Die juristische Presseschau vom 4. Dezember 2015: Sozial­hilfe für EU-Zuwan­derer / Rück­kehr zur Ein­zel­fallprü­fung / Tier­schutz für Tier­schützer

04.12.2015

Auch EU-Zuwanderer haben Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Außerdem in der Presseschau: Einzelfallprüfung bei syrischen Flüchtlingen, Tierschutzvorschriften gelten auch für Tierschützer und KJM zu Pornographie.

Thema des Tages

BSG zu Sozialhilfe für EU-Zuwanderer: Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass EU-Zuwanderer einen Anspruch auf Sozialhilfe haben können. Zwar müsse ihnen nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kein Anspruch auf Hartz IV eingeräumt werden, sie könnten aber Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum haben – und zwar über die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII, die der Höhe nach dem Hartz-IV-Anspruch entsprechen. Voraussetzung des Grundsicherungsanspruchs sei ein verfestigter Aufenthalt, der gegeben sei, wenn sich ein Zuwanderer mehr als sechs Monate in Deutschland aufhalte. Durch die Anerkennung dieses Anspruchs habe das BSG eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vermieden, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Das BVerfG hatte 2012 entschieden, dass Asylbewerber Anspruch auf ein durch die Menschenwürde garantiertes Existenzminimum haben. Einige Sozialgerichte hatten deshalb in den vergangenen Wochen verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Leistungsausschluss artikuliert.

Rechtspolitik

Bundeswehreinsatz in Syrien: Anlässlich der heutigen Entscheidung des Bundestages über den Antrag der Bundesregierung für eine militärische Unterstützung Frankreichs im Kampf gegen die Terrororganisation "IS", widmet sich der Rechtsprofessor Jasper Finke auf juwiss.de noch einmal ausführlich den verfassungs- und völkerrechtlichen Problemen, die der Einsatz aufwirft. Der im Gutachten des Wissentschaftlichen Dienstes und vorliegenden Mandatstext erzeugte Eindruck rechtlicher Eindeutigkeit trüge. Ebenfalls auf juwiss.de befasst sich Hannes Rathke mit der Frage, ob die EU ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ist. Artikel 42 Abs. 7 EUV erscheine diesbezüglich als Nukleus einer gemeinsamen Verteidigung, der einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit entspreche. Wie die BadZ (Christian Rath) schreibt, gibt es starke juristische Zweifel am Einsatz der Bundeswehr gegen den "IS", für die das Bundesverfassungsgericht aber nicht zuständig sei. Im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp) kommt der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan, dagegen zu dem Schluss, dass eine Klage der Opposition gegen den Einsatz vor dem BVerfG zumindest im Hauptsacheverfahren gute Chancen hat. Rainer Arnold und Agnieszka Brugger (taz) stellen Pro & Contra eines deutschen Syrien-Einsatzes gegenüber. Im HBl spricht sich der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg für den Einsatz aus. Deutschlands bescheidener militärischer Beitrag sei bei allen berechtigten Zweifeln richtig.

EU-Fluggastdaten: Kommission, Ministerrat und EU-Parlament verhandeln derzeit über einen endgültigen Entwurf zur Fluggastvorratsdatenspeicherung. Danach sollen künftig bis zu 60 Einzeldaten – wie Reiseroute, Zahlungsinformationen und Essenswünsche – eines jeden Passagiers bis zu fünf Jahre lang gespeichert werden und an neue zentrale Sammelstellen weitergeleitet werden, wo sie mit polizeilichen Datenbanken abgeglichen werden sollen. Sollte der Entwurf durchgehen, wollen die Grünen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Anhand von Beispielen aus einzelnen Mitgliedstaaten zeigt zeit.de (Patrick Beuth) auf, wie mehr Überwachung zur Standardreaktion auf Terror in Europa geworden ist.

EU-Datenschutzgrundverordnung: Die EU-Datenschutzgrundverordnung, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, geht Datenschützern obleich ihres Rufs als das neue "Grundgesetz" des Datenschutzes nicht weit genug. Grund dafür ist, dass sie auch wegen des Drängens der Bundesregierung, Unternehmen von strengen Anforderungen zu befreien, in einigen Punkten hinter dem in Deutschland geltenden Datenschutzniveau zurückbleibt. So sei etwa vor der Zweckbindung, nach der Daten nur für Zwecke verwendet werden dürfen, für die der Nutzer zuvor seine Zustimmung gegeben hat, gewarnt worden, schreibt HBl (Dana Heide/Anja Stehle).

Telemediengesetz: Wie netzpolitik.org (Markus Beckedahl) schreibt, hat die EU-Kommission den Gesetz-Entwurf zur Reform des Telemediengesetzes, dessen erste Lesung vergangene Nacht stattfand, kritisiert. In dem Schreiben, das im Volltext wiedergegeben wird, weise die EU-Kommission darauf hin, dass der geplante § 8 TMG (WLAN-Störerhaftung) gegen Artikel 12 der E-Commerce-Richtlinie verstößt. Danach seien Access-Provider nämlich ohne weitere Voraussetzungen von der Haftung für Rechtsverstöße Dritter freizustellen. Weitere Kritikpunkte seien die unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf unternehmerische Freiheit und auf Meinungsfreiheit.

Rückkehr zur Einzelfallprüfung: Auf der Innenministerkonferenz haben die Innenminister der Länder beschlossen, dem Vorschlag von Bundesinnenminister de Maizière zu folgen und künftig wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, ob syrische Flüchtlinge Asyl erhalten. Die Einzelfallprüfung war vor einem Jahr aufgehoben worden, um die Verfahren für Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg zu beschleunigen. Mit der Rückkehr werde nun dem Ruf nach einer präzisen Registrierung aller Flüchtlinge Folge geleistet, der nach den Terroranschlägen von Paris laut geworden sei, schreibt SZ (Stefan Braun).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. Dezember 2015: Sozialhilfe für EU-Zuwanderer / Rückkehr zur Einzelfallprüfung / Tierschutz für Tierschützer . In: Legal Tribune Online, 04.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17755/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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