Die juristische Presseschau vom 1. August 2014: BVerfG-Richter kritisiert EuGH-Urteil – NSU: Abgelehnte Befangenheit – Problematische Gutachten

01.08.2014

Justiz

BGH zu Boykottaufrufen: Thomas Stadler (internet-law.de) stellt eine nun veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Februar dar. Danach sind Boykottaufrufe zwar grundsätzlich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die erforderliche Abwägung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit habe jedoch die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen, für deren Überwiegen viel spreche, wenn der Aufruf – wie im zu entscheidenden Fall – im Allgemeininteresse erfolge.

BAG zu Kritik im Betrieb: Ein Kandidat für den Wahlvorstand einer Betriebsratswahl äußerte sich in sozialen Netzwerken zu seinem arbeitgebenden Unternehmen. Seine Äußerungen sah das Bundesarbeitsgericht noch als erlaubte sachliche Kritik an, womit kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. Es versagte ihm jedoch Sonderkündigungsschutz, welcher den Initiatoren einer Betriebsratswahl, den später gewählten Wahlvorständen sowie den Kandidaten der Betriebsratswahl zustehe. Es berichten die SZ (Detlef Esslinger) und lto.de.

OLG München - Befangenheit im NSU-Prozess: Das Oberlandesgericht München hat den am Dienstag durch Beate Zschäpes Anwälte gestellten Befangenheitsantrag gegen den gesamten über den sogenannten NSU-Prozess zur Entscheidung berufenen Staatsschutzsenat abgelehnt, melden FAZ (ahan) und spiegel.de. Die Zeugenvernehmung, die Zschäpe monierte, sei noch nicht abgeschlossen, weshalb nicht beurteilt werden könne, ob der Vorwurf, bedeutsame Aspekte zugunsten der Angeklagten seien bei der Befragung außer Acht gelassen worden, zutreffe.

VG-Münster zu Niederlassungserlaubnis: Unter Berufung auf das kürzlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu deutschen Sprachanforderungen beim Familiennachzug klagte eine Frau beim Verwaltungsgericht (VG) Münster. Ihr war mangels einfachster Sprachkenntnisse die Niederlassungserlaubnis versagt worden. Sie machte nun wegen einer Erkrankung eine Härtefall-Ausnahme geltend. Das VG verneinte jedoch die Anwendbarkeit der EuGH-Argumentation auf die Niederlassungsfreiheit, da die Frau eine Aufenthaltserlaubnis besitze. Außerdem sei ein späteres Erlernen der Sprache nicht ausgeschlossen. lto.de berichtet über die bereits am 21. Juli ergangene Entscheidung.

LG-Ulm – Scala-Sparer-Verfahren: Wie das Handelsblatt (E. Atzler/M. Buchenau) berichtet, ist ein Vergleich im Verfahren der Sparer mit sogenannten Scala-Verträgen gegen die Sparkasse Ulm gescheitert. Die Sparkasse hatte Kunden aus den Sparverträgen gedrängt, die mit hohen Zinsen zur Belastung für das Geldinstitut wurden. In dem nun weiterzuführenden Verfahren ist unter anderem über ein Kündigungsrecht der Bank zu entscheiden. Das Handelsblatt porträtiert auch die entscheidende Richterin.

StA darf gegen Haderthauer ermitteln: Bis zum Ablauf der Frist am Donnerstag hat der Bayerische Landtag keinen Widerspruch eingelegt. Damit kann die Staatsanwaltschaft München II mit den Ermittlungen wegen Betrugs und Steuervergehen gegen die Leiterin der Bayerischen Staatskanzlei Christine Haderthauer (CSU) beginnen, meldet zeit.de.

EuGH - Schwermetall in Spielzeug: Deutschland hatte vor dem Europäischen Gericht (EuG) gegen die Kommission geklagt, und dabei die unterschiedlichen Grenzwerte für Schwermetall in Spielzeug nach Unionsrecht und deutschem Recht moniert. Gegen das abweisende Urteil des EuG vom Mai ruft Deutschland nun den Europäischen Gerichtshof an, meldet die FAZ.

Psychiatrische Gerichtsgutachten: Die FAZ (Helene Bubrowski) setzt sich ausführlich mit psychiatrischen Gerichtsgutachten auseinander. Die Fehlerquote bei Gefährlichkeitsprognosen schätze Norbert Nedopil, derzeitiger Gutachter im Prozess gegen Gustl Mollath, auf sechzig Prozent. Zu den Fehlerquellen gehörten Gutachten nach den Akten, die Nichteinhaltung von bestimmten Mindestanforderungen ebenso wie Gerichte, die eine eigene Prüfung der Gutachten wie vom Bundesgerichtshof vorgeschrieben vermeiden wollen und eindeutige Gutachten den fachlich korrekten mit Alternativprognosen vorzögen. Auch von möglichen Gesetzesänderungen und den Schwierigkeiten mit Rechtsschutzmöglichkeiten im Maßregelvollzug handelt der Bericht.

Wirtschaftskriminalität vor Gericht: Angesicht der erwarteten Einstellung des Korruptionsprozesses gegen Bernie Ecclestone und ähnlicher Niederlagen der Staatsanwaltschaften fragt Klaus Ott (SZ), ob die Justiz die Großen laufen lasse. Er antwortet: "Der Rechtsstaat funktioniert", weil auch solche Verfahren transparent aufgeklärt würden. Am Ende gelte der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" Ott empfiehlt allerdings, bei neuen Fragestellungen, wie Cum/Ex-Aktiendeals nicht sofort flächendeckend anzuklagen, sondern zunächst ein Musterverfahren durchzuführen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. August 2014: BVerfG-Richter kritisiert EuGH-Urteil – NSU: Abgelehnte Befangenheit – Problematische Gutachten . In: Legal Tribune Online, 01.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12750/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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