Die juristische Presseschau vom 20. September 2011: Urteil für U-Bahn-Schläger – Deal für die Credit Suisse – Geldregen für Eon

20.09.2011

Im Prozess um den U-Bahn-Schläger Torben P. fiel am Montag das Urteil: zwei Jahre und zehn Monate Jugendstrafe. Nun diskutieren die Medien die Entscheidung des Berliner Landgerichts. Außerdem in der Presseschau: der Deal mit der Credit Suisse, keine Brennelementesteuer für Eon, Markenschutz in China und vieles andere.

Urteil für U-Bahn-Schläger: Das Landgericht Berlin hat den 18jährigen Torben P. gestern wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt. Er hatte im April dieses Jahres im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße einen Mann niedergeschlagen und getreten. Die FAZ (Mechthild Küpper/latz) schildert detailliert das Tatgeschehen.

Das Gericht blieb hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft zurück, die vier Jahre Freiheitsstrafe beantragt hatte. Die taz (Plutonia Plarre) zitiert den Vorsitzenden Richter Uwe Nötzel mit den Worten: "Wir glauben Herrn P., dass er schockiert und bestürzt über sich selbst ist".

spiegel.de (Julia Jüttner) erklärt, warum Torben P. trotz der Haftstrafe "wohl keinen einzigen Tag hinter Gitter" muss. Die Haftverschonung werde zunächst aufrecht erhalten, zudem könne die Strafe nach sieben Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

Das Urteil sei kein Fall von "Kuscheljustiz" befindet Miriam Hollstein (welt.de): "Der Effekt der Abschreckung wäre auch bei einer höheren Strafe nicht größer gewesen".

Eine ausführliche Analyse liefert der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler auf lto.de.  Er hält die Entscheidung für "ein rechtsstaatliches Urteil, das von Bildern und Medien nicht beeinflusst wurde".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Krankenkassen: Das Bundesversicherungsamt soll das Recht erhalten, Vorstände von Krankenkassen bei groben Pflichtverstößen fristlos zu entlassen. Die FTD (Elke Spanner) erläutert einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Neuregelung des Versorgungsstrukturgesetzes. Bei Verfassungsrechtlern und Rechtsanwälten stoße das Vorhaben der Bundesregierung aber auf scharfe Kritik, weil es das Selbstverwaltungsrecht der Kassen unverhältnismäßig einschränke.

Unterhaltsrecht: Die BGH-Richterin Meo-Micaela Hahne hat sich auf dem Familiengerichtstag in Brühl zum Unterhaltsrecht geäußert. Der Bundesgerichtshof war zuvor für seine Rechtssprechung kritisiert werden, nach der Alleinerziehende einen Vollzeitjob aufnehmen müssen, wenn ihr Kind eine Grundschule besucht und im Hort betreut werden kann. Die FR (Ursula Knapp) schildert die Kritik an dem Urteil und die Entgegnung Hahnes, die eine gesetzliche Nachbesserung für "kontraproduktiv" hält.

Genitalverstümmelung: Der Rechtsanwalt Dirk Wüstenberg widmet sich im Feuilleton der FAZ der Frage der Genitalverstümmelung und ihrer strafrechtlichen Einordnung. Er spricht sich dafür aus, das Abschneiden von Klitoris und Schamlippen nicht nur als Körperverletzung, sondern in einem gesonderten Straftatbestand zu erfassen: Dies würde "sowohl den Unwertgehalt der Tat im Vergleich mit dem Abschneiden des Penis und dem Vergewaltigen eines Menschen zutreffend spiegeln als auch ein deutliches Zeichen dahin gehend setzen, was wir von Zuwanderern erwarten."

Starkes Europa: Max Steinbeis (verfassungsblog) reagiert auf das gestrige Interview des Bundesverfassungsrichters Peter Michael Huber in der SZ. Es habe ihm "die Augen dafür geöffnet, dass die bisher von mir wenig geschätzte europapolitische Rechtsprechung des Senats tatsächlich segensreiche Auswirkungen haben könnte". Denn die liefe "auf eine Volksabstimmung über die Stärkung Europas hinaus, wie sie andere Staaten in Europa seit Jahr und Tag abhalten".

Weitere Themen - Justiz

Johannes Schmalzl: Es ist weiterhin unklar, ob sich die Länder am kommenden Freitag im Bundesrat für die Ernennung Johannes Schmalzls zum Generalbundesanwalt aussprechen werden. Das berichtet die FAZ (Reinhard Müller). Demnach sagte der Bremer Regierungssprecher Hermann Kleen gegenüber der FAZ "Wenn sich bis Donnerstag nichts Entscheidendes ändert, stimmen wir nicht zu". Ursula Knapp wirft in der FR einen Blick auf die Amtsvorgänger Schmalzls und kommt zu dem Schluss, "dass Staatsanwalts- und Richterpraxis längst keine hinreichenden Kriterien mehr für den Job des Generalbundesanwalts sind". Für Schmalzl sprächen "seine Kenntnisse des islamistischen Terrorismus und sein Geschick bei der Behördenführung".

Credit Suisse: Die Schweizer Großbank Credit Suisse hat sich mit der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auf eine Zahlung von 150 Millionen Euro geeinigt. Dafür werden Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen Mitarbeiter der Bank eingestellt. Das berichtet unter anderem die FAZ (Jürgen Dunsch). Die FTD kommentiert in einem Leitartikel: "Der Preis für den Deal ist, dass die Öffentlichkeit nie erfahren wird, wie das Gericht die Beihilfe bei der Steuerhinterziehung bestraft hätte – oder welche Details ein Verfahren offengelegt hätte." nir (SZ) kritisiert : "Leitende Staatsanwälte wollen nicht mehr aufklären, sie wollen Geld einnehmen".

Brennelementesteuer: Das Finanzgericht Hamburg hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Brennelementesteuer. Dem Bund fehle möglicherweise die Gesetzgebungskompetenz. Die FTD (Nikolai Fichtner) erläutert den Beschluss. Das Gericht habe einem Eilantrag des Energiekonzerns Eon statt gegeben, der nun vorerst keine Brennelementesteuer bezahlen müsse und bereits gezahlte 96 Millionen Euro zurück erhalte.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Markenschutz in China: Der Rechtsanwalt Jan Dombrowski erläutert im Handelsblatt eine "Trendwende" bei chinesischen Gerichten. Immer häufiger würden Patent- und Markenverletzer verurteilt. Dazu habe vor allem die Einrichtung von auf Schutzrechte spezialisierten Kammern beigetragen.

Erdbeben in Italien: In Italien beginnt ein Prozess gegen sechs Wissenschaftler, die vor dem verheerenden Erdbeben von L'Aquila Entwarnung gegeben hatten. Laut einem Bericht der SZ (Jeanne Rubner) drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft und Schadenersatzforderungen in Höhe von 22 Millionen Euro.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. September 2011: Urteil für U-Bahn-Schläger – Deal für die Credit Suisse – Geldregen für Eon . In: Legal Tribune Online, 20.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4338/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen