Die juristische Presseschau vom 15. Februar 2019: "Geord­nete-Rück­kehr-Gesetz" / BVerfG zu Ver­mitt­lungs­aus­schüssen / Aus­kunfts­an­spruch gegen den Ver­kehrs­mi­nister

15.02.2019

Ein Gesetzentwurf des Innenministers sieht verschärfte Abschieberegelungen vor. Außerdem in der Presseschau: BVerfG befasst sich mit Befugnissen von Vermittlungsausschüssen, ein ZDF-Redakteur darf vom Verkehrsminister Auskunft verlangen.

Thema des Tages

"Geordnete-Rückkehr-Gesetz": Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat einen Gesetzentwurf zur Ressortabstimmung gegeben, der vor allem vorsieht, die Abschiebung von Ausreisepflichtigen deutlich zu erleichtern, wie spiegel.de, taz (Dinah Riese) und FAZ (Helene Bubrowski) berichten. Das sogenannte "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" soll die Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen erleichtern und sieht eine Aussetzung des Trennungsgebots, also die zeitweise Unterbringung von Abschiebehäftlingen in Justizvollzugsanstalten für Strafgefangene vor. Ferner soll mit dem Gesetz für Ausreisepflichtige, die Abschiebungshindernisse selbst verursacht haben, ein Status "unterhalb der Duldung" geschaffen werden. Außerdem sollen künftig auch Dritte bestraft werden können, die eine Abschiebung behindern, indem sie beispielsweise einen Abschiebetermin bekannt machen.

Constanze von Bullion (SZ) sieht den Gesetzentwurf kritisch und meint, dass gerade die neue Strafregelung der "Einschüchterung von Flüchtlingshelfern, Mitstreitern im Kirchenasyl, auch Journalisten, die vorab über Abschiebungen berichten" diene. Somit stelle der Entwurf durchaus eine Gefahr für die Pressefreiheit dar.

Rechtspolitik

EU-Urheberrecht: Die SZ (Thomas Kirchner) berichtet über die wichtigsten Punkte der EU-Urheberrechtsreform, auf die sich am Mittwochabend der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament geeinigt haben. Dabei wurde ein europaweites Leistungsschutzrecht für Presseverlage vereinbart. Außerdem sollen Plattformen wie Youtube gezwungen werden, Lizenzen der Rechteinhaber zu erwerben, weil sie sonst für mögliche Verstöße gegen Urheberrechte haften.

Karoline Meta Beisel (SZ) kritisiert die bisher eher unsachliche und emotionale Diskussion. Es könne nicht bestritten werden, dass die Reform zum Einsatz von Uploadfiltern zwinge. Diese würden aber auch heute schon eingesetzt, ohne dass dies zu großen Problemen führe. Daniel Kretschmar (taz) kritisiert, dass leistungsfähige Uploadfilter sehr teuer seien und eine entsprechende faktische Verpflichtung die marktbeherrschende Stellung von Youtube und Facebook stärke. Das Leistungsschutzrecht sei schon in Deutschland nutzlos gewesen.

Islam und Recht: Auf einer vom Deutschen Richterbund (DRB) organisierten Tagung mit dem Titel "Islam und Recht" diskutierten am Mittwoch Islam-Experten und Juristen. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob Islamverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden können oder ob es eines speziellen Islamgesetzes nach österreichischem Vorbild bedarf, damit islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland rechtlich mehr Akzeptanz erhalten. In Hinblick auf die Bewertung des Islam wurde auch emotional debattiert, wie lto.de (Hasso Suliak) berichtet.

Justiz

BVerfG zu Befugnissen von Vermittlungsausschüssen: Wie die SZ (Wolfgang Janisch) und lto.de erläutern, wurden mehrere 1999 und 2004 vorgenommene steuerrechtliche Änderungen wegen Mängeln im Gesetzgebungsverfahren nun vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. Grund dafür ist, dass die damals tätigen Vermittlungsausschüsse außerhalb der ihnen durch das Grundgesetz eingeräumten Befugnisse handelten. Wird in den Beratungsrunden der Vermittlungsausschüsse über Themen entschieden, die im Parlament kaum zur Sprache kamen, ist dies wie im vorliegenden Fall verfassungswidrig. Da alle betroffenen Vorschriften inzwischen bestätigt oder neu geregelt sind, hat das Urteil keine praktischen Auswirkungen mehr.

EuG zu Steuervorteilen internationaler Unternehmen: Bei einer Regelung zu Steuervorteilen für multinationale Konzerne in Belgien handelt es sich nicht um unerlaubte Staatsbeihilfen, befand das Gericht der Europäischen Union am Donnerstag. Es hob dabei eine Entscheidung der EU-Kommission auf, die 2016 die belgischen Steuervorteile für unzulässig erklärt und die Rückzahlung  von Beträgen in dreistelliger Millionenhöhe angeordnet hatte, so sz.de.

GBA – Bombendrohungen gegen Gerichte: Aufgrund der sich in jüngster Zeit wiederholenden Bombendrohungen, die im Namen der "Nationalsozialistischen Offensive" an verschiedenen Gerichten in Deutschland eingingen und wegen derer es immer wieder zu Evakuierungen kam, hat nun der Generalbundesanwalt einen Beobachtungsvorgang angelegt. Bei einem solchen Vorgang handelt es sich um eine Vorstufe zum Ermittlungsverfahren. Es berichten lto.de und tagesschau.de (Patrick Gensing).

OLG Celle zu Reiserücktrittsversicherung: In einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil führt das Oberlandesgericht Celle aus, dass eine unerwartete schwere Erkrankung eine Flugreise unzumutbar machen kann, weshalb die Reiserücktrittsversicherung die anfallenden Kosten übernehmen muss. Im vorliegenden Fall litt die Versicherungsnehmerin an einer schweren Durchfallerkrankung, durch die sie mehrmals am Tag gezwungen war, die Toilette aufzusuchen. Zwar befänden sich an Bord und im Flughafengebäude ausreichend Toiletten, hier sei aber die Zumutbarkeit zu verneinen. Es berichten tagesspiegel.de und lto.de.

OLG München zum Ladenschlussgesetz: Das Oberlandesgericht München wies gestern eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ab und entschied, dass Bäckereien an Sonn- und Feiertagen über die vom Ladenschlussgesetz (LadSchlG) vorgegebenen drei Stunden hinaus auch weiter unbelegte Brötchen verkaufen dürfen, da es sich dabei um "zubereitete Speisen" im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 1 Gaststättengesetz (GastG) handelt. Dies sei vor allem dann anzunehmen, wenn es sich um einen sogenannten Mischbetrieb aus Bäckerei und Café handle. Da es noch keine höchstrichterliche Entscheidung hierzu gibt, hat das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, wie lto.de und die SZ (Michael Kläsgen) erläutern.

LSG München – Mutter-und-Sohn-Unterhaltsstreit: Das Landessozialgericht München hat die Klage eines Mannes abgewiesen, der vom Bezirk Oberbayern als Sozialhilfeträger aufgefordert worden war, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, damit dieser den Unterhaltsanspruch für seine in einer psychiatrischen Einrichtung lebende Mutter berechnen kann. Wie er vor Gericht ausführte, sei ihm eine solche Unterhaltszahlung aufgrund der Vorgeschichte mit der Mutter jedoch "unerträglich". Laut SZ (Stephan Handel) ist eine Verweigerung der Auskunft allerdings nur in eindeutigen Fällen möglich. Im konkreten Fall sei eine Beweisaufnahme erforderlich, so dass letztlich das Familiengericht entscheiden müsse, ob der Kläger von den Unterhaltsansprüchen wegen "grober Unbilligkeit" zu befreien wäre.

LG München I zu Pflichtverteidiger: Lässt sich in einem Strafprozess vor dem Amtsgericht der Nebenkläger anwaltlich vertreten, hat der Angeklagte regelmäßig einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Dies hat das Landgericht München I beschlossen und begründete dies mit der "Verfahrensmacht", die der durch einen Anwalt vertretene Nebenkläger habe. Nur in sehr einfach gelagerten Fällen könne hiervon eine Ausnahme gemacht werden. Es berichtet lawblog.de (Udo Vetter).

VG Berlin zu Auskunftsanspruch gegen Verkehrsminister: Wie lto.de (Markus Sehl) ausführt, hat Anfang Februar das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) umfassend über ein Treffen mit dem scheidenden Daimler-Chef Dieter Zetsche Auskunft geben muss. Geklagt hatte ein ZDF-Redakteur. Bei dem Treffen zwischen Scheuer und Zetsche im Mai 2018 ging es wohl um das Ausmaß des Dieselabgas-Skandals und um Bußgelder gegen Daimler. Diesen Auskunftsanspruch leitete das Gericht direkt aus Artikel 5 Grundgesetz ab. Gegen die Eilentscheidung wurde Beschwerde eingelegt, so dass das Verfahren nun beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg liegt.

Recht in der Welt

Frankreich – Haft für Gelbwestler: Der frühere französische Boxprofi Christophe Dettinger wurde wegen eines gewalttätigen Angriffs am Rand der Gelbwesten-Proteste von einem Pariser Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Außerdem muss er an die verletzten Polizisten 3.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, wie spiegel.de meldet.

Türkei – Kölner Journalist entlassen: Wie zeit.de und faz.net berichten, hat ein Istanbuler Gericht die Freilassung des seit zehn Monaten in der Türkei inhaftierten Kölners Adil Demirci angeordnet. Er soll für eine linksgerichtete Nachrichtenagentur gearbeitet haben und Mitglied der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei sein, so der Vorwurf der türkischen Staatsanwaltschaft. Demirci darf jedoch nicht nach Deutschland ausreisen, sondern muss sich permanent in der Provinz Istanbul aufhalten.

Norwegen – Illegaler Krabbenfang: Das höchste Gericht Norwegens hat entschieden, dass die norwegische Regierung gegen ausländische Schiffe, die rund um Spitzbergen Schneekrabben fischen, Strafen verhängen darf, da dies nach internationalem Recht ein exklusives Recht Norwegens sei. Vor zwei Jahren hatte Norwegen ein lettisches Schiff und dessen Besatzung festgesetzt, weil diese illegalen Krabbenfang betrieben. Nun wurde die Berufung des Kapitäns und der Reederei abgewiesen. Es berichtet die SZ.

Österreich  Dritte Option: Auf verfassungsblog.de erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin Petra Sußner den aktuellen Stand in der Umsetzung der sogenannten dritten Option in Österreich. Dabei setzt sie sich vor allem mit einem Rundschreiben des Bundesministeriums für Inneres auseinander, das die dritte Option auf die Bezeichnung "divers" beschränken will, und mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2018.

IGH  Klage Iran gegen USA: Der Internationale Gerichtshof hat eine Klage des Iran auf Freigabe seiner in den USA eingefrorenen Milliarden-Guthaben für zulässig erklärt. Der IGH sei hierfür zuständig. Das Hauptverfahren könne nun fortgesetzt werden berichtet das Hbl.

Sonstiges

Arbeitgeberpflichten bei schwerbehinderten Bewerbern: In einem Beitrag auf efarbeitsrecht.de (Leonie Meißner/Nils Neumann) werden die gesetzlichen Vorgaben für öffentliche und private Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Bewerbung schwerbehinderter Menschen dargelegt. Zudem wird auf die besonderen Anforderungen bei der Ablehnung eines solchen Bewerbers und die drohenden Risiken bei einer Pflichtverletzung eingegangen.

E-Sport-Recht: In Anbetracht der wachsenden Bedeutung des elektronischen Sports, auch E-Sport genannt, haben Forscher der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg die bundesweit erste Forschungsstelle zum E-Sport-Recht (Fesr) eingerichtet. So sollen rechtsgebietübergreifend die rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Sports erforscht werden. Die Stelle soll zudem als "unabhängige Ansprechpartnerin für Politik, Ministerien, Verbände und Unternehmen" dienen, wie lto.de (Marcel Schneider) berichtet.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ali

(Hinweis für Journalisten) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Februar 2019: "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" / BVerfG zu Vermittlungsausschüssen / Auskunftsanspruch gegen den Verkehrsminister . In: Legal Tribune Online, 15.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33871/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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