Die juristische Presseschau vom 27. Februar 2018: Hells Angels gegen "Kut­ten­verbot" / Recht auf Ver­gessen / Wahl­be­trug in Polen?

27.02.2018

Die Hells Angels haben ihre Verfassungsbeschwerde gegen das neue Vereinsgesetz wahr gemacht. Außerdem in der Presseschau: Der BGH entscheidet über die Reichweite des Rechts auf Vergessen und ermöglicht eine Reform in Polen Wahlbetrug?

Thema des Tages

BVerfG – Kuttenverbot: Am gestrigen Montag haben die Hells Angels Stuttgart eine Verfassungsbeschwerde gegen das sogenannte "Kuttenverbot" eingereicht. Eine Verschärfung des Vereinsgesetzes vom März vergangenen Jahres führte dazu, dass legal arbeitende Ortsvereine der Hells Angels ihre Abzeichen nicht öffentlich zeigen dürfen, weil ein anderer Ortsverein verboten wurde. Dieses weitreichende Verbot solle für mehr Sicherheit sorgen, so der Gesetzgeber. tagesschau.de (Klaus Hempel) resümiert die Kritik an der Gesetzesänderung durch Hells Angels, Bandidos und den Motorradclub MC Gremium, welche ebenfalls Verfassungsbeschwerden eingereicht haben.

Rechtspolitik

Schiedsgerichtsordnung: Am kommenden Donnerstag tritt die neue Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit in Kraft. Das Hbl (Heike Anger) erläutert das Schiedsverfahren für Unternehmensstreitigkeiten, welches durch die neue Ordnung "effizienter und schneller" werden solle.

EU-Datenschutzgrundverordnung: Rechtsanwalt Niels George moniert im Hbl, die EU-Datenschutzgrundverordnung werde durch die notwendige Compliance "bewährte Abläufe in manchem Unternehmen durcheinanderwirbeln". Dies honorierten manche Unternehmer mit einem Verweis auf den "Brüsseler Elfenbeinturm".

Justiz

BGH – Recht auf Vergessen: Am heutigen Dienstag soll der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln über die Reichweite des Rechts auf Vergessen entscheiden. Das OLG hatte das Recht auf Vergessen nach den Grundsätzen der Störerhaftung behandelt; Google müsse demnach nur dann Suchergebnisse löschen, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich sei. Rechtsanwalt Niko Härting befasst sich für lto.de mit dem Fall – eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei möglich.

AG Hamburg – Fabio V.: Das G20-Verfahren vor dem Amtsgericht Hamburg gegen Fabio V. kann nicht wie geplant fortgesetzt werden. Die Vorsitzende Richterin musste einen angesetzten Verhandlungstag wegen Krankheit absagen; dies wäre der letzte Termin vor ihrem Mutterschutz gewesen. Wie die taz (Katharina Schipkowski) meldet, sei das vorzeitige Ende aufgrund der Schwangerschaft der Richterin zu erwarten gewesen. Das OLG Hamburg teilte indes mit, dass eine Aussetzung der Hauptverhandlung erst angeordnet werden könne, wenn feststehe, dass die Verhandlung wegen einer Überschreitung der Unterbrechungsfristen nicht fortgeführt werden kann. Das sei derzeit nicht der Fall.*

BGH zu Versicherungsklauseln: Versicherungsunternehmen müssen ihre Kunden über unwirksame Versicherungsklauseln informieren. lto.de (Hasso Suliak) erläutert die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2017 und deren Folgen für andere Branchen.

OVG Münster – Gmail: Gilt Gmail als Telekommunikationsanbieter mit den entsprechenden Pflichten? Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht Münster dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Bundesnetzagentur fordert von Google, seinen Emaildienst als Telekommunikationsdienst anzumelden, meldet zeit.de.

LG Köln zu "wir-sind-afd.de": Wegen unzulässiger Namensanmaßung hatte das Landgericht Köln den Blogger Nathan Mattes Anfang Februar dazu verpflichtet, seine Internetseite "wir-sind-afd.de" zu löschen. Jost Müller-Neuhof (Tsp) moniert: "Die einzig erkennbare Anmaßung ist die des Gerichts, den Blog-Auftritt auf die Rechtsfigur der Namensanmaßung zu reduzieren und Wähler als derart dumm darzustellen, dass sie Parteiwerbung nicht von deren Gegenteil unterscheiden können."

Familiennachzug: Anhand des Falls eines 13-jährigen Syrers beschreibt die SZ (Bernd Kastner) die Situation minderjähriger subsidiär Geschützter in Deutschland. Wegen des ausgesetzten Familiennachzugs dürfe er seine Mutter nicht nachholen, was, laut seiner Anwältin, gegen die UN-Kinderrechtskonvention und den grundgesetzlichen Schutz der Familie verstoße. Der Fall ist beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Ebenso versucht die Anwältin vor dem Verwaltungsgericht Dresden den Flüchtlingsstatuts des Jungen zu erwirken.

StA München I – Facebook: Die Staatsanwaltschaft München I werde kein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einleiten, meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Der Würzburger Anwalt Chanjo Jun hatte Anzeige wegen 442 Fällen erstattet und betont die Verantwortlichkeit der Sozialen Plattform. Die StA argumentiert, es gebe keine rechtliche Einstandspflicht für die Inhalte auf Facebook.

Recht in der Welt

Polen – Wahlbetrug: In einem englischsprachigen Beitrag erklärt Rechtsprofessor Wojciech Sadurski auf verfassungsblog.de, wie eine nun erfolgte Gesetzesänderung der polnischen Regierungspartei PiS Wahlbetrug und so die Sicherung ihrer Macht ermöglicht.

China – Amtsperioden: Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat eine Verfassungsänderung empfohlen, derzufolge der chinesische Präsident mehr als zwei Amtsperioden bleiben könne. Am 5. März wird der Nationale Volkskongress darüber entscheiden – in der Regel komme er den Empfehlungen nach, schreibt die FAZ (Friederike Böge). Laut der Regierung befolge sie mit dem Vorbringen den "Willen des Volkes". 

EU-Kommission – Datenschutz bei Online-Plattformen: EU-Justizkommissarin Vera Jourova will gewährleisten, dass große Online-Plattformen die verbraucherschutzrechtlichen Vorgaben der EU einhalten, den Datenschutz verbessern und konsequenter gegen Hasskommentare vorgehen. Die taz (Tanja Tricarico) berichtet von Jourovas geplanten Maßnahmen.

In einem separaten Kommentar meint Tanja Tricarico (taz) der Vorstoß sei "gut gemeint", reiche aber nicht aus, "um Hass und Betrug aus dem Netz zu verbannen". Sie stellt auch in Frage, ob die Plattformen allein verantwortlich gemacht werden können.

Indonesien – Kriminalisierung von Sex: Wie die FAZ (Till Fähnders) berichtet, will Indonesien außerehelichen und gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe stellen. Der Beitrag beleuchtet auch die Rechte von Homosexuellen im Land.

Kritik von UN-Menschenrechtskommissar: Zur Eröffnung der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats übt der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad al-Hussein Kritik an der menschenrechtlichen Lage im Iran, in Syrien, in der Türkei und in Polen. Den ungarischen Premier Viktor Orbán bezeichnete er als Rassisten, meldet zeit.de.

Sonstiges

Parteienfinanzierung: Das Antikorruptionsgremium des Europarats, Greco, kritisiert, Deutschland setze seit Jahren Empfehlungen in Sachen Parteienfinanzierung nicht um: So sollten etwa anonyme Spenden verboten und der Betrag von derzeit 50.000 Euro, ab dem die Partei eine Spende an den Bundestagspräsidenten melden muss, verringert werden, meldet zeit.de.

Arbeitsrechte Strafgefangener: spiegel.de (Linda Vogt) schildert am Beispiel von Sebastian Stein (Name im Artikel geändert) das Sonderrechtsverhältnis, welches die Arbeit und Ausbildung von Strafgefangenen regelt. Diese erhalten nicht dieselben Rechte wie reguläre Arbeitnehmer, so etwa keinen Mindestlohn und keine Beiträge zu ihrer Rentenversicherung.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

*In dieser Meldung waren sachliche Fehler, wir haben diese am 27.02.2018, 9.54h korrigiert. Danke für die Hinweise, die LTO-Redaktion

lto/vb

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Februar 2018: Hells Angels gegen "Kuttenverbot" / Recht auf Vergessen / Wahlbetrug in Polen? . In: Legal Tribune Online, 27.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27181/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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