Die juristische Presseschau vom 7. September 2011: Schreiber wieder in Augsburg - Gen-Honig vor EuGH gescheitert - Börsenfusion rechtswidrig

07.09.2011

Der Waffenlobbyist Schreiber und die Staatsanwaltschaft hatten mit ihren Revisionen beim BGH Erfolg: Das Verfahren um Steuerhinterziehung und Bestechung wird neu aufgerollt, der Ausgang könnte aber für Schreiber eine Verschlechterung bringen. Außerdem: Ein bayerischer Imker gewinnt gegen die Gen-Lobby, eine rechtswidrige Börsenfusion und vieles andere.

Revision im Schreiber-Prozess: Die Verurteilung des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wegen Steuerhinterziehung durch das Landgericht Augsburg wurde gestern größtenteils vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben und muss neu verhandelt werden. Laut taz (Christian Rath) müsse das Landgericht (LG) klären, wo Schreiber zur fraglichen Zeit seinen Lebensmittelpunkt hatte und damit steuerpflichtig gewesen sei. Schreiber behaupte, dieser hätte in Kanada und nicht in Deutschland gelegen. Einen entsprechenden Antrag Schreibers zur Feststellung hatte das Gericht in Augsburg abgelehnt. Die diesbezügliche Revision Schreibers hatte nun Erfolg. Bundesrichter Armin Nack habe aber durchblicken lassen, man halte einen Erfolg Schreibers in dieser Frage für unwahrscheinlich. Die Revision der Staatsanwaltschaft im Fall, so die taz, hatte ebenfalls Erfolg: Geprüft werden müsse nun auch durch das Landgericht, ob mögliche Bestechungen des ehemaligen Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls von der CSU durch Schreiber tatsächlich verjährt seien. "[Z]u ungenau" seien die "Feststellungen des Landgerichts" gewesen.

Auch die SZ (Wolfgang Janisch) beschäftigt sich umfangreich mit der Entscheidung und zeichnet die Hintergründe zur Verurteilung Schreibers im Mai des letzten Jahres nach. Weiterhin erläutert die SZ, der BGH habe in Abkehr von seiner alten Rechtsprechung herausgestellt, die Bestechung eines Amtsträgers sei auch nach seiner Amtszeit noch möglich. Darauf könne es nun im neu aufgerollten Prozess ankommen.

Hans Holzhaider (SZ) hält Schreibers Erfolgschancen vor dem LG für gering und vermutet, gerade auch vor dem Hintergrund einer noch hinzukommenden Verurteilung wegen Bestechung: "Gut möglich, dass er den Tag, an dem sein Urteil aufgehoben wurde, noch verfluchen wird.". Weiter erinnert Holzhaider daran, dass bereits einmal ein Urteil des Augsburger LG im Zusammenhang mit "Schmiergeld- und Korruptionsskandale[n]" um Schreiber aufgehoben wurde, das gegen Max Strauß gefällt worden war.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Börsenfusion: Über ein Gutachten des Magdeburger Börsenrechtlers Ulrich Burgard, das eine Fusion der Deutschen Börse mit der New Yorker Börse als "börsenrechtlich unzulässig" einstufe, berichtet die FAZ (Daniel Mohr). "Die Fusion sei (...) zwingend zu untersagen", so Burgard, da die Deutsche Börse nach einer Fusion als "beherrschtes Unternehmen" nicht mehr ihren "Aufgaben zum Betrieb und zur Fortentwicklung der Frankfurter Wertpapierbörse" nachkommen könne. Laut dem Gutachten müsse sich die Börsenaufsicht des Landes Hessen, das die Börse mit "einer Staatsaufgabe beliehen [hat]", nun kümmern und die Fusion untersagen. Die EU-Kommission beschäftige sich derzeit ebenfalls mit dem Fusions-Vorhaben.

Besseres Insolvenzrecht: Für einen besseren Erfolg bei der Rettung von Unternehmen, die einen Insolvenzantrag gestellt haben, soll ein im kommenden Jahr in Kraft tretendes Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen beitragen. Wo die Probleme und Schwachstellen im aktuellen Insolvenzrecht, aber möglicherweise auch in den geplanten Änderungen, liegen, stellt die SZ (Jens Flottau) dar.

Strafvollzug: Wie die FR meldet, haben zehn Bundesländer gestern einen gemeinsamen Entwurf zur Verbesserung des Strafvollzuges vorgelegt. Der Entwurf eines einheitlichen Gesetzes für die beteiligten Länder wird erläutert und verlinkt. Unter anderem sehe dieser vor, "die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit" zu stärken.

Grenzkontrollen in EU: Über ein Vorhaben der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, die Entscheidung über zeitweise Grenzkontrollen im Schengen-Raum in Zukunft auf EU-Ebene anzusiedeln, informiert das Handelsblatt (Thomas Ludwig). Geplant sei etwa, bei einem "unvorhersehbare[n] Ereignis(..)", etwa einer Naturkatastrophe, eine Grenzschließung von mehr als fünf Tagen von einem Beschluss der Mehrheit der EU-Länder abhängig zu machen. "[V]orhersehbare Ereignisse wie Fußballspiele" seien auch mögliche Anlässe für Grenzschließungen, denen müsse ein Beschluss in jedem Fall vorausgehen.

Weitere Themen – Justiz

BVerfG zu Euro-Rettung: Bevor nun heute das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Griechenland-Hilfe und Euro-Rettungsschirm fällt, zeichnet die FAZ (Reinhard Müller) noch einmal Stationen der bisherigen Karlsruher Rechtsprechung zur Europäischen Union nach. Es gehe heute wieder um die Frage der möglichen Integration unter dem bestehenden Grundgesetz. Über Vereinbarkeiten der in Frage stehenden Maßnahmen mit dem Europarecht könne nur der Europäische Gerichtshof entscheiden, "den das deutsche Verfassungsgericht noch nie angerufen hat".

Unter dem Motto "Karlsruhe ist kein Heilsbringer" kommentiert Peter Ehrlich (FTD) die Diskussionen und Spekulationen um das heute fallende Urteil: Die Erwartungen an das Gericht seien "übersteigert". Bereits im Lissabon-Urteil seien den Richtern erhebliche Fehleinschätzungen zu Kompetenzen der EU unterlaufen; es fehle ihnen - wie Politikern - an "ökonomische[r] Kompetenz und Marktkenntnis". Das "Grundsatzproblem" sei das "Demokratiedefizit", wie auch richtig von Karlsruhe in anderen Urteilen angemahnt worden sei. Das Verfassungsrecht stoße hier jedoch an seine Grenzen, so Ehrlich.

Gen-Honig: Knapp und präzis schildert die SZ (Daniele Kuhr) ein gestern vom Europäischen Gerichtshof gesprochenes Urteil zu Gen-Pollen in Honig. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens habe der Gerichtshof erklärt, dass Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthalte, beabsichtigt oder nicht, als zulassungspflichtiges Nahrungsmittel gelte und falls eine Zulassung erteilt werde, gekennzeichnet werden müsse. Im konkreten Fall hatte ein Imker vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Schadenersatz vom Freistaat verlangt. Nachdem sein Honig durch ein nahegelegenes "staatliches Versuchsfeld" mit Gen-Mais der Sorte "MON810" verunreinigt wurde, habe er seinen Bestand vernichten müssen.

spiegel.de (Christian Teevs) erläutert, der fragliche Mais "MON810" sei in Deutschland "nicht als Lebensmittel zugelassen", eine Zulassung scheide dann aus. Die im Urteil geforderte Zulassungspflicht- und Kennzeichnungspflicht betreffe Honig, bei welchem "der Anteil von Gen-Pollen 0,9 Prozent" übersteige. Unklar sei jedoch, welche Auswirkungen der Richterspruch für andere Lebensmittel habe.

Dem Urteil widmet die taz (Jost Maruin) heute ihr "Thema des Tages" und setzt sich auch mit der "politischen Bedeutung" auseinander: Dem Anbau von gentechnisch manipulierten Pflanzen seien neue Hürden in den Weg gestellt worden. Insbesondere, da nun klar sei, dass betroffene Imker Schadenersatz einklagen könnten. Auch gelte Honig, der als "gentechnisch verändert" deklariert würde, "als kaum verkäuflich".

Allianz Versicherung: Gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, das im August gegen die Allianz Versicherung ergangen war, habe diese nun Beschwerde beim BGH eingelegt. Wie die SZ (Alina Fichter) berichtet, war die Allianz wegen intransparenter Klauseln in Lebensversicherungsverträgen verklagt worden und hatte verloren.

Doping-Prozess: Vor dem Hintergrund eines aktuellen Prozesses vor dem Bonner Landgericht um Doping-Handel durch einen 33-Jährigen führt lto.de (Steffen Heidt) ein Interview mit dem Rechtsprofessor Hans Kudlich rund um Fragen zur strafrechtlichen Bekämpfung von Doping im Sport. Kudlich äußert sich unter anderem kritisch zur Frage der Sinnhaftigkeit einer Einführung einer "allgemeinen Besitzstrafbarkeit" bei Dopingmitteln. Dies sei immer wieder diskutiert worden.

Anwalts-Tricksereien: lawblog.de (Andreas Kunze) berichtet über mutmaßliche Tricksereien durch Rechtsanwälte, die vor Gericht den Streitwert eines Falles in betrügerischer Absicht niedrig halten. Ein so manipulierter Streitwert führe zu geringeren Gerichtskosten. Diesem Vorwurf habe sich eine Münchener Anwaltskanzlei im Rahmen eines Prozesses vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf ausgesetzt gesehen. Warum die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln kann, erläutert der lawblog.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Jugoslawien-Tribunal: Der UN-Sondergerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat gestern Momcilo Perisic wegen Kriegsverbrechen zu 27 Jahren Haft verurteilt. Die FAZ (Michael Martens) informiert vor diesem Hintergrund über Stellung und Bedeutung des ehemaligen Generalstabschefs der Jugoslawischen Volksarmee zur Zeit der Belgrader Angriffskriege auf Kroatien und Bosnien und danach.

Angriff auf Mavi Marmara: Mit dem vergangene Woche veröffentlichten Untersuchungsbericht einer UN-Kommission zum Angriff israelischer Sicherheitskräfte auf das Schiff "Mavi Marmara" und den diesbezüglichen Streitigkeiten zwischen der Türkei und Israel setzt sich in einem Gastbeitrag auf lto.de Nick Roguski, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz, auseinander. Roguski stellt knapp den Verlauf des Angriffs auf das türkische Schiff dar. Dies habe im Mai des letzten Jahres Hilfsgüter in den abgeriegelten Gazastreifen liefern wollen. Der "politische" und "nicht bindende" Bericht komme zum Ergebnis, die Blockade Israels sei grundsätzlich rechtmäßig, in der konkreten Ausführung jedoch unverhältnismäßig gewesen. Der Bericht gehe von einem internationalen bewaffneten Konflikt aus, in dem Israel sich befände. Dies würde jedoch, so Roguski, weitere völkerrechtliche Fragen nach sich ziehen. Die Türkei erwäge nun, die Streitigkeiten um die Mavi Marmara vom Internationalen Gerichtshof klären zu lassen.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

lto/dc

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. September 2011: Schreiber wieder in Augsburg - Gen-Honig vor EuGH gescheitert - Börsenfusion rechtswidrig . In: Legal Tribune Online, 07.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4225/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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