Die juristische Presseschau vom 27. September 2011: Wahlzwang für Organspende – Whistleblower gegen Zocker – Wahlrecht für saudische Frauen

27.09.2011

Der Plan von Bundesgesundheitsminister Bahr, 2012 eine gesetzliche Wahlpflicht für die Organspende einzuführen, ist das Thema des Tages. Außerdem in der Presseschau: Die Forderung, Kopfgeldjäger auf Wertpapierzocker anzusetzen, Plädoyers im Fall Olaf H./Mirco, die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts, Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien ab 2015 und vieles andere.

Organspende: Mit sanftem Zwang will Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) die Bereitschaft zur Organspende erhöhen. Wie die FR (Timot Szent-Ivanyi) berichtet, will Bahr durch eine Änderung des Transplantationsgesetzes gesetzliche und private Krankenkassen verpflichten, ihre Versicherten bei der bevorstehenden Ausgabe der neuen elektronischen Gesundheitskarte über das Thema Organspende zu informieren und zu einer Erklärung über die Spendenbereitschaft aufzufordern. Der Gesetzesentwurf liege der FR vor.

Die SZ (Charlotte Frank) weist darauf hin, dass Bahr mit dem Vorstoß seine noch im Juli vertretene ablehnende Haltung aufgegeben und eine Idee Frank-Walter Steinmeiers aufgegriffen habe. Frank kommentiert: "Aus bloßen Anregungen müssen klare, verbindliche Vorschriften werden", damit der kluge, wenn auch aufgewärmte Plan Bahrs nicht ebenso unverbindlich bleibe wie das Transplantationsgesetz von 1997.

Die FTD (Lutz Meier) meint, da es weder zwischen Regierung und Opposition noch zwischen Abgeordneten und Ministerium in der Sache Differenzen gebe, könne das Gesetz bereits Anfang 2012 in Kraft treten.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Internetverbot für Filesharer: Siegfried Kauder (CDU), Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags, will Menschen, die mehrfach online Urheberrechtsverletzungen begehen, den Zugang zum Internet untersagen. Wie zeit.de (Kai Biermann, Lisa Caspari) berichtet, wolle er in den nächsten acht Wochen einen Gesetzesentwurf vorlegen, der sich am französischen Vorbild orientiere. Danach soll Menschen, die kostenlos (und illegal) unter anderem Film- und Musikdateien zur Verfügung stellten ("filesharer"), nach drei Verstößen ("three strikes") der Zugang zum Netz zunächst für einige Wochen gesperrt werden. FDP, SPD, Grüne und auch der CDU-Netzpolitiker Peter Tauber lehnten dieses Vorhaben unter anderem mit Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit vehement ab.

Kopfgeldjäger gegen Zocker: In einem Kommentar fordert Uta Harnischfeger (FTD) den gezielten Einsatz von Whistleblowern und Kopfgeldjägern, um Wertpapierzockern auf die Spur zu kommen. Die Wertpapieraufsicht ESMA reagiere zu langsam, das Verbot von Leerverkäufen lasse sich umgehen. Das "Imperium von Spitzeln", die den Aufsichtbehörden zuarbeiten sollten, sei "ein notwendiges Übel in einer Industrie, in der nach wie vor mit ungleichen Karten gespielt wird."

Weitere Themen – Justiz

Plädoyers im Fall Olaf H./Mirco: Unter anderem lto.de berichtet, die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen den 45jährigen Olaf H. habe neben der Höchststrafe lebenslänglich die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert. H. hätte den zehnjährigen Mirco wohl kilometerweit mit dem Auto verfolgt, bevor er ihn entführt, sexuell missbraucht und erdrosselt habe.

Wie auch die FAZ (Reiner Burger) berichtet, habe sich H.s Verteidiger der Forderung nach einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeschlossen, der besondere Schwere der Schuld jedoch abgelehnt. Diese ließe sich auch nicht dadurch begründen, dass sein Mandant die Öffentlichkeit manipuliert habe.

Franz-Josef Wagner (bild.de) richtet sich in seiner täglichen Kolumne direkt an den ermordeten Jungen und weiß zum Thema Resozialisierung mitzuteilen: "Ich wünsche, dass dieser Mann weggesperrt wird für immer. Er soll niemals unter uns leben."

Hinweispflicht auf Handygebühren: Unter anderem lawblog.de (Udo Vetter) berichtet über ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Durch die  automatische Online-Aktualisierung seiner Navigationssoftware waren einem Kunden Kosten in Höhe von knapp 11.500 Euro entstanden. Das OLG habe die die Forderung des Anbieters jedoch als unrechtmäßig eingestuft. Dieser habe seine Nebenpflichten aus dem Mobilfunkvertrag verletzt, indem er dem Kunden ohne nachdrückliche Warnung vor der Kostenfalle das Mobiltelefon verkauft habe.

Linkspartei zahlt Strafe: Wie die FAZ berichtet, hat die Linkspartei die Beschwerde gegen ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zurückgenommen. Die Partei werde daher die vom Bundestagspräsidenten festgesetzten 292.000 Euro Strafe für den fehlerhaften Rechenschaftsbericht des Jahres 2006 bezahlen. Damals habe die PDS Zuwendungen in Höhe von 146.000 Euro an die WASG in Rheinland-Pfalz zwar als Ausgabe, die WASG den Betrag jedoch nicht als Einnahme verbucht.

60 Jahre Bundesverfassungsgericht: Helmut Kerscher (SZ) skizziert seine persönliche Sicht auf das feine Gleichgewicht von Nähe und Distanz zwischen Presse, Politik und Richtern in Karlsruhe.

Ein Bericht in der SZ (Wolfgang Janisch) stellt das spektakuläre Institut der Verfassungsbeschwerde als "Kummerkasten der Nation" vor. Die 6.000 Beschwerden pro Jahr überlasteten die Richter, lediglich 2,4 Prozent führten zum Erfolg.

Im Interview mit der FAZ (Katja Gelinsky) sagt der Staatsrechtler Christoph Möllers über die Rolle von Karlsruhe im Europäischen Integrationsprozess: "Das Gericht wird in seiner Rhetorik bedeutungsheischender, verliert aber de facto an Bedeutung."

Weitere Themen – Recht in der Welt

Saudi-Arabien: König Abdullah hat angekündigt, dass Frauen ab 2015 das aktive und passive Wahlrecht für die Kommunalräte erhalten sollen. Das berichtet unter anderem die taz (Karim Al-Gawhary). Auch in die Schura, das 1993 geschaffene Beratungsgremium des Königs, sollen sie in Zukunft berufen werden. Das Reformdekret, so auch die FAZ (Rainer Hermann), sei in Absprache mit den wichtigsten Geistlichen des Landes ergangen und stehe im Einklang mit der Scharia.

 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. September 2011: Wahlzwang für Organspende – Whistleblower gegen Zocker – Wahlrecht für saudische Frauen . In: Legal Tribune Online, 27.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4398/ (abgerufen am: 08.05.2024 )

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