Die juristische Presseschau vom 13. Juli 2012: Handel mit Saatgut – Pflege im Ausland – Pflichten für Filehoster

13.07.2012

Ein bißchen Freiheit für Tomaten: Tagesthema in der Presseschau ist das Grundsatzurteil des EuGH zum Handel mit Saatgut. Außerdem entschied der EuGH, wer die Pflege im Ausland zahlt, der BGH, worauf der Filehoster Rapidshare achten muss und das BSG, dass die Hartz-IV-Sätze ausreichen. Nur in einer kleinen Verkehrssache entscheidet niemand – es sind nämlich alle im Urlaub.

EuGH zu Saatgut: Bauern dürfen alte Gemüsesorten anbauen und das Saatgut vermarkten, auch wenn die Pflanzensorten nicht alle Anforderungen für eine amtliche Zulassung erfüllen. Dafür gelten allerdings enge Grenzen. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Donnerstag und bestätigte damit die zugrunde liegende EU-Richtlinie für Gemüsesaatgut. Hintergrund der Entscheidung war ein Streit zwischen der französischen Bauern-Kooperative Kokopelli und dem großen Saatguthersteller Graines Baumaux. Es berichten die SZ (Silvia Liebrich) und die taz (Ruth Reichstein) über die Hintergründe des Urteils und die sehr gemischten Reaktionen.

In einem Leitartikel der FTD heißt es, die Entscheidung des EuGH sei "nur ein kleiner Sieg für den Erhalt der Artenvielfalt in der Landwirtschaft – und keine wirklich große Bedrohung für internationale Agrarkonzerne". Wünschenswert sei jedoch mehr Freiheit beim Handel mit alten Sorten. Jan Grossarth (FAZ) begrüßt dagegen, dass "auf dem Saatgutmarkt alles beim Alten" bleibe.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Beschneidung: Die Europäische Rabbinerkonferenz fordert eine gesetzliche Regelung, mit der die religiös motivierte Beschneidung von Jungen erlaubt wird. Auch die Grünen sprechen sich für eine gesetzliche Klarstellung aus. Es berichten unter anderem die SZ (Daniel Brössler) und Die Welt (Matthias Kamann/Julian Schick). Heribert Prantl (SZ) kommentiert, ein "Recht auf Beschneidung" sei nicht notwendig, es genüge, "dass das Recht nicht straft". Dies müsse die Justiz nun klarstellen.

Weitere Themen - Justiz

EuGH zu Pflegeversicherung: Die deutschen Krankenkassen müssen im Ausland lebenden Deutschen zwar ein Pflegegeld zahlen, jedoch keine Sachleistungen übernehmen. Das entschied der Europäische Gerichtshof und wies damit eine Klage der Europäischen Kommission ab, die in den deutschen Regelungen eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit gesehen hatte. Die SZ (Andreas Jalsovec) berichtet.

BVerfG zu Delisting: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Delisting und ihre etwaigen Folgen analysieren die Rechtsanwälte Oliver Seiler/Jonas Wittgens für lto.de. Unklar sei, ob die Fachgerichte auch in Zukunft einen Hauptversammlungsbeschluss und eine angemessene Abfindung für die Aktionäre fordern werden, wenn sich Unternehmen von der Börse zurückziehen.

BSG zu Hartz IV: Das Bundessozialgericht hat über zwei Hartz-IV-Fälle entschieden. Zum einen wurde die Höhe der neu berechneten Regelsätze bestätigt. Zum anderen wies das Gericht die Klage einer Frau ab, die geltend machte, eine Hartz-IV-Leistung sei nicht richtig aufgerundet worden und deshalb um 20 Cent zu niedrig. Die Welt (Stefan von Borstel) gibt einen Überblick. Die taz (Christian Rath) befasst sich ausführlich mit den neu berechneten Hartz-IV-Sätzen. Es sei wahrscheinlich, dass sich auch das Bundesverfassungsgericht noch einmal mit der Höhe der Sätze beschäftigen werde.

Flüchtlinge in Italien: Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine asylsuchende syrische Familie nicht nach Italien zurückgeschickt werden darf, weil ihr in den dortigen Flüchtlingslagern eine unmenschliche Behandlung drohe. Wie spiegel.de berichtet, haben in den letzten Monaten bereits mehrere Gerichte so entschieden.

BGH zu Filehoster: Im Streit zwischen dem Spielehersteller Atari und dem Filehoster Rapidshare hat der Bundesgerichtshof am Donnerstag entschieden. Demnach haften Plattformen wie Rapidshare unter Umständen auch für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer. spiegel.de (Christian Stoecker/Konrad Lischka) erläutert die Hintergründe der Entscheidung.

Credit Suisse: Mit den Folgen der Credit-Suisse-Affäre für die Kunden der Bank, befasst sich Die Welt (Karsten Seibel). Eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung sei nach den Presseberichten wohl nicht mehr möglich, die Anleger müssten nun auf ein Entgegenkommen der Finanzämter hoffen. Die SZ (Malte Conradi) geht von zurückhaltenden Ermittlungen der Finanzämter aus und stellt Fragen und Antworten zusammen. Die FTD (Sarah Speicher-Utsch) weist darauf hin, dass die Bank mit Schadensersatzklagen von Kunden rechnen müsse, falls die Daten unzulässigerweise von der Züricher Zentrale zur Credit Suisse in Deutschland gelangt seien.

Papst vs. Titanic: Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert die vom Papst gegen die Satirezeitschrift Titanic erwirkte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg. Ihr liege eine "fehlerhafte Abwägung von Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit" zugrunde.

Neonazi freigesprochen: Das Landgericht Freiburg hat einen Neonazi freigesprochen, der mit dem Auto in eine Gruppe von Antifaschisten gefahren war und dabei einen 21-jährigen schwer verletzt hatte. Wie die taz (Heinz Siebold) berichtet, ging das Gericht von einer Notwehrsituation aus. Der Angeklagte hatte zuvor auf Facebook verkündet, er hoffe auf eine Situation, in der er Linke angreifen und dies als Notwehr ausgeben könne. spiegel.de (Benjamin Schulz) porträtiert die an der Verteidigung des Neonazis beteiligte Rechtsanwältin Tina Gröbmayr. Sie war Sprecherin der Grünen Alternative Freiburg und wurde dort für die Mitarbeit an der Verteidigung kritisiert.

Piratenprozess: Von dem Fortgang des Piratenprozesses in Hamburg, der mittlerweile 94 Prozesstage andauert, berichtet bild.de (Kai Feldhaus).

Datenschutz bei Springer: Nach der Verteilung der Gratis-Bild bahnen sich Streitigkeiten zwischen dem Springer-Verlag und Datenschützern an. Wie lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, sind bei Springer zahlreiche Auskunftsverlangen nach dem Datenschutzgesetz eingegangen. Zur Bearbeitung dieser Auskunftverlangen fordere der Verlag von den Betroffenen nun eine Kopie des Personalausweises – für den bestehe allerdings ein Kopierverbot. Nach einem Bericht von netzpolitik.org (Linus Neumann) droht Springer zudem mit juristischen Konsequenzen gegen das so genannte E-Mail-Bombing.

Fußfessel: Die FAZ (Karin Truscheit) greift die Debatte um die elektronische Fußfessel auf. In München hatte ein verurteilter Sexualstraftäter, der eine Fußfessel trug, ein Mädchen missbraucht. Zugleich findet vor dem Landgericht Augsburg ein Verfahren um die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines Mannes statt, der ein Mädchen ermordet hatte. Der Täter erschien mit Fußfessel zur Verhandlung.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Estland – ESM: Wie Die Welt meldet, hat das Verfassungsgericht Estlands den Euro-Rettungsschirm ESM für verfassungsgemäß erklärt. Nun könne das Parlament den Vertrag ratifizieren.

Rumänien – EU mahnt zu Demokratie: EU-Kommissionspräsident Barroso hat den rumänischen Ministerpräsidenten Ponta aufgefordert, demokratische Regeln einzuhalten und das Prinzip der Gewaltenteilung zu wahren. Ponta habe angekündigt, dem nachzukommen, berichtet die FAZ (Nikolas Busse). Die taz (Ruth Reichstein) führt ein Interview mit der Brüsseler Osteuropaexpertin Corina Stratulat. Sie spricht sich dafür aus, dass die EU ihre Mitgliedstaaten stärker beobachten müsse.

Österreich – Hypo Alpe Adria: In die österreichischen Verfahren um den Verkauf der Hypo Alpe Adria an die BayernLB kommt Bewegung. Ein Gutachten der Klagenfurter Staatsanwaltschaft belastet den ehemalige Hypo Alpe Adria-Vorstand Tilo Berlin, ein Geständnis des Kärntner Steuerberaters Dietrich Birnbacher belastet Landespolitiker um den verstorbenen Jörg Haider, so die SZ (Klaus Ott/Cathrin Kahlweit).

Schweiz – Fifa-Skandal: Den Ermittlungen der Schweizer Justiz gegen den ehemaligen Chef des Weltfußballverbandes Fifa, Joao Havelange, widmet die SZ (Johannes Aumüller/Thomas Kistner) das Thema des Tages. Havelange und sein Schwiegersohn sollen Schmiergelder in Höhe von mehr als 14 Millionen Euro erhalten haben.

Das Letzte zum Schluss

Urlaubszeit: Passend zur Urlaubszeit eine kleine Anekdote eines Rechtsanwalts auf dem Blog "andere ansicht" (Christian Wolf). Da sind nämlich einfach mal alle Verfahrensbeteiligten in den Sommerferien.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Juli 2012: Handel mit Saatgut – Pflege im Ausland – Pflichten für Filehoster . In: Legal Tribune Online, 13.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6609/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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