der Bund-Länder-Gipfel zum Thema Migration und Asyl hat in der Nacht auf Dienstag zu Ergebnissen geführt. Der Bund wird sich künftig pro Asylbewerber:in mit einer jährlichen Summe von 7.500 Euro an den Kosten von Ländern und Kommunen beteiligen. Der Zeitraum, in dem Asylbewerber:innen nur reduzierte Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, wird von 18 auf 36 Monate verdoppelt. Bis Ende Januar wollen Bund und Länder ein Konzept für die Einführung von Bezahlkarten erarbeiten. Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Verwaltungsgerichte sollen jeweils binnen sechs Monaten getroffen werden, bei Anträgen aus Staaten mit einerm Schutzquote von weniger als fünf Prozent sollen die Verfahren im BAMF und vor den VGen in jeweils drei Monaten abgewickelt sein. Die Länder sollen die VGe entsprechend ausstatten. Die Bundesregierung will prüfen, ob Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden können. Es berichten sz.de (Phillip Saul)spiegel.de und tagesschau.de.

Rechtspolitik

Abschiebung: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen den vom Bundesinnenministerium vorbereiteten und von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf für ein Rückführungsverbesserungsgesetz. Insbesondere die Ausweitung des Ausreisegewahrsams von maximal 10 auf maximal 28 Tage müsse besser begründet werden. Außerdem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten: Je einschneidender die Maßnahme, desto wichtiger müsse der Grund sein, auch auf die Erforderlichkeit müsse geachtet werden. Die SZ (Constanze von Bullion) berichtet. 

Justiz

BFH – Steuerfolgen des Widerrufsjokers: Am heutigen Dienstag wird der Bundesfinanzhof über die Frage verhandeln, ob Nutzungsersatz zu versteuern ist, den Darlehensnehmer:innen nach erfolgtem Widerruf des Vertrag (insbesondere unter Nutzung des sogenannten Widerrufsjokers) von Banken erhalten haben. Die Finanzgerichte haben bisher uneinheitlich entschieden. Die FAZ (Katja Gelinsky) berichtet ausführlich.

LG Frankfurt zu Cum-Ex/Fortis: Der ehemalige Geschäftsführer der Fortis Global Securities Lending and Arbitrage (GSLA) Finance Holding GmbH Frank H. ist vom Landgericht Frankfurt wegen schwerer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Manipulationen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Die FAZ (Marcus Jung) erläutert den Sachverhalt und den Prozessverlauf. 

LG Köln zu Olearius-Tagebüchern: Nun berichten auch LTO und beck-aktuell (Joachim Jahn) über die Entscheidung des Landgerichts Köln, dass das Land Nordrhein-Westfalen dem Bankier Christian Olearius 10.000 Euro Schadensersatz leisten muss, weil beschlagnahmte Tagebücher von Olearius an Journalist:innen gelangt waren, was eine Amtspflichtverletzung darstelle.

LG Braunschweig – zerschnittenes Jungfernhäutchen: Vor dem Landgericht Braunschweig ist der 54-jährige Frauenarzt Haydar A. wegen Körperverletzung und Verstümmelung weiblicher Genitalien angeklagt. Der Mediziner soll auf der Hochzeitsreise seiner Braut mit einer Schere ein Stück des Jungfernhäutchens entfernt haben, um mit ihr Sex haben zu können. Das Gericht zweifelt, ob hier eine Genitalverstümmelung vorliegt. Der Mediziner erschien nicht zum Prozess und legte ein Attest vor, weil er bei einem Aufenthalt im Irak gestürzt sei. Die Welt (Per Hinrichs) berichtet.

LG Frankenthal zu fristloser Kündigung von Pachtverträgen: Das Landgericht Frankenthal hat entschieden, dass ein Pachtvertrag fristlos gekündigt werden kann, wenn der Pächter seinen Verpächter in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten beleidigt. Nach Bericht von LTO hatte ein Verein seinem Pächter nach Beleidigungen im Netz den Vertrag fristlos gekündigt und auf Räumung geklagt. Laut Gericht sei dem Verein die Fortsetzung der Vertragsbeziehung unzumutbar. 

LG Leipzig – Gil Ofarim: Anlässlich des Prozessauftakts an diesem Dienstag gegen Sänger Gil Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung, fasst nun auch spiegel.de (Wiebke Ramm) die bisherigen Geschehnisse zusammen. 

LAG Köln – Irreguläre virtuelle Verhandlung: LTO (Markus Sehl) berichtet ausführlich über eine virtuelle mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Köln im Mai, bei der der zuständige Richter aus seiner Sicht nach stattgefundener Verhandlung ein Urteil fällte, während Kläger- und Beklagtenseite das Gericht über die gesamte Zeit weder gehört noch gesehen haben wollen. Die Parteien haben beim Landesarbeitsgericht Köln in zweiter Instanz einen Vergleich geschlossen. 

GenStA Hamburg – Geiselnahme auf dem Flughafen: Der bewaffnete 35-jährige Türke, der seine Tochter am Samstagabend auf dem Gelände des Hamburger Flughafens in seinem Auto festhielt und die Ausreise in die Türkei für sich und seine Tochter gefordert hatte, sitzt in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Geiselnahme und Entziehung von Minderjährigen, so LTO. Der Beschuldigte hatte eine Schrankenanlage durchbrochen, gab auf dem Flughafengelände Schüsse aus einer Pistole ab und warf Brandsätze aus dem Auto.

Die FAZ (Julian Staib) berichtet in diesem Kontext über die gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Flughäfen in Deutschland. Es gebe nur wenig Vorgaben, sodass der Schutz der deutschen Flughäfen oft unterschiedlich ausfalle. 

Reinhard Müller (FAZ) kritisiert den fehlenden Schutz von Infrastruktur. Dieser sei "eine klassische Aufgabe der Gefahrenabwehr, von der deren Aktualität und Bedeutung schon bisher niemand überrascht sein" könne. 

CDU-Parteigericht zu Hans-Georg Maaßen: Der CDU-Bundesvorstand hat einstimmig beschlossen, Beschwerde gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Kreisparteigerichts der CDU Thüringen einzulegen. Das Gericht hatte im Juli den Antrag des Bundesvorstands abgelehnt, den Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei auszuschließen. In nächster Instanz ist das Landesparteigericht der CDU Thüringen zuständig. spiegel.de berichtet. 

Angriff auf das BVerfG: Der Angriff auf das Bundesverfassungsgericht am Samstag hatte wohl keine politischen Motive. Der 41-jährige deutsche Staatsbürger, der auf dem Gelände des BVerfG mit einem Druckluftgewehr auf Polizisten schoss, hatte zuvor schon in Karlsruhe Kekse gestohlen und dabei den Mitarbeiter eines Ladens verletzt, berichten die BNN (Wolfgang Voigt). Auch LTO berichtet inzwischen über den Vorfall von Samstag.

Recht in der Welt

Frankreich – Justizminister Dupond-Moretti: Die SZ (Oliver Meiler) portraitiert den französischen Justizminister Éric Dupond-Moretti, dem vorgeworfen wird, sich mit Ermittlungen und anderen Schikanen an Untersuchungsrichtern gerächt zu haben, mit denen er einst als Strafverteidiger zu tun gehabt hatte. Auch die FAZ berichtet über den Prozess vor der Cour de Justice de la République. Es handelt sich um den ersten Prozess des Gerichtshofs gegen einen amtierenden Amtsträger. 

Dänemark – Spionage: In Dänemark hat sich ein angeblicher Spionageskandal als haltlos erwiesen, nachdem die Anklage gegen den ehemaligen Geheimdienstchef Anders Findsen und Ex-Verteidigungsminister Hjort Frederiksen wegen Verrats von Staatsgeheimnissen fallen gelassen wurde. Wie die taz (Reinhard Wolff) berichtet, hatte der Oberste Gerichtshof ein Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt und damit klar gemacht, dass er den Vorwurf des Geheimnisverrats nicht teile. 

USA – HBO: Ein ehemaliger Mitarbeiter des Pay-TV-Senders HBO hat das Unternehmen wegen Mobbings und Diskriminierung in Los Angeles verklagt. Wie die SZ (Jürgen Schmieder) berichtet, kam im Verlauf des Prozesses jedoch ans Licht, dass HBO-Programmchef Casey Bloys angeblich Mitarbeiter aufforderte, kritische Journalist:innen mit falschen Twitter-Accounts anzugreifen. Es geht dabei um sechs Einzelfälle

USA – Trump/Immobiliengesellschaften: Ex-US-Präsident Donald Trump hat im New Yorker Betrugsprozess unter Eid ausgesagt und ungenaue Vermögensschätzungen eingeräumt. Die Ungenauigkeit habe sich jedoch überwiegend zu seinen Ungunsten ausgewirkt. Trump nutzte seine Aussage in erster Linie, um die Demokraten, den Richter, die Staatsanwältin und Gerichtsangestellte zu beschimpfen. Es berichten SZ (Peter Burghardt) und spiegel.de.

EGMR - Caster Semenya: Die 17-köpfige Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird sich mit dem Fall der intersexuellen südafrikanischen Leichtathletin Caster Semenya befassen. Dies hat der EGMR auf Antrag der Schweiz jetzt beschlossen. Ein Termin steht noch nicht fest. Im Juli hatte eine siebenköpfige Kammer entschieden, dass Semenya von Schweizer Gerichten diskriminiert wurde. Semenya wehrt sich gegen die Vorgabe des Welt-Leichtathletikverbandes, dass sie ihren Testosteronpegel medikamentös senken muss, um bei Frauen-Wettbewerben starten zu können. 

CAS – IOC/Russland: Nachdem das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Russland suspendiert hat, legt Russland nun Berufung gegen die Entscheidung des Komitees beim Internationalen Sportgerichtshof (Court of Arbitration for Sport, CAS) ein. Die Suspendierung war erfolgt, nachdem das Nationale Olympische Komitee Russlands die annektierten ukrainischen Gebiete Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja in seine olympische Organisationsstruktur aufgenommen hatte. FAZ und LTO berichten. 

Sonstiges

Rechtsgeschichte – Hitler-Putsch: Vor 100 Jahren scheiterte in München der sogenannte Hitler-Putsch. beck-aktuell berichtet über den Vorfall und das nachfolgende Gerichtsverfahren wegen Hochverrats. Hitler wurde 1924 vom Volksgericht München I nur zur Mindeststrafe von fünf Jahren verurteilt und nach neun Monaten auf Bewährung entlassen. Das Verbot öffentlicher Reden wurde 1927 aufgehoben.

Das Letzte zum Schluss

Großbritannien – Goldener Lokus: In Großbritannien müssen sich vier Männer wegen des Diebstahls einer goldenen Toilette, einer Installation des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan, aus dem Blenheim-Palast verantworten. Der derzeitige Aufenthaltsort des "güldenen Klosetts" sei jedoch noch immer unklar, wie spiegel.de berichtet. 


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LTO/lkh/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. November 2023: Asylbeschlüsse von Bund und Ländern / Buschmann zu Rückführungsgesetz / Frankreichs Justizminister vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 07.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53090/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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