Die juristische Presseschau vom 21. Juli 2011: Prozessflut gegen IBM - Verschwommener Rechtsstaat - Piratenflagge vor Gericht

21.07.2011

Der Computerkonzern IBM streitet sich mit seinen Betriebsrentnern. Die Arbeitsgerichte beschweren sich nun in den Medien über die vielen Prozesse. Außerdem in der Presseschau: wie der Terror den Rechtsstaat verändert, Justizposse in Chemnitz, die Verhaftung von Goran Hadzic und vieles andere.

Prozessflut gegen IBM: Der Computerkonzern IBM sieht sich einer Welle von Klagen ausgesetzt. Ehemalige Mitarbeiter verlangen höhere Betriebsrenten und hatten bisher in allen 1.618 Fällen Erfolg, wie die FAZ (Susanne Preuß) berichtet. Nun hat sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg an die Medien gewandt, weil es die Prozessflut nicht mehr bewältigen könne. Offenbar wolle sich das Unternehmen nicht mit einigen Pilotverfahren zufrieden geben. "Die Firma IBM untergräbt damit die Autorität der Rechtsprechung" wird der Vorsitzende Richter Ulrich Hensinger in dem FAZ-Artikel zitiert. In einem gesonderten Kommentar geht Susanne Preuß (FAZ) auf das Dilemma ein, dass sich ergibt einereits aus der Überlastung des Gerichts und andererseits dem Recht des Unternehmens, sich gerichtlich zu wehren.

Udo Vetter (lawblog.de) hat kein Verständnis für das Vorgehen des Gerichts. Es sei "schlicht eine Anmaßung, wenn das Landesarbeitsgericht per Pressemitteilung IBM das Recht abspricht, Prozesse so zu führen, wie sie von der Verfahrensordnung nun mal vorgesehen sind".

Weitere Themen - Rechtspolitik

Rechtsstaat: Heribert Prantl analysiert im Feuilleton der SZ wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 den Rechtsstaat verändert haben. "Im Präventionsstaat verschwimmen die Grenzen zwischen Unschuldigen und Schuldigen, zwischen Verdächtigen und Unverdächtigen", warnt er.

Sicherungsverwahrung: Wie die taz (Christian Rath) berichtet, hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein Eckpunktepapier zur Reform der Sicherungsverwahrung aufgestellt. Damit will sie ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang Mai umsetzen. Künftig solle sich die Sicherungsverwahrung deutlich von der Strafhaft unterscheiden und der Rechtsschutz verbessert werden.

Organspende: In der "Außenansicht" der SZ schaltet sich Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums der Universitätsklinik München, in die Debatte um die Organspende ein. Seiner Ansicht nach greift das deutsche Recht "viel zu kurz".

Weitere Themen - Justiz

Maskenmann-Fall: Die Staatsanwaltschaft Stade hat gegen den als "Maskenmann" bekannt gewordenen Pädagogen Martin N. Anklage wegen dreifachen Mordes und sexuellem Missbrauch in 20 Fällen erhoben. Nach Angaben von focus.de hat der Mann die Morde an drei Jungen zwischen acht und 13 Jahren gestanden. Außerdem habe er insgesamt rund 40 Fälle sexuellen Missbrauchs zugegeben, die Hälfte dieser Taten sei jedoch bereits verjährt.

Gepfändete Boeing: Gegen eine Sicherheitsleistung von 20 Millionen Euro soll der thailändische Kronprinz Maha Vajiralongkorn die auf dem Münchener Flughafen gepfändete Boeing vorerst zurück bekommen. Die FAZ (Rüdiger Köhn) erläutert die Anordnung des Landgerichts Landshut. Die zu vollstreckenden Forderung des Baukonzerns Walter Bau richte sich gegen den thailändischen Staat, das Flugzeug sei jedoch möglicherweise Eigentum des Kronprinzen persönlich.

Piratenflagge: Dürfen Mieter eine Piratenflagge ins Fenster hängen? Die "Justizposse", die das Landgericht Chemnitz derzeit verhandelt, schildert die FTD (Ralf Hübner).

Handydaten-Skandal: Im Streit um die Aufzeichnung von rund einer Millionen Handydaten bei einer Anti-Nazi-Demo in Dresden, gibt es neuen Unmut. Nach einem Bericht der taz (Paul Wrusch) weigert sich die Staatsanwaltschaft Dresden, Auskunft über den Stand der Ermittlungen zu geben. Der Vizepräsident des deutschen Bundestags Wolfgang Thierse wird mit den Worten zitiert: "Es entsteht der Eindruck, dass die Dresdner Behörden nicht bereit oder nicht fähig sind, Rechenschaft über ihr Handeln, über den massenhaften Eingriff in die Grundrechte von Bürgern zu geben".

Markenschutz: Ab September gibt es neue Endungen für Internetseiten. So sollen erotische und pornografische Inhalte künftig mit der Endung "xxx" gekennzeichnet werden. Der Rechtsanwalt Sebastian Dramburg erklärt auf lto.de, wie sich Unternehmen, die nicht in der Erotikbranche tätig sind, vor dem Missbrauch ihrer Marken schützen können.

Gefälschte Doktorarbeiten: Die FAZ (Armin von Weschpfennig und Charlotte Wittern) befasst sich mit der Frage, inwiefern Plagiate in Doktorarbeiten strafrechtlich sanktioniert werden können. Eine Änderung der Promotionsordnungen reiche dabei in der Regel nicht aus, vielmehr müsse der Landesgesetzgeber tätig werden.

Weitere Themen - Recht in der Welt

UN-Kriegsverbrecher-Tribunal: Goran Hadzic, der letzte vom Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gesuchte serbische Kriegsverbrecher, wurde festgenommen. Laut spiegel.de bezeichnete der Präsident des Tribunals, O-Gon Kwon, die Verhaftung als "Meilenstein in der Geschichte des Gerichtshofes".

Hackergruppe Anonymous: Das FBI hat 14 mutmaßliche Angehörige der Hackergruppe Anonymous verhaftet. Sie sollen unter anderem das Online-Bezahlsystem Paypal angegriffen haben. Die SZ (Reymer Klüver) schildert, welche Schwierigkeiten die Strafverfolgung mit sich bringt. Paul-Anton Krüger (SZ) meint hingegen: "Die Hacktivisten haben die Strafverfolger unterschätzt."

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Juli 2011: Prozessflut gegen IBM - Verschwommener Rechtsstaat - Piratenflagge vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 21.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3816/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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