Die juristische Presseschau vom 17. Juli 2012: Bayern gegen Finanzausgleich– Gesetz für Beschneidung – BVerfG-Termin zur Eurorettung

17.07.2012

Bayern will nicht mehr Zahlmeister sein. Der Freistaat will den Länderfinanzausgleich kippen und zieht vor das BVerfG. Außerdem in der Presseschau: die Bundesregierung will möglichst bald religiös motivierte Beschneidungen regeln, das BVerfG im September über ESM und Fiskalpakt entscheiden und NRW weiter Steuer-CDs kaufen.

Bayern klagt gegen Finanzausgleich: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat angekündigt, heute im Kabinett eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich zu beschließen. Die Klage solle im Spätherbst beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Das berichtet die SZ (Frank Müller/Mike Szymanski). Seehofer wird mit den Worten zitiert, "ein Transfersystem, bei dem Bayern allein die Hälfte der gesamten Ausgleichssumme" zahlt,  sei "aus dem Ruder gelaufen".

Joachim Käppner (SZ) hält die bayerischen Rechnungen für "etwas einseitig". Den Großteil der Umverteilung zahle der Bund. Zudem habe Bayern dem Ausgleichssystem selbst zugestimmt und "sich die Würste und Biere über viele Jahrzehnte von anderen Ländern mitbezahlen lassen".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Beschneidung: Die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen soll gesetzlich geregelt werden – wie die SZ (ble/rro) berichtet, könnte der Bundestag schon am Donnerstag, anlässlich der Sondersitzung zur Finanzhilfe für Spanien, einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschieden. Wie eine gesetzliche Regelung aussehen könnte, ist allerdings noch unklar. Einen Überblick über die Debatte gibt zeit.de (Till Schwarze). Der Rechtsprofessor Hans Michael Heinig fordert auf verfassungsblog.de eine zeitnahe gesetzliche Klarstellung und spricht sich für eine Regelung im Gesetz über religiöse Kindererziehung aus. Thomas Stadler (internet-law.de) äußert sich hingegen "erschrocken" darüber, dass man "ein archaisches religiöses Ritual über das Recht kleiner Kinder auf körperliche Unversehrtheit stellt" und geht davon aus, dass eine gesetzliche Regelung verfassungswidrig sei.

Steuer-CD: Mit dem Ankauf einer CD mit Steuerdaten durch Nordrhein-Westfalen ist auch die Debatte um das noch nicht ratifizierte Steuerabkommen mit der Schweiz wieder aufgeflammt. Die Welt (Karsten Seibel) schildert den "Konfrontationskurs" NRWs. Das Land wolle mit dem Ankauf Nachverhandlungen beim Steuerabkommen erreichen. Harry Nutt (FR) geht davon aus, dass das Steuerabkommen nun "gestorben" sei. Heribert Prantl (SZ) erklärt, die Steuer-CDs seien zwar kein "rechtsstaatlich sauberes Instrument", aber wirkungsvoller als das Abkommen. Die FTD (Katharina Peuke) führt ein Interview mit dem Verfassungsrechtler Rupert Scholz. Er sieht in dem Vorstoß NRWs einen "Verstoß gegen die Bundestreue".

Eurorettung: Thilo Sarrazin setzt die Europa-Debatte im Feuilleton der FAZ fort. Er hält die Währungsunion für gescheitert und warnt vor einer "Schulden- und Haftungsgemeinschaft souveräner Staaten auf deutsche Kosten". Für Stabilität könne die Abschaffung des Euro oder die Gründung eines europäischen Bundesstaates sorgen.

Insolvenzrecht: Das Handelsblatt (Heike Anger) erläutert auf der "Recht& Steuern"-Seite das neue Insolvenzrecht. Seit Inkrafttreten im März habe es geschätzte 100 Anträge auf Schutzschirmverfahren gegeben. Allerdings gebe es auch noch Unsicherheiten bei den Formalien.

Weitere Themen - Justiz

ESM/Fiskalpakt-Urteil im September: Das Bundesverfassunggericht will sein Urteil im Eilverfahren um den Eurorettungspakt ESM und den Fiskalpakt am 12. September bekannt geben. Die SZ (Wolfgang Janisch/hul) berichtet, der Termin sorge für Ärger bei der Bundesregierung, weil am gleichen Tag im Bundestag die Aussprache für den Haushalt 2013 angesetzt ist. spiegel.de (Dietmar Hipp) zieht aus der Terminankündigung Rückschlüsse auf den Ausgang des Verfahrens. Es sehe nicht danach aus, als ob die Richter "den Klagen im Ergebnis stattgeben würden - denn dann hätten sie schon jetzt, im Eilverfahren, die Sache stoppen können." Ulrike Herrmann (taz) geht ebenfalls davon aus, dass das BVerfG den ESM bestätigen wird und sieht die Bundeskanzlerin als Gewinnerin. In der Krise komme ihr die Verfahrensdauer zu Gute, denn "diese Gelassenheit des Gerichts suggeriert, dass Normalität herrscht."

BGH zu Wohnhaus-Kita: Das Urteil des BGH zur gewerblichen Betreuung von Kindern in einem Wohnhaus analysiert der Rechtsanwalt Dominik Schüller für lto.de. Er betont, die Entscheidung sei "kein Grundsatzurteil gegen die Tätigkeit einer Tagesmutter in einer Wohnung", sondern habe vielmehr Fragen des Wohnungseigentumsrechts behandelt.

Hotspots und Datenspeicherung: Die taz (Christian Rath) erläutert ein Urteil des Landgerichts München I zur Datenspeicherung bei offenen WLAN-Hotspots. Das Gericht hatte im Januar entschieden, dass die Betreiber der Hotspots die Daten der Nutzer nicht speichern müssen. Das Urteil wurde nun vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht.

Unterschrift auf dem Tablet: Das OLG München hatte im Juni entschieden, dass die Unterschrift auf einem Tablet-Computer mit anschließendem Ausdruck des Vertrages nicht dem Schriftformerfordernis bei Verbaucherdarlehenverträgen entspricht. Die Entscheidung bespricht der Rechtsanwalt Andreas Bittner in der FTD als "Urteil der Woche".

Rückfällige Straftäter: Die Debatte um die Resozialisierung von Straftätern und die Gefahr von Rückfällen greift der Rechtswissenschaftler Bernd Maelicke in einem Gastkommentar für die SZ auf. Er fordert eine "verzahnte Resozialisierung" und eine bessere Betreuung der Täter nach der Haftentlassung.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Ungarn –Richterpensionierung: Wie spiegel.de meldet, hat das ungarische Verfassungsgericht die übergangslose Herabsetzung des Rentenalters für Richter gekippt. Die vorzeitige Pensionierung war in der Europäischen Union scharf kritisiert worden.

Ungarn - NS-Kriegsverbrecher: Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat den Aufenthaltsort eines mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers in Budapest bekannt gegeben. Wie die taz (Klaus Hillebrand) berichtet, soll damit Druck auf die ungarischen Behörden ausgeübt werden, Ermittlungen aufzunehmen. Der Mann gehört demnach zu den meistgesuchten NS-Tätern und soll an der Deportation von 15.700 Juden beteiligt gewesen sein. In einem gesonderten Kommentar befürwortet Hillebrand (taz) die strafrechtliche Verfolgung auch betagter NS-Verbrecher: "Was wäre das für eine Justiz, die danach vorginge, wie lange ein Mord zurückliegt?"

Das Letzte zum Schluss

Unerschrockene Diebe: In Magdeburg haben Unbekannte einen tonnenschweren kupfernen Engel von einem Friedhof gestohlen. Die Metalldiebe schreckten vor nichts mehr zurück, notiert die FTD, nicht einmal vor dem "Zorn der Toten".

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. Juli 2012: Bayern gegen Finanzausgleich– Gesetz für Beschneidung – BVerfG-Termin zur Eurorettung . In: Legal Tribune Online, 17.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6631/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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