Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2016: Gut­achten zu Lan­des­verrat / Kundus beim BGH / Erdoğan legt Beschwerde ein

06.10.2016

Justiz

BGH – Kundus-Affäre: Der Bundesgerichtshof verhandelt heute über Schadensersatzansprüche von zwei Afghanen, deren Angehörige 2007 bei einem Angriff auf zwei von Taliban entführten Tanklastern ums Leben gekommen waren. Der Angriff, bei dem mehrere Dutzend Zivilisten starben, war vom deutschen Oberst Georg Klein angeordnet worden, obwohl die Piloten vorgeschlagen hatten, die Anwesenden vorher durch Tiefflug zu warnen. Die SZ (Wolfgang Janisch) schildert den Fall und beleuchtet die Hintergründe.

LG Stuttgart – Waffenexporte von Heckler & Koch: Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat beim Landgericht Stuttgart Einsicht in die Akten des Verfahrens gegen Mitarbeiter des Rüstungsherstellers Heckler & Koch beantragt. Diese sind dort wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz angeklagt. Das ECCHR will mit der Akteneinsicht weitere zivil- und strafrechtliche Schritte vorbereiten. Die Menschenrechtsorganisation vertritt dabei Aldo Gutiérrez Solano, der möglicherweise in Mexiko von einer Kugel aus einem Gewehr von Heckler & Koch getroffen wurde und seither im Koma liegt, schreibt die taz (Wolf-Dieter Vogel).

LG Bamberg – Missbrauch durch Arzt: Im Verfahren gegen den wegen Vergewaltigung angeklagten Chefarzt Heinz W. hat die Verteidigung die sofortige Freilassung des Angeklagten gefordert. Es sei allenfalls mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen, da es dem Arzt nicht um sexuelle Befriedigung gegangen sei. Ihm wird vorgeworfen, unter dem Vorwand wissenschaftlicher Untersuchungen zwölf Frauen betäubt und missbraucht zu haben. Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet.

StA Mainz – Böhmermann: Nach Informationen von bild.de will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens gegen den Satiriker Jan Böhmermann einlegen. Böhmermann selbst hat inzwischen in einem Youtube-Video eine "Stellungnahme zur Sache abgegeben", über die die Welt (Christian Meier) und spiegel.de berichten.

In einem Kommentar begrüßt jetzt auch Jost Müller-Neuhof (Tsp) die "erfrischend ganzheitliche Sichtweise" der Mainzer Staatsanwaltschaft, die geeignet sei, "die deutsche Satire dauerhaft zu entgrenzen".

Die FAZ (Michael Hanfeld) schildert die Reaktionen verschiedener Juristen auf die Verfahrenseinstellung und weist auf das laufende Verfahren am Landgericht Hamburg hin. Das Hbl (Andreas Neuhaus) porträtiert die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) befasst sich mit der Frage, ob Angela Merkel das Video, um das gestritten wird, überhaupt gesehen hat, bevor sie die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilte. Möglich erscheine es, dass die Kanzlerin den Beitrag lediglich auf Grundlage einer vom Auswärtigen Amt und Bundesjustizministerium erstellten "internen Einschätzung zu den juristischen Implikationen" bewertet habe.

StA Köln – Vernichtete NSU-Akten: Mehrere Anwälte von NSU-Opfern haben bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige gegen den ehemaligen Verfassungsschutzmitarbeiter Lothar Lingen erstattet. Lingen habe sich wegen Strafvereitelung und Urkundenunterdrückung strafbar gemacht, indem er im November 2011 Akten zu Thüringer V-Leuten vernichten ließ. Die Welt (Stefan Aust/Dirk Laabs) und die taz (Konrad Litschko) schildern den Fall. Für den Juristen Maximilian Pichl (verfassungsblog.de) zeigt der Fall "exemplarisch, wie mühsam die rechtsstaatliche Aufklärungsarbeit im NSU-Komplex ist – und welche fragwürdige Rolle die Geheimdienste weiterhin einnehmen". Die Bundesrepublik sei nach der EMRK verpflichtet, eine unabhängige Untersuchung in Gang zu setzen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Oktober 2016: Gutachten zu Landesverrat / Kundus beim BGH / Erdoğan legt Beschwerde ein . In: Legal Tribune Online, 06.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20777/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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