Die juristische Presseschau vom 4. bis 6. Februar 2012: Schutz für Hinweisgeber - Schutz der Staatenimmunität - Schutz vor versteckten Kameras

06.02.2012

Verräter liebt man nicht - doch nun will die SPD zumindest solche Whistle-Blower gesetzlich schützen, die auf Missstände in ihrem Unternehmen aufmerksam machen. Außerdem in der Presseschau: Die Niederlage von NS-Opfern beim IGH und wie ein falscher Polizist mit etwas Pyrotechnik zu großem Reichtum kam.

Gesetz für Whistle-Blower: Ein "Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern" will die SPD-Fraktion diese Woche als Entwurf beschließen. Das berichtete die Samstags-SZ (Heribert Prantl). Whistle-Blower sollen vor Kündigung und anderen Benachteiligungen geschützt werden. Dem Arbeitnehmer, der Missstände aufdecken will, bleibe es dabei freigestellt, ob er sich an den Arbeitgeber, die Behörden oder die Justiz wendet. 

In einem Kommentar begrüßt Heribert Prantl (Montags-SZ) den Gesetzentwurf, gibt aber zu bedenken, dass sich erfahrungsgemäß in jedem zweiten Fall der von einem Mitarbeiter geäußerte Verdacht nicht bestätigt. Es sei deshalb "nicht unproblematisch", wenn der Gesetzentwurf auch anonyme Hinweise schützt. 

Weitere Themen – Rechtspolitik

Scharia-Gerichte: Die vom rheinland-pfälzischen Justizminister Jochen Hartloff (SPD) angestoßene Diskussion um außergerichtliche Schlichtung von Zivilverfahren durch Schariagerichte wurde von bild.de weiterverfolgt und dargestellt.

Vorratsdatenspeicherung: Die Montags-taz (Christian Rath) berichtet über eine Studie des BKA. Aus dieser ergebe sich, dass die Vorratsspeicherung nur bei IP-Adressen, nicht aber bei Telefondaten erforderlich ist. 

Fiskalpakt: Der Verfassungs-Blog (Max Steinbeis) beschreibt den Versuch, ein irisches Referendum über den Fiskalpakt zu vermeiden. Den EU-Staaten werde nicht vorgeschrieben, die Schuldenbremse in die nationale Verfassung zu schreiben, es genüge auch ein verfassungsähnliches Gesetz. Steinbeis glaubt, dass sich auf diese Weise ein Referendum nicht verhindern lässt.

Weitere Themen - Justiz

Staatenimmunität: Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, dass ausländische Opfer von deutschen Kriegsverbrechen nicht vor ihren nationalen Gerichten Schadensersatz gegen Deutschland erstreiten können. Es gebe auch bei schweren Kriegsverbrechen keine Ausnahme vom Prinzip der Staatenimmunität. Reparationen müssten zwischen den Staaten ausgehandelt werden. Das berichtet unter anderem die Samstags-taz (Christian Rath)

Ronen Steinke (Samstags-SZ) kritisiert das Urteil als Rückschlag. Unabhängige Gerichte seien oft "die einzigen Verbündeten der Opfer". Dagegen glaubt Christian Rath (Samstags-taz), dass es nur selten zur Konfliktlösung beitrage, wenn einzelne Gerichte die Entschädigungszahlungen des ehemaligen Kriegsgegners festlegen. Auch Torsten Krauel (Die Welt) begrüßt das Urteil: "Die Freigabe von Einzelklagen hätte das Tor zur Rechtsanarchie geöffnet."

Hartz IV: Der lawblog (Udo Vetter) informiert über ein Urteil des Bundessozialgerichts. Danach dürfen Behörden bei Erkundigungen über Hartz-IV-Empfänger deren Leistungsbezug Dritten nicht ohne Erlaubnis offenbaren. Sonst werde das Sozialgeheimnis verletzt. 

Krematorium: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass ein Krematorium in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Das Krematorium stelle wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe und des Gedenkens dar. Auf lto.de beleuchtet und begrüßt der Verwaltungsjurist Alfred Scheidler das Urteil.

Altersgrenzen: Rechtsprofessor Florian Becker prüft auf lto.de die Folgen eines BVerwG-Urteils, das jüngst die Altersgrenze bei Sachverständigen aufhob. Dass nun auch alle anderen Altersgrenzen von Gerichten kassiert werden, sei unwahrscheinlich. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erkenne verschiedene legitime Gründe für Altershöchstgrenzen an. 

Ärztin unter Mordverdacht: Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) schildert einen Mordprozess am Landgericht Aachen. Eine junge Ärztin soll ihren 50 Jahre älteren Ehegatten getötet haben. Er hatte sie zehn Jahre zuvor aus Obdachlosigkeit und Prostitution zu sich nach Hause geholt, worauf sie das Abitur ablegte, Medizin studierte und promovierte.

Persönlichkeitsrecht eines NS-Verbrechers: Der Publizist Hendrik M. Broder mokiert sich auf welt.de über ein Verfahren, das am 9. Februar beim Amtsgericht Eschweiler beginnt. Zwei holländische Journalisten sind wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" angeklagt. Sie hatten den NS-Verbrecher Heinrich Broere mit einer versteckten Kamera gefilmt. Broder kritisiert, bei Straftaten der rechten "Kameradschaft Aachener Land" sei die Aachener Justiz nicht so engagiert.

Deutsche Islamisten in London: Am Montag beginnt in London ein Prozess gegen zwei deutsche Konvertiten. Sie sollen bei der Einreise nach England Bombenbau-Anleitungen auf ihrem Computer mit sich geführt haben. Das berichtet die Montags-SZ (Jan Bielicki). In Deutschland wäre der Tatvorwurf nicht strafbar gewesen. 

Kronzeuge im Kartellrecht: Der Anwalt Philipp Werner beschreibt auf dem Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Amtsgerichts Bonn. Danach können Anträge auf Einsichtnahme in kartellrechtliche Kronzeugenanträge bereits dann abgelehnt werden, wenn die Gewährung der Einsichtnahme künftige Kronzeugen abschrecken würde. 

Brustimplantate: Das Handelsblatt (Jan Keuchel) berichtet, mit welchen Argumenten Anwälte nun auch gegen die Allianz vorgehen. Sie war der Haftpflichtversicherer des inzwischen insolventen Silikon-Implantat-Herstellers PIP.

Kirchhof-Interview: Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, gab der Welt am Sonntag (Jochen Gaugele u.a.)  ein ausführliches Interview. Themen waren der Euro-Rettungsschirm, Schuldenbremsen, Staatskommissare, Finanzwetten, Peter Müller, die Nähe zur Politik, der Bundespräsident, Terrorismus und der Verfassungsschutz. 

Range-Interview: Generalbundesanwalt Harald Range gab dem SWR (Holger Schmidt) das "Interview der Woche". Themen dabei: Ranges Start im Amt, die NSU-Ermittlungen, die Zusammenarbeit mit Untersuchungsausschüssen, der 2. BGH-Strafsenat und das Völkerstrafgesetzbuch.

NSU-Ermittlungspannen: Samstags-SZ (Hans Leyendecker) und Samstags-FAZ (Claus Peter Müller) geben ausführliche Überblicke über die Ermittlungspannen nach dem Untertauchen der drei NSU-Mitglieder.

Finanzkrise und Strafrecht: Klaus Ott (Samstags-SZ) verteidigt die Justiz gegen den Vorwurf, sie brauche zu lange, bis der erste Bankmanager im Zusammenhang mit der Finanzkrise vor Gericht steht. Die Grenze zwischen erlaubtem unternehmerischen Risiko und strafbarer Veruntreuung von Vermögen müsse von Fall zu Fall mühsam gezogen werden. 

Boni: Im Interview mit der FAS (Caroline Freisfeld) beleuchtet der Rechtsprofessor Ulrich Preis auf der Seite "Beruf und Chance" die Rechtslage bei der Gewährung von Boni. 

Das Letzte zum Schluss

Traue nicht dem Polizist: Die Samstags-SZ (Christoph Neidhart) schildert einen legendären Geldtransporter-Überfall, der 1968 in Japan stattfand. Ein Polizist auf einem Polizeimotorrad hielt einen Geldtransporter an und sagte, es könne sein, dass im Fahrzeug eine Bombe versteckt ist. Er schaute unter dem Auto nach und im Fahrgastraum. Plötzlich schossen unter dem Fahrzeug eine Flamme und Rauch hervor. Das Sicherheitspersonal rechnete mit der Explosion einer Bombe und rannte davon. Der falsche Polizist kaperte den Geldtransporter und erbeutet 300 Mio. Yen, was heute 21 Mio. Euro entspräche. Der Raub sei nie aufgeklärt worden, berichtet die SZ.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. bis 6. Februar 2012: Schutz für Hinweisgeber - Schutz der Staatenimmunität - Schutz vor versteckten Kameras . In: Legal Tribune Online, 06.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5496/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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