Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. April 2013: Wo blieb die Kunst – Was wird aus dem NSU-Prozess – Wie bricht man filmreif aus

15.04.2013

Weitere Themen - Justiz

NSU-Prozess – Vorberichte: Am Mittwoch beginnt voraussichtlich der Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe am Oberlandesgericht München. Die Welt am Sonntag (Hannelore Crolly/Per Hinrichs) stellt die Beteiligten - von den Angeklagten bis zu den Zuschauern - vor. Die Samstags-taz (Wolf Schmidt) widmet Beate Zschäpe ein dreiseitiges Porträt im Wochenend-Teil. Auf Grundlage der Ermittlungsakten wird Zschäpes Weg in die rechte Szene nachgezeichnet. Im NSU-Trio sei sie die "Außenministerin" gewesen. Die Rolle der Bundesanwaltschaft beleuchtet der Spiegel (Gisela Friedrichsen): Die Behörde könnte in der Folge des Prozesses mehr Kompetenzen erhalten. Der Focus (Göran Schattauer) stellt 18 Fragen und Antworten rund um das Verfahren zusammen und geht dabei auch auf das Verhältnis zwischen den Zschäpe-Anwälten und dem Gericht ein. Die Verteidiger hätten sich über "offene Diskriminierung" beschwert, nachdem der Vorsitzende Richter Manfred Götzl angeordnet hatte, sie müssten sich vor jedem Prozesstag durchsuchen lassen. Außerdem kritisiert Julia Klöckner, stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU in der Bild am Sonntag, dass das Kreuz im Gerichtssaal offenbar abgehängt wurde.

NSU-Prozess – Platzvergabe: Das Oberlandesgericht München muss im NSU-Prozess eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien vergeben und dabei auch das besondere Interesse türkischer und griechischer Medien berücksichtigen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht und gab damit einem Eilantrag der türkischen Zeitung "Sabah" teilweise statt. Möglich sei ein Zusatzkontigent von mindestens drei Plätzen, das nach der Reihenfolge der Anmeldung oder per Los vergeben werde. Einen Überblick gibt die FR (Ursula Knapp). spiegel.de (Dietmar Hipp) erläutert die Entscheidung und betont, dass auch unabhängige Richter politisch denken müssten. Die Montags-taz (Christian Rath) wirft die Frage auf, ob der Prozess pünktlich am kommenden Mittwoch beginnen kann. Es sei möglich, dass sich das OLG entscheide, das Akkreditierungsverfahren neu aufzurollen, um Risiken für den Prozess zu vermeiden.

Maximilan Steinbeis (verfassungsblog.de) vermutet, den Münchner Richtern "entfährt ein Seufzer der Erleichterung", weil sie nun revisionsfeste Vorgaben aus Karlsruhe haben. Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) sieht in der Entscheidung eine "elegante Lösung", schwierige Rechtsfragen werden später geklärt, die Journalisten haben aber erstmal ihre Plätze sicher. "Warum nicht gleich so?" fragt Heinrich Wefing (zeit.de) – die Münchner Richter stünden nun blamiert da. Reinhard Müller (FAS) sorgt sich um das Ansehen der deutschen Justiz, wirbt aber auch für einen fairen Umgang mit dem Münchner Gericht. Michael Reissenberger (SWR – tagesschau.de) formuliert es schärfer: Das Verfassungsgericht habe "ein Münchner Justizrindvieh" vom Eis geholt.

Anklage gegen Wulff: Die Staatsanwaltschaft hat gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff am Landgericht Hannover Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben. Wulff soll sich für einen Film des Filmproduzenten David Groenewold eingesetzt haben, nachdem dieser bei einem Besuch der Wulff-Familie in München Kosten in Höhe von 770 Euro übernommen habe. Groenewald wurde wegen Bestechung angeklagt. Die Samstags-FAZ (Robert von Lucius) berichtet ausführlich und stellt eine Chronik des Falls (auf faz.net nachzulesen) zusammen. Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Ralf Wiegand) erläutert detailliert die Vorwürfe gegen Wulff. Ludwig Greven (zeit.de) hält es für richtig, dass die Staatsanwalt Anklage erhebt und verteidigt auch die akribischen Ermittlungen. Auch Thomas Gutschker (FAS) meint, es sei "aus staatsbürgerlicher und staatsrechtlicher Sicht" gut, dass Wulff die Einstellung gegen Auflage abgelehnt habe. Ob es auch persönlich eine kluge Entscheidung war, müsse sich aber noch zeigen.

EuGH in Patentstreits eingeschaltet: Das Landgericht Düsseldorf hat einen Rechtsstreit zwischen zwei chinesischen Mobilfunkunternehmen ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof angerufen, um patentrechtliche Grundsatzfragen klären zu lassen. Nach Informationen der Samstags-FAZ (Corinna Budras) wollen die Düsseldorfer Richter die Patentklagen abweisen, wenn die Konkurrenten zugleich über einen Lizenzvertrag verhandeln. Bisher habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Patentinhaber begünstigt und damit Patentstreitigkeiten aus aller Welt angezogen, nun könnte sich das ändern.

EuGH - EU-Patent: Die Samstags-FAZ (Corinna Budras) berichtet über Hindernisse bei der Einführung des EU-Patents. Zwar werde der Europäische Gerichtshof eine Klage von Italien und Spanien voraussichtlich ablehnen. Zugleich habe Spanien jedoch zwei neue Klagen eingereicht, außerdem gelte Großbritannien bei der Ratifizierung als "Wackelkandidat".

BVerfG – Streikrecht bei Kirchen: Die Gewerkschaft Verdi hat eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, nachdem das Bundesarbeitsgericht im November Streiks bei kirchlichen Einrichtungen nur in Ausnahmefällen für zulässig erklärt hatte. Die Montags-SZ (Detlef Esslinger) gibt einen Überblick über die Auseinandersetzung.

Staatsgerichtshof Bremen – Umschlag von Brennelementen: Am Staatsgerichtshof Bremen klagt die CDU-Fraktion gegen eine Regelung des Hafenbetriebsgesetzes, die vorsieht, das in Bremens Häfen keine radioaktiven Brennelemente umgeschlagen werden dürfen. Die Montags-taz (kawe/bes) berichtet von dem Prozess, in dem der Staatsgerichtshof allerdings zunächst klären muss, ob er zuständig ist.

BGH zu Online-Videorecorder: Greift ein Online-Videorecorder in die Leistungsschutzrechte eines TV-Senders ein? Der Bundesgerichtshof hat nun im Streit zwischen RTL und Shift TV einen Eingriff in das Recht auf Weitersendung bejaht, zugleich aber erklärte, RTL könnte verpflichtet sein, Shift TV entsprechende Nutzungsrechte einzuräumen. Die Entscheidung erläutert der Rechtsanwalt Jens Borchardt auf lto.de. Der Fall wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, zudem muss ein Schiedsgericht angerufen werden.

LG Hamburg – Bettina Wulff: Wie der Spiegel (Vorabmeldung auf spiegel.de) meldet, hat Bettina Wulff einen Termin am Landgericht Hamburg abgesagt. Sie wehrt sich dagegen, dass die Suchmaschine Google automatisch Begriffe wie "Escort" und "Rotlicht" mit ihrem Namen anzeigt, will nun jedoch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes abwarten.

VG Oldenburg – Zusammenarbeit mit Ausländerbehörden: Laut einem Bericht der Samstags-taz.nord (Ilka Kreutzträger) lassen sich Richter am Verwaltungsgericht Oldenburg von den Ausländerbehörden vorab über geplante Abschiebungen informieren und erhalten die zugehörigen Akten, um sich auf etwaige Eilanträge vorzubereiten. Das werde vom niedersächsischen Flüchtlingsrat und von dem Rechtsanwalt einer betroffenen Familie kritisiert, gegen drei Richter seien nun Befangenheitsanträge anhängig.

Deutschkenntnisse bei Organtransplantation: Die Samstags-taz.nord (Joachim Göres) greift den Fall eines kurdischen Patienten auf, dem eine Klinik in Bad Oeynhausen ein Spenderherz verweigert hatte, weil seine Deutschkenntnisse für die Behandlung nicht ausreichen würden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Mann im Februar Prozesskostenhilfe für ein Verfahren gegen die Klinik zugesprochen. Der Fall habe grundsätzliche Bedeutung, weil es auch darum gehe, ob die Bundesärztekammer allein die Richtlinien für die Vergabe von Organen festlegen darf.

Ermittlungen zu SS-Massaker: Der Historiker Carlo Gentile hat ein Gutachten vorgelegt, in dem er der Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebliche Fehler bei den Ermittlungen zu einem NS-Massaker in Sant' Anna di Stazzema vorwirft. 1944 hatte die SS in dem italienischen Dorf  560 Zivilisten ermordet. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen acht ehemalige SS-Angehörige im Oktober 2012 ein. spiegel.de (Felix Bohr) schildert die Vorgänge. Die Montags-SZ (Constanze von Bullion/Roman Deininger/Charlotte Frank/Cornelius Pollmer) hat sich auf die Suche nach den Beschuldigten gemacht, die "von der Sache nichts mehr hören" wollen.

Vorermittlungen gegen NS-Täter: Wie der Spiegel (Vorabmeldung auf spiegel.de) knapp berichtet, hat der Staatsanwalt Thilo Kurz in einer Fachzeitschrift kritisiert, dass die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen lange eine zweifelhafte Rechtsauffassung vertreten habe und deshalb tausende Vorermittlungsverfahren gegen NS-Täter nicht eingeleitet wurden. Kurz ist seit kurzem selbst Mitarbeiter der Zentralen Stelle.

Fall Mollath: Im Fall Gustl Mollath ist eine persönliche Verbindung zwischen dem zuständigen Richter und dem heutigen Ehemann von Mollaths Ex-Frau bekannt geworden. Der inzwischen pensionierte Richter Otto Brixner, der 2006 am Landgericht Nürnberg Gustl Mollath als schuldunfähig in die Psychatrie einwies, bestätigte gegenüber der Samstags-SZ (Olaf Przybilla/Uwe Ritzer), den Mann zu kennen, er habe aber seit 1980 keinen Kontakt mehr zu ihm gepflegt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. April 2013: Wo blieb die Kunst – Was wird aus dem NSU-Prozess – Wie bricht man filmreif aus . In: Legal Tribune Online, 15.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8524/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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