Die juristische Presseschau vom 27. Oktober 2011: Etappensieg für Thomas Fischer– Noch ein Staatstrojaner– Europafragen vor dem BVerfG

27.10.2011

Ein Eilbeschluss im Streit um BGH-Posten: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe gibt Thomas Fischer Recht - erstmal. Außerdem in der Presseschau: der neue Staatstrojaner ist kein bißchen besser, das BVerfG will die Umsetzung von Unionsrecht nicht prüfen, Volksverhetzung bei Altermedia und vieles andere.

BGH-Posten: Im Gerangel um den Posten des Vorsitzenden des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof hat Thomas Fischer einen Etappensieg davon getragen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stoppte am Mittwoch die Ernennung seines Konkurrent Rolf Raum per Eilbeschluss. Die taz (Christian Rath) schildert den Streit und porträtiert den "Richterstar" Fischer. Sein Vorgehen werde allerdings unterschiedlich bewertet: "Die einen glauben, hier werde ein herausragender und unbequemer Richter fertig gemacht, der sich auch mal mit der Politik anlege, etwa bei der Ablehnung von Deals im Strafverfahren. Die anderen halten Fischer für zu dominant und selbstgerecht." Die Bundesregierung könne nun Rechtsmittel einlegen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Europäische Integration: Christian Rath schaltet sich auf lto.de in die Debatte um die fortschreitende europäische Integration ein. "Die eigentliche Hürde" für eine Beschränkung der staatlichen Souveränität zugunsten einer starken Europäischen Union stehe "nicht im Grundgesetz, sondern wurde vom BVerfG erfunden", schreibt Rath. Das Bundesverfassungsgericht habe im Lissabon-Urteil "zahlreiche Stoppschilder" errichtet und seine Auffassung zuletzt in der Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm bekräftigt. Für weitere Integrationsschritte sei deshalb eine neue Verfassung notwendig.

Giro-Konto für alle: "Sollte jeder Bürger Anspruch auf ein Girokonto haben?" fragt Olaf Wittrock in der Zeit. Er schildert die derzeitige Rechtslage und berichtet von Plänen der EU-Kommission einen Kontrahierungszwang für Banken einzuführen.

Weitere Themen - Justiz

Neuer Trojaner: Der Chaos Computer Club (CCC) hat einen weiteren Staatstrojaner entdeckt. Wie die FTD (Friederike von Tiesenhausen) berichtet, stammt diese Späh-Software aus dem Jahr 2010, unterscheidet sich aber nur unwesentlich von dem kürzlich entdeckten Trojaner von 2008. In dem Bericht wird der CCC mit den Worten zitiert, die Software enthalte "weiterhin die grundgesetzbrechende Funktion zum Nachladen beliebiger Erweiterungen“. Mit "den Grenzen des Rechts und den Möglichkeiten der Technologie" befasst sich Stefan Schulz im Feuilleton der FAZ: "Da sich bei einer derart komplexen und komplizierten Software wie dem Staatstrojaner nicht nachprüfen lässt, was sie nicht kann, lässt sich auch nicht sagen, ob mit ihrer Anwendung rechtliche Grenzen überschritten werden können."

BVerfG zu Europafragen: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Vorlage des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt abgelehnt und sich anlässlich dessen zur Prüfung von Europafragen geäußert. Hintergrund der Entscheidung war der rückwirkende Wegfall einer Investitionszusage aufgrund europarechtlicher Vorgaben. Wie die FAZ (Reinhard Müller) erläutert, hätte das Finanzgericht zunächst prüfen müssen, ob das Investitionszulagengesetz auf zwingenden EU-Vorgaben beruhe. Nur wenn der deutsche Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum habe, prüfe das BVerfG die Vereinbarkeit der Vorschriften mit dem Grundgesetz - "es sei denn", so Müller, "zwingende europäische Vorgaben würden von Karlsruhe als außerhalb des Rechts stehend erachtet".

Uneheliche Kinder: Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 nichtehelich geboren wurden und deren Vater vor dem 29. Mai 2009 gestorben ist, bleiben vom Erbe ausgeschlossen. Das entschied der Bundesgerichtshof am Mittwoch, wie unter anderem lto.de meldet. Nun müsse möglicherweise das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern verfassungswidrig ist.

Volksverhetzung: Robert Rupprecht und Axel Möller, Betreiber des rechten Internetportals "Altermedia" wurden am Mittwoch vom Landgericht Rostock "wegen Volksverhetzung, Aufruf zu Straftaten, Beleidigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Parolen" verurteilt. Das berichtet die taz (Andreas Speit).

Terrorverdächtige frei: Das Berliner Kammergericht hat mangels dringenden Tatverdachts zwei Männer aus der Untersuchungshaft entlassen, gegen die wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt wird. Die taz (Wolf Schmidt) schildert die Hintergründe des Falles. In einem Bericht auf spiegel.de (Holger Stark und Yassin Musharbash) heißt es, die Entscheidung des Gerichts zeige "wie schmal der Grat zwischen Prävention und Strafverfolgung verläuft und wie schwer es den Ermittlern bis heute fällt, den eigens für solche Fälle geschaffenen Paragrafen 89a anzuwenden."

Maskenmann-Prozess: Der als "Maskenmann" bekannte Martin N. hat den Mord an drei Jungen und mehr als 40 Missbrauchstaten gestanden. Seine Aussage vor dem Landgericht Stade fasst spiegel.de (Gisela Friedrichsen) zusammen.

Ruanda-Prozess: Der Prozess gegen den ehemaligen ruandischen Bürgermeister Onesphore Rwabukombe vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main dauert länger als geplant. Die taz (Andreas Kraft) schildert die Zeugenaussagen und die vorläufige Einschätzung des Vorsitzenden Richters. Rwabukombe müsse demnach mit einer Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zum Völkermord rechnen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Gaddafi Clan: Wie zeit.de meldet, will sich ein Sohn Muammar Gaddafis, Saif al-Islam, dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stellen. Er werde derzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht, weil ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Zugleich wolle die Familie Gaddafis vor dem IStGH gegen die Nato vorgehen, die an der Tötung Muammar Gaddafis beteiligt gewesen sei.

Insiderhandel: Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den ehemaligen Direktor von Goldman Sachs, Rajat Gupta, erhoben. Laut einer Meldung auf spiegel.de soll er dem Hedge-Fond-Gründer Raj Rajaratnam Firmengeheimnisse verraten haben. Rajaratnam wurde kürzlich wegen Insiderhandels verurteilt. Moritz Koch (SZ) wirft einen Blick auf den Werdegang Guptas und kommt zu dem Schluss: "Egal wie das Verfahren ausgeht, sein wichtigstes Vermögen hat Gupta schon verloren. Sein Ruf ist ruiniert."

Sonstiges

Steuerrecht und Erben: Der Notar Peter Rawert kritisiert im Feuilleton der FAZ den Aufsatz eines Kollegen, der kürzlich in der "Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge" erschienen ist. Der Autor des Aufsatzes stelle darin "Gestaltungsüberlegungen" für den Fall an, dass eine Erbschaft Schwarzgeld umfasst.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Oktober 2011: Etappensieg für Thomas Fischer– Noch ein Staatstrojaner– Europafragen vor dem BVerfG . In: Legal Tribune Online, 27.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4668/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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