Die juristische Presseschau vom 1. und 2. November 2012: Prozess-Deals ohne Gesetz – Kachelmann will Schadensersatz – Gutachten rechtfertigt Beamten-Streikverbot

02.11.2012

Weitere Themen – Recht in der Welt

Polen – EGMR-Urteil zu Abtreibungen: Polen ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, weil es einem 14-jährigen Mädchen nach einer Vergewaltigung die Abtreibung unzumutbar erschwert hatte. Die Donnerstags-taz (Gabriele Lesser) schildert den Fall.

In einem gesonderten Kommentar kritisiert Lesser die Missachtung von Frauenrechten in Polen scharf und fordert, der Staat müsse "die Kleriker endlich an die Kandare nehmen".

Türkei – Leutheusser-Schnarrenberger-Besuch: Über die "Rechtsstaatsmission" der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrem Besuch in der Türkei berichtet die Welt (Thorsten Jungholt). Dabei sei ihre unverblümte Art von ihrem türkischen Amtskollegen etwas pikiert aufgenommen worden.

Griechenland – Journalisten-Prozess: Die Freitags-FAZ (Michael Martens) berichtet auf ihrer Medien-Seite über den Prozess gegen den griechischen Journalisten Kostas Vaxevanis. Dieser stehe in Athen vor Gericht, weil er eine Liste mit Namen potentieller Steuersünder publiziert habe – und damit gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen haben soll. Angesichts der langjährigen Untätigkeit der griechischen Regierung gegenüber Steuersündern sei der Prozess auch politisch brisant.

Die FR meldet unterdessen den Freispruch des Journalisten.

USA – Urteil zu Argentinien-Gläubigern: Mit einem aufsehenerregenden Urteil eines New Yorker Berufungsgerichts zur Gleichbehandlung der Gläubiger Argentiniens beschäftigen sich die Donnerstagsausgaben von FAZ (Carl Moses) und FTD (Friederike Böge/André Kühnlenz). Nach dem Urteil dürfe Argentinien die Gläubiger, die seine Umschuldungsangebote unter Verzicht auf Teile ihrer Forderungen akzeptiert hätten, nicht vorrangig bedienen.

USA – Strommarktmanipulation: Der britischen Großbank Barclays steht neuer Ärger ins Haus. Wegen Manipulationen am kalifornischen Strommarkt soll sie nach dem Willen der US-Energiemarktaufsicht FERC 470 Millionen Dollar Bußgeld bezahlen. FERC ermittele gegen insgesamt 15 Unternehmen, darunter auch die Deutsche Bank, berichtet das Freitags-Handelsblatt (M.Maisch/R. Benders). Auch die Freitags-FAZ (Bettina Schulz) berichtet ausführlich.

Japan – Tepco-Mitarbeiter klagt: Ein Mitarbeiter des japanischen Energiekonzerns Tepco hat diesen auf Schadensersatz verklagt. Das Unternehmen habe nach der Atomkatastrophe die Gefahren verschwiegen, begründet er die Klageerhebung, so zeit.de.

Sonstiges

"Mein Kampf"-Veröffentlichung: Vor dem Hintergrund des 2016 auslaufenden Urheberrechtsschutzes für Adolf Hitlers "Mein Kampf" prüft das bayerische Justizministerium die strafrechtlichen Folgen einer einfachen oder wissenschaftlich kommentierten Neuveröffentlichunng, meldet die Welt (Peter Issig).

Erlaubte Drohneneinsätze: Warum der Einsatz bewaffneter Drohnen durchaus völkerrechtskonform sein könne, begründet der Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums Ulf Häusler in einem Gastbeitrag für die "Staat und Recht"-Seite der Donnerstags-FAZ.

Rechtsstaat und Unmenschlichkeit: Ebenfalls in einem Gastbeitrag für die "Staat und Recht"-Seite der Donnerstags-FAZ setzt sich der Frankfurter Rechtsgeschichtler und Verfassungsrechtler Michael Stolleis mit den "Segnungen des Rechtsstaats" auseinander. Dabei erläutert er, warum gerade das Nichteinhalten von Vorschriften in besonderen Fällen verhindere, dass aus Rechtsstaatlichkeit Sturheit oder gar Unmenschlichkeit werde – eine Erfahrung, die man gerade beim Umgang mit ausländischen Mitbürgern machen könne.

Berufsbeamtentum und Streikrecht: Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu einem türkischen Fall vor zwei Jahren tobt auch in Deutschland ein Streit über das Streikrecht von Beamten, insbesondere von Lehrern. Die Donnerstags-FAZ (Peter Carstens) stellt ein Gutachten des Ex-Verfassungsrichters Udo di Fabio vor, das dieser für den Beamtenbund erstellt hat und in dem er das deutsche Streikverbot verteidigt.

Handel mit Mobilfunkdaten: Das Bundeswirtschaftsministerium hält den von der spanischen O2-Tochter Telefónica geplanten Handel mit Standortdaten von Mobilfunknutzern für rechtswidrig. Eine solche Weitergabe sei nur mit Einwilligung oder anonymisiert an "Dienste mit Zusatznutzen" erfolgen – aber nicht wie geplant zu Marktforschungszwecken, berichtet die Donnerstags-FAZ (Jan Hauser).

Auch internet-law.de (Thomas Stadler) beschäftigt sich mit der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit solcher Geschäfte; wie lawblog.de (Udo Vetter) meldet, seien die Verkaufspläne mittlerweile zurückgezogen worden.

Lehren aus dem NSU-Skandal: lto.de (Claudia Kornmeier) berichtet über eine Podiumsdiskussion an der Universität Köln, die sich mit dem NSU, dem Versagen des Verfassungsschutzes und der Rolle von V-Leuten auseinandersetzte.

Die Stellungnahmen von Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU) und des Präsidenten des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke zum Stand der Aufarbeitung sowie eine öffentliche Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion zu dem Thema dokumentiert die Freitags-FAZ (Peter Carstens). Das "multiple Staatsversagen" im Zusammenhang mit dem NSU dokumentiert auch die Freitags-taz (Wolf Schmidt).

Gewalt in Gefängnissen: Mit der Gewalt in bayerischen Gefängnissen setzt sich die SZ (Oliver Hollenstein) im München-Teil auseinander. Über das Thema sei wenig bekannt – obwohl es sich um ein alltägliches Phänomen handele.

Effektive Strafverfolgung: Vor dem Hintergrund des Alexanderplatz-Mordes setzt sich Ulf Poschard (Welt) mit der Effektivität der Strafverfolgung auseinander. Während es der Justiz einerseits nie um Rache gehen dürfe, führe andererseits die Entstehung "rechtsfreier Räume" zu einer Erosion der Zivilgesellschaft. Um dies zu verhindern, müssten bestehende Gesetze konsequenter angewandt werden.

Das Letzte zum Schluss

Engagierter Anwalt: Wohin die Maxime "Machen Sie mal" bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts führen kann, schildert eindrücklich lawblog.de (Udo Vetter) – in diesem Fall zu einem Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung. Der noch im Krankenhaus beauftragte Anwalt habe gegen die Unfallgegnerin gleich einmal Strafanzeige erstattet – im Zivilprozess habe sich aber diese mit ihrer Sachverhaltsdarstellung durchsetzen können.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.


Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)


Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. und 2. November 2012: Prozess-Deals ohne Gesetz – Kachelmann will Schadensersatz – Gutachten rechtfertigt Beamten-Streikverbot . In: Legal Tribune Online, 02.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7442/ (abgerufen am: 20.05.2024 )

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