Die juristische Presseschau vom 30. November 2011: Neuner-Ausschuss in Karlsruhe – Citigroup-Vergleich gekippt – Breivik schuldunfähig

30.11.2011

Das BVerfG prüft, ob das nur neunköpfige Gremium zum Rettungsfonds EFSF Parlamentsrechte missachtet. Außerdem in der Presseschau: Anders Breivik ist wahrscheinlich schuldunfähig, Innenminister Friedrich will eine Nazi-Datenbank lieber jetzt als gleich, ein Handbuch für den Lauschangriff und ein Fernsehmythos, der das Charakterfach wechselt.

EFSF-Gremium im Crashtest: Die taz (Christian Rath) hält es für möglich, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) grundsätzlich ein stark reduziertes, geheim tagendes Bundestagsgremium zur Kontrolle des Eurorettungsschirms akzeptieren könnte. Problematisch sei für das Gericht, welche Entscheidungen aus dem Parlament herausdelegiert werden dürften.

Die FTD (Benno Stieber und Timo Pache) vermutet hingegen, das Gesetz über den Hilfsfonds EFSF müsse bald nachgebessert werden. Sie zitiert den Vorsitzenden Voßkuhle mit dem Satz: "Not kennt kein Gebot" habe den Menschen nur selten Glück gebracht.

Heribert Prantl (SZ) vergleicht die Euro-Rettungsgesetze mit den Notstandsgesetzen von 1968, die wesentlich weniger gravierend gewesen seien, und meint, das Plenum dürfe nicht zum Nullum gemacht werden.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Nazi-Datenbank schnellstmöglich: Bundesinnenminister Friedrich plant laut ftd.de schnellstmöglich eine Datenbank für Rechtsextremisten. Laut einem Entwurf aus dem Innen- und Justizministerium sei beabsichtigt, in der Großdatei Informationen über mutmaßliche rechte Gewalttäter und ihre Helfershelfer zu speichern. Zugriff solle für die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern sowie der Militärische Abschirmdienst möglich sein.

Vorbehalte gebe es noch im Justizministerium, ergänzt die FR.

Gesetz für öffentliche Übernahmen: Das Gesetz für öffentliche Übernahmen existiert seit zehn Jahren. Christian Cascante und Jochen Tyrolt (FAZ), Partner der Kanzlei Gleiss Lutz, ziehen aus diesem Anlass eine Bilanz: Insgesamt habe sich das Gesetz bewährt, problematisch seien die Vorsorgeauflagen der BaFin sowie die Mindestpreisregelungen.

Weitere Themen – Justiz

Strafverteidigerkosten absetzbar: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ein weiteres Mal bestätigt, dass die Kosten für einen Strafverteidiger absetzbar sind. Dies berichtet die FTD (Mareeke Buttjer). Alle beruflich veranlassten Kosten, auch die für einen Rechtsanwalt, seien steuerlich absetzbar. Das Steuerrecht unterscheide nicht, ob jemand beim Erwerb von Geld richtig oder falsch, moralisch oder unsittlich gehandelt habe, alles müsse versteuert werden. Daher seien beispielsweise auch die Anwaltskosten eines Ingenieurs absetzbar, der durch eine fahrlässig herbeigeführte Explosion den Tod mehrerer Menschen verursacht habe.

Handbuch für den Lauschangriff: Udo Vetter (lawblog.de) verweist auf eine interne Dienstanweisung der Generalstaatsanwaltschaft München zur Telefon- und Internetüberwachung, die der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ins Netz gestellt hat. Die Ermittler würden beispielsweise empfehlen, neue Autos anhand ihrer eingebauten SIM-Module zu orten, auch wenn kein Verdacht auf eine schwere Straftat und kein richterlichter Beschluss vorliege.

Urlaubsanspruch eingeschränkt: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Arbeitgebern zeitliche Einschränkungen für die Ansammlung wegen Krankheit nicht genommenen Urlaubs ermöglicht. Der Hamburger Rechtsanwalt Markulf Behrendt (blog.handelsblatt.com) hält die Entscheidung für "begrüßenswert". Wesentliches Argument in der Begründung sei, dass eine zeitlich unbefristete Anhäufung von Urlaubsansprüchen mit dem Zweck des Jahresurlaubs nicht vereinbart werden könne. Bei einer Erkrankung von mehr als 15 Monaten stehe es mit europäischem Recht nicht in Widerspruch, den Urlaub verfallen zu lassen.

Weitere Themen - Recht in der Welt

Vier Jahre für Jackson-Arzt: Conrad Murray ist wegen fahrlässiger Tötung von Michael Jackson von einem Gericht in Los Angeles zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Wie spiegel.de (Benjamin Schulz) berichtet, habe sich das Gericht zur Verhängung der zulässigen Höchststrafe entschieden, weil Murray keinerlei Reue gezeigt habe.

Unter anderem handelsblatt.com weist darauf hin, dass Murray aufgrund der Überbelegung der kalifornischen Gefängnisse bereits nach zwei Jahren wieder auf freien Fuß kommen könne.

Citigroup-Vergleich gekippt: Jed Rakoff heißt der New Yorker Bundesrichter, der den Vergleich zwischen der US-Börsenaufsicht SEC und der Citigroup Bank über die Zahlung von insgesamt 285 Millionen Dollar, darunter 95 Millionen Dollar Bußgeld gekippt hat. Dies, so zitiert die FAZ (Norbert Kuls), sei "Kleingeld" für eine Bank dieser Größe.

Wie die SZ (Moritz Koch) berichtet, halte Richter Rakoff die Vereinbarung für "weder fair, noch vernünftig, noch angemessen, noch im allgemeinen Interesse." Nun bestünde die Möglichkeit einer Klagewelle gegen Banken durch ihre Gläubiger.

Breivik schuldunfähig: Die beiden norwegischen Nervenärzte Torgeir Husby und Synne Sørheim halten Anders Breivik, der im Juli 2011 in Norwegen 77 Menschen tötete, für psychotisch und damit für schuldunfähig. Über die Reaktionen in Norwegen berichtet zeit.de (Steffen Trumpf).

Hannes Gamillscheg (FR) zitiert die Staatsanwältin Inger Bejer Engh, die erläutert, dass eine nun wahrscheinliche Einweisung in eine psychiatrische Institution keine Strafe, sondern eine Schutzmaßnahme sei. Nach dem Wegfall der Gefährlichkeit, frühestens nach drei Jahren, könne Breivik wieder auf freien Fuß kommen.

Die wilde Welt des Rechts

Superbulle als Staatsanwalt: In dem Fernsehfilm "Nacht ohne Morgen" (20.15 Uhr, Das Erste) spielt der für seine Rolle als Kriminalhauptkommissar Schimanski zum Mythos gewordene Götz George einen todkranken Staatsanwalt, der seinen letzten Fall klären will. Heike Hupertz (FAZ) meint zum Film: "Es schadet nicht, katholisch zu sein, um seine schwebende Rätselhaftigkeit zu sehen." Mit dabei: Barbara Sukowa und Fritzi Haberlandt.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. November 2011: Neuner-Ausschuss in Karlsruhe – Citigroup-Vergleich gekippt – Breivik schuldunfähig . In: Legal Tribune Online, 30.11.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4932/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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