Die juristische Presseschau vom 17. Dezember 2015: Red­sam­keit im NSU-Pro­zess / Griff nach Daten / SG Berlin stellt sich gegen BSG

17.12.2015

Nun hat auch Ralf Wohlleben sein Schweigen im NSU-Prozess gebrochen. Außerdem in der Presseschau: Der bayerische Verfassungsschutz soll Zugang zu Vorratsdaten bekommen, doch keine Sozialhilfe für EU-Ausländer und eine liebeskranke Rentnerin.

Thema des Tages

NSU-Prozess – Aussage von Ralf Wohlleben: Nach Beate Zschäpe hat nun überraschend auch der wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagte Ralf Wohlleben sein Schweigen im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München gebrochen. In seiner von ihm selbst verlesenen Aussage, schilderte er seinen Werdegang und die Beziehung zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Den Vorwurf der Bundesanwaltschaft, dem NSU die Mordwaffe beschafft und von den Morden gewusst zu haben, stritt er ab.

Auf Nachfragen des Gerichts will er am heutigen Donnerstag mündlich eingehen. Über die Einzelheiten berichten FAZ (Karin Truscheit), spiegel.de und SZ (Annette Ramelsberger u.a.). Auf zeit.de (Tom Sundermann) findet sich die vollständige Aussage zum Nachlesen. Es sei kein Zufall, dass nach Zschäpe nun auch Wohlleben spreche. Ihre Aussagen seien letzte Versuche, Höchststrafen abzuwenden, befindet die taz (Konrad Litschko). Nach Einschätzung von Heribert Prantl (SZ) sind Aussagen von Wohlleben, in denen er sein Leben als Neonazi schildert, wichtig für das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn er sei NPD-Funktionär in Thüringen gewesen. Sein Verhältnis zur Gewalt sage somit einiges über die Verhältnisse in der NPD.

Rechtspolitik

EU-Datenschutz-Grundverordnung: Die Verhandlungsrunde von Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament am Dienstag wird voraussichtlich die letzte zur Datenschutz-Grundverordnung gewesen sein. Die nun beschlossene Fassung gelte als final, schreibt lto.de (Julia Wendler) und gibt einen Überblick über die grundlegenden Neuerungen.

Was sich dadurch für Nutzer und Unternehmen ändert, stellt auch die FAZ (Hendrik Kafsack) in Form von Frage und Antwort vor.

Eine deutliche Verbesserung gebe es bei Verbraucherrechten, die künftig vor heimischen Behörden durchgesetzt werden können. Zudem würden Unternehmen dazu verpflichtet, standardmäßig die datenschutzfreundlichsten Einstellungen anzubieten, schreibt die taz (Sveja Bergt). Der Rechtsanwalt Niko Härting sieht darin dagegen auf lto.de ein Instrument der Bevormundung. Die Einwilligung in die Datenverarbeitung werde durch die Verordnung für so viele Fallkonstellationen als unwirksam erklärt, dass sie in der Praxis kaum noch etwas wert sein werde. In die gleiche Richtung argumentiert er im Interview mit zeit.de (Patrick Beuth).

Zugriff auf Vorratsdaten: Ein Gesetzentwurf, den die bayrische Landesregierung am Dienstag auf den Weg gebracht hat, soll dem bayerischen Verfassungsschutz den Zugriff auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung ermöglichen. Diese Daten sind, nach der Regelung im Telekommunikationsgesetz (TKG), vor allem für die polizeiliche Verwertung bestimmt. Klar ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst keinen Zugriff haben. Für die Länder heißt es im TKG dagegen allgemein "Gefahrenabwehrbehörden der Länder". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) habe sich nun darauf berufen, dass damit auch der Landesverfassungsschutz gemeint sei, schreibt die taz (Christian Rath).

Urheberrechtsreform: Der Cheflektor des Verlags C.H. Beck Detlef Felken widmet sich in der Zeit dem Referentenentwurf zur Reform des Urheberrechts. Danach soll künftig jeder Autor sein Buch fünf Jahre nach Ablieferung aus dem Verlag, der es verlegt hat, abziehen und an den nächsten Verlag weiterverkaufen können. Mit dieser Neuregelung entwerte der Gesetzgeber den urheberrechtlich relevanten Einfluss des Erstverlages und betreibe faktisch eine Enteignung, ohne dass ein von Autoren artikulierter Reformbedarf gegeben sei.

Leiharbeit/Werkverträge: Der Referentenentwurf zur Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen zieht Befürchtungen nach sich, dass derzeit legale Vertragsformen mit einem Schlag illegal werden, schreibt Hbl (Axel Schrinner u.a.). Der vorgesehene Kriterienkatalog im Bürgerlichen Gesetzbuch, anhand dessen künftig zwischen Werkvertrags- und regulären Arbeitsverhälnissen unterschieden werden soll, sei zu eng, weil die Grenzen fließend und in jedem Einzelfall zu prüfen seien.

Kinderschutzgesetz: Anlässlich des am gestrigen Mittwoch verabschiedeten Evaluationsberichts zum Kinderschutzgesetz, das 2012 als Reaktion auf Missbrauchsfälle verabschiedet worden war, stellt die taz (Heide Oestreich) die von Familienministerin Manuela Schwesig für das nächste Jahr beabsichtigten Novellierungen vor. So solle das System der Familienhebammen durch Finanzierung über einen Fond verstetigt werden. Heikel sei das Vorhaben, die Elternrechte zu beschneiden, indem Kinder, die viele Jahre in einer Pflegefamilie verbracht haben, dort verbleiben sollen.

Baden in Berlin: Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin das Hundeverbot am Schlachtensee mit guten Gründen gekippt habe, müsse nun eine dauerhafte Lösung her, meint Jost Müller-Neuhof (Tsp) und schlägt ein Gesetz vor, das die Bezirke ermächtigt, hundefreie Zonen auszuweisen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. Dezember 2015: Redsamkeit im NSU-Prozess / Griff nach Daten / SG Berlin stellt sich gegen BSG . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17892/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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