Die juristische Presseschau vom 20. Dezember 2011: Wulff und das Amt – Breuer und Middelhoff – Inzest in Franken

20.12.2011

Mit unverminderter Heftigkeit tobt die mediale Diskussion um das Verhalten von Christian Wulff. Außerdem: Rolf Breuer zahlt, Thomas Middelhoff im Streit, das Bundesverfassungsgericht hat neue Richter, Söldner sollen Schiffe beschützen und im Hochsicherheitsgefängnis in Maryland spricht ein Mann über den Zusammenhang zwischen schwedischen Gardinen und einem Duschvorhang.

Wulff und das Amt: Die SZ (Jens Schneider) stellt das von Bundespräsident Christian Wulff der Öffentlichkeit zur Einsicht zur Verfügung gestellte Dossier vor. Es enthalte den umstrittenen Darlehensvertrag ebenso wie die Eintragung ins Grundbuch. Kreditgeberin sei Edith Geerkens gewesen.

Die FTD (Ulrike Sosalla, Herbert Fromme) widmet sich der Urlaubsliste des Staatsoberhaupts. "Von den neu bekannt gewordenen Urlauben könnte der Aufenthalt im Jahr 2008 bei Talanx-Aufsichtsratschef Baumgartl am ehesten einen Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz begründen." In einer kurzfristig anberaumten Sitzung solle der Niedersächsische Ältestenrat diese Frage klären. Ähnliche Beiträge finden sich auch auf ftd.de.

Der Politologe Gerd Langguth sieht im Interview mit der FR (Christian Bommarius) keine Hinweise darauf, dass Edith Geerkens oder ihr Mann von Wulff oder dem Land Niedersachsen irgendwelche Vorteile erhalten hätten.

Jan Fleischhauer (spiegel.de) konstatiert, es sei gar nicht klar, gegen welches Gesetz Wulff verstoßen haben soll. "Das Beängstigende an dieser Art Moraljagd ist das Willkürliche. Wo jede Strafprozessordnung suspendiert ist, sind vor Gericht auch nicht mehr alle gleich." Demokratie brauche auch Großzügigkeit.

Reinhard Müller (FAZ) meint, es müsse geklärt werden, inwieweit Wulff durch einen etwaig günstigeren Zinssatz geldwerte Vorteile erhalten habe. Er verweist auf die Regeln des Beamtenrechts zur Annahme von Geschenken, nach denen bereits der Anschein vermieden werden müsse, im Rahmen der Amtsführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein. Als Ministerpräsident und Bundespräsident sei man gleichsam oberster Dienstherr aller Beamten.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Söldner in die Gewerbeordnung: Wie die FTD (Kathrin Werner) berichtet, plant die Bundesregierung ein Gesetz, das es privaten Sicherheitsfirmen bei der Bewachung von Schiffen gestatten soll, mit Waffen gegen Piraten vorzugehen. In der Gewerbeaufsicht solle eine Zertifizierungspflicht für Sicherheitsfirmen eingeführt werden.

Weitere Themen – Justiz

Anwalt bei Bedarf: Das Handelsblatt (Eva Engelken) untersucht die Tendenz, juristische Dienstleistungen von Kanzleien auf spezialisierte Dienstleister auszulagern, um die Kosten zu senken. Das Legal Process Outsourcing (LPO) komme verstärkt  beim Vertragsmanagement oder bei der Vorabprüfung von Unternehmenskäufen (Due Diligence) zum Einsatz und führe nicht notwendig zu Qualitätsverlusten.

Breuer zahlt: Das Verfahren gegen den ehemaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank Rolf Breuer ist gegen Zahlung einer Geldauflage von 350.000 Euro eingestellt worden. Breuer gilt damit bezüglich eines Vorwurfs der Falschaussage im Verfahren um die Pleite des Medienrechtehändlers Leo Kirch als unschuldig. Laut FAZ (hpe) habe sich die Vertreterin der Anklage, Staatsanwältin Christiane Serini, mit dem Ausgang des Verfahrens sehr schwer getan, wohl auch deshalb, weil der mehrfache Millionär Breuer eine Zahlung in dieser Höhe verschmerzen könne.

Wolfgang Reuter (Handelsblatt) setzt sich mit "Richtern, die nicht richten wollen" und der Mode, ein Verfahren gegen Geldauflage lieber einzustellen, auseinander. Der Vorwurf gegen Breuer hätte bis zu Ende untersucht werden müssen, um die Autorität der Justiz zu wahren und Falschaussagen nicht als ein Kavaliersdelikt erscheinen zu lassen.

Middelhoff im Streit: Der ehemalige Chef von Arcandor, Thomas Middelhoff soll Sonderboni in Höhe von 16 Millionen Euro zurückzahlen, die er kurz vor der Pleite des Unternehmens erhalten hat. Die FTD (Henning Hinze) berichtet, das Landgericht Essen könne einer entsprechenden Forderung des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg zumindest teilweise nachkommen.

Einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich über Zahlung von etwa drei Millionen Euro hätten Middelhoffs Anwälte laut SZ (Stefan Weber) abgelehnt.

Die FR meldet, Middelhoff habe seinerseits Strafanzeige gegen den Insolvenzverwalter wegen Rufschädigung gestellt.

Karlsruher Richter: Bundespräsident Christian Wulff hat zwei neue Bundesverfassungsrichter ernannt. Das meldet lto.de. Sibylle Kessal-Wulf, bisher Vorsitzende Richterin am BGH und der ehemalige saarländische Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) werden dem Zweiten Senat angehören.

In einem Gespräch mit der FAZ (Reinhard Müller) befürwortet der für europarechtliche Fragen zuständige Verfassungsrichter Peter M. Huber Elemente direkter Demokratie. Es sei eine Stärkung des demokratischen Gemeinwesens, wenn das Volk die Möglichkeit hat, auch einzelne Sachfragen entscheiden zu können.

Inzest in Franken: Das Urteil des Landgerichts Nürnberg gegen den Mann, der mit seiner Tochter im fränkischen Willmersbach drei Kinder zeugte, bezeichnet die taz (BD) als milde. Da der Vorwurf der Vergewaltigung nicht aufrecht erhalten wurde, verhängte das Gericht für den Inzest eine Strafe von zwei Jahren und acht Monaten.

Judith Luig (welt.de) hält es für fatal, dass aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Tochter eine Vergewaltigung nicht eindeutig bewiesen werden konnte und rückt die stille Komplizenschaft des Umfelds in den Fokus. Der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es viele andere Schuldige in diesem Fall gegeben habet: das Dorf, das weggesehen habe, sowie die Ämter und Behörden, die auch nach dem dritten behinderten Kind einer Frau, die sich geweigert habe, den Namen des Vaters zu nennen, nicht nachgefragt hätten, ob da eventuell jemand Hilfe braucht.

Sonstiges

Gerechtigkeit als Großereignis: Über den Kultstatus des Harvard-Professors Michael Sandel und seine Arbeiten zum Thema Gerechtigkeit, vor allem unter Studierenden in Asien meint Elisabeth von Thadden (zeit.de): "Sandels eigene Vorstellung von Gerechtigkeit ist konsturiert, sie richtet sich gegen den zügellosen Individualismus, gegen Leistungsideologie und eine allzu selbstgewisse Autonomie, die sich der Freiheit beraubt, politisch zu werden."

Die wilde Welt des Rechts

Schwedische Gardinen für einen Duschvorhang: Im Jahr 2005 wurde Dennis Kozlowski, der Chef des Konglomerats Tyco wegen Diebstahls, Steuerhinterziehung und anderer Delikte verurteilt. In einem langen Interview sprach das Handelsblatt (Thomas Jahn) auch über den 6.000 Dollar teuren Duschvorhang, mit dem sich der Manager seine Wohnung ausstatten ließ. Kozlowski meint: "Eine schauderhafte Sache. Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich den Verantwortlichen sofort hinausgeworfen. Ob Duschvorhang oder Schirmständer – ich bin von einem Innenausstatter übers Ohr gehauen worden. Ich hatte keine Zeit, meine Wohnung auszustatten. Wie sie aussah, war mir gänzlich egal."

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Dezember 2011: Wulff und das Amt – Breuer und Middelhoff – Inzest in Franken . In: Legal Tribune Online, 20.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5140/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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