Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. März 2017: Schlam­perei in der Bun­des­an­walt­schaft / Abschie­bung von Gefähr­dern / Flüsse als Rechts­per­sonen

27.03.2017

Justiz

BVerwG zu Abschiebung von Gefährdern: Das Bundesverwaltungsgericht hat in der vergangenen Woche Abschiebungsanordnungen gemäß § 58a Aufenthaltsgesetz gegen zwei Göttinger Islamisten gebilligt. Die Samstags-FAZ (Reinhard Bingener) stellt das Verfahren dar und schätzt, dass auf dieser Grundlage derzeit höchstens 125 Abschiebungen von Gefährdern möglich seien. Die Montags-taz (Christian Rath) beschreibt anhand der jetzt veröffentlichten Urteilsbegründung, wie das Bundesverwaltungsgericht das Merkmal der "terroristischen Gefahr" auslegt und welche Konstellationen die Richter davon umfasst sehen.

Ronen Steinke (Montags-SZ) findet es "blamabel", dass die Innenminister sich erst von Richtern erklären lassen mussten, wie einfach es sei, Gefährder abzuschieben. Christian Rath (Montags-taz) glaubt dagegen, dass das Bundesverwaltungsgericht vor dem Amri-Attentat die Hürden nicht so weit abgesenkt hätte wie jetzt erkennbar wurde. Jost Müller-Neuhof (Tsp) sieht ebenfalls keinen Fehler der Innenminister: "Hinterher sind immer alle klüger."

BGH zu Patientenverfügungen: Der Bundesgerichtshof hat präzisiert, dass eine Patientenverfügung auch dann verbindlich sein könne, wenn sie sich nur allgemein "gegen lebensverlängernde Maßnahmen" wende, im Übrigen aber auslegbar sei. Sollte eine solche Auslegung nicht möglich sein, komme es auf mündlich geäußerte Behandlungswünsche sowie den mutmaßlichen Willen des Patienten an. Es berichten lto.de (Constantin von Lijnden) und die Samstags-BadZ (Christian Rath).

BVerwG zu Suizidmedikament: Der Palliativmediziner Stephan Sahm kritisiert in einem FAS-Gastbeitrag das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Anfang März, das sterbewilligen Patienten in Extremfällen Anspruch auf ein Suizidmedikament zubilligt. Das Urteil missachte die Leistungsfähigkeit der Palliativmedizin und werde dazu führen, dass Patienten künftig "zu früh auf den vermeintlichen Ausweg der Selbsttötung setzen".

BGH – Störerhaftung und Familie: Der Bundesgerichtshof wird am Donnerstag über die Frage verhandeln, ob Eltern Schadensersatz aus Störerhaftung zahlen müssen, wenn von ihrem Internet-Anschluss ein Musikalbum zum illegalen Download angeboten wurde und die Eltern nicht offenlegen, welches ihrer volljährigen Kinder die Tat begangen hat. Der Spiegel (Dietmar Hipp) schildert den Fall.

LG Hamburg zu Silvesterübergriff: Nun schildert auch der Spiegel (Julia Jüttner) einen erneuten Freispruch im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen auf der Hamburger Reeperbahn an Silvester 2015. Ein Iraner war wegen seiner blauen Jacke auf Fotos identifiziert worden. Daraus ergab sich aber nur, dass er vor Ort war, nicht die Teilnahme an Straftaten. Das Landgericht Hamburg kritisierte die Ermittlungen.

LG Frankfurt/Main zu Heiratsschwindel: Die FAS (Raquel Erdtmann) schildert den Berufungsprozess gegen einen Heiratsschwindler am Landgericht Frankfurt/Main. Die vom Amtsgericht verhängte Freiheitsstrafe – zwei Jahre und vier Monate – wurde bestätigt.

LG Berlin – Selbstjustiz im Supermarkt: An diesem Montag will das Landgericht Berlin das Urteil gegen den Filialleiter eines Supermarkts in Berlin-Lichtenberg verkünden. Er hatte einen obdachlosen moldawischen Ladendieb so schwer verprügelt, dass dieser mutmaßlich an den Verletzungen starb. Laut spiegel.de (Julia Jüttner) hat der Prozess ergeben, dass derartige Selbstjustiz in diesem Supermarkt üblich war.

ArbG Köln – Ditib-Imame: Das Arbeitsgericht Köln verhandelte am Freitag über die Kündigungsschutzklagen von zwei Imamen, die in Einrichtungen des Moscheedachverbandes Ditib gearbeitet hatten. Es zeichnete sich ab, dass die Klagen scheitern werden, weil kein Arbeitsverhältnis mit der Ditib bestand. Die Imame waren vielmehr als Beamte für die türkische Religionsbehörde Dyanet tätig; sie waren nach dem türkischen Putschversuch ohne nähere Begründung per Ministererlass entlassen worden. Es berichten süddeutsche.de (Jan Bielicki) und taz.de (Christian Rath).

StA Hannover – Mordversuch an Ex-Partnerin: Die Staatsanwaltschaft hat einen Kurden, der seine kurdische Ex-Partnerin in Hameln mit einem Strick an sein Auto band und sie hinter sich herschleifte, wegen Mordversuchs angeklagt. Der Spiegel (Herbert Gude - spiegel.de-Kurzzusammenfassung) schildert ausführlich, wie der Konflikt des Paares eskaliert war.

Kfz-Abgase: Der Spiegel (Dietmar Hipp u.a.) beschreibt, wie insbesondere die Organisation Deutsche Umwelthilfe mit strategischen Klagen gegen Kommunen die Überschreitung von Grenzwerten im Straßenverkehr thematisiert und so sogar Fahrverbote für Dieselfahrzeuge durchsetzen könnte.

jurop.org (Johannes Schulte) prüft die Erfolgsaussichten eines Eilantrags des Umweltverbands BUND beim Verwaltungsgericht Schleswig, mit dem das Kraftfahrbundesamt verpflichtet werden soll, den Verkauf von Diesel-Neufahrzeugen zu untersagen, wenn diese die Grenzwerte nicht einhalten. Der Antrag könne schon an der fehlenden Antragsbefugnis des BUND scheitern.

Freisprüche: Die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über eine Studie des Kriminologen Jörg Kinzig, die dieser am Wochenende beim Strafverteidigertag vorstellte. Danach liegt die Quote der Freisprüche relativ konstant bei drei bis vier Prozent der angeklagten Fälle. Bei Vergewaltigungen liege sie jedoch deutlich höher, was zeige, dass hier zunehmend auch bei schwieriger Beweislage angeklagt werde.

GBA Frank im Interview: Generalbundesanwalt Peter Frank spricht im Interview mit den BNN (Tobias Roth) über die heutige Bedeutung des Buback-Mordes für seine Behörde, die Fahndung nach den letzten RAF-Mitgliedern und über rechten Terror. So habe sich innerhalb der Reichsbürger-Szene eine terroristische Vereinigung gebildet.

GenStA Stuttgart – Terrorbekämpfung: Die Montags-FAZ (Rüdiger Soldt) berichtet über eine neue Abteilung "Extremismus/Terrorismus" bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, die für das ganze Land Zentralstellenfunktion habe.

Überlastung von Staatsanwaltschaften: Die WamS (Annette Dowideit) schildert die Überlastung der Staatsanwaltschaften, die zur unnötig häufigen Einstellung von Verfahren führe. Rund zehn Prozent der Planstellen sei nicht besetzt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. März 2017: Schlamperei in der Bundesanwaltschaft / Abschiebung von Gefährdern / Flüsse als Rechtspersonen . In: Legal Tribune Online, 27.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22479/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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