Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. August 2011: Deutsche Soldaten im Krieg - Schleswig-Holstein im Kampf für Datenschutz - Waffen des Rechts gegen Autobrände

22.08.2011

Der Grünen-Politiker Ströbele erwägt den Gang vor das Bundesverfassungsgericht: Ohne Mandat des Bundestages habe die Regierung Soldaten aktiv am Libyen-Einsatz beteiligt. Außerdem in der Presseschau: Die Forderung, härter gegen Gewalttäter vorzugehen, Facebook-Funktionen in der Kritik von Datenschützern, Fragen zu Parteiverboten, Patentklagen und vieles andere.

Beteiligung am Libyeneinsatz: Hans Christian Ströbele von den Grünen drohe, so die Samstags-taz (Andreas Zumach)  "indirekt" mit einer Klage gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht. Ströbele werfe der Bundesregierung vor, dass deutsche Soldaten "aktiv" am NATO-Libyen-Einsatz beteiligt seien, "ohne Mandat des Bundestages". Grund für den Vorwurf sei das Bekanntwerden der Mithilfe deutscher Soldaten bei der Auswahl von Bombenzielen. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière habe die Kritik zurückgewiesen und auf die angebliche Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Bezug genommen, wonach es keines Mandates für diese Art der Beteiligung bedürfe, berichtet die taz.

Dass der Bundestag hätte gefragt werden müssen ergebe sich laut Ströbele, so die Samstags-SZ (Peter Blechschmidt), aus dem Parlamentsbeteiligungsgesetz.

Die Darstellung der Bundesregierung kommentiert Eric Chauvistré (Samstags-taz) als "besonders dreist gegenüber dem demokratischen Souverän", es werde fälschlich "suggeriert, nur derjenige sei an einem Krieg beteiligt, der den Finger am Abzug" habe.

Demo-ABC: In einem "Demonstrations-ABC" erläutert die Samstags-taz (Christian Rath) Rechtsfragen rund um Versammlungen. Vom Anmeldeerfordernis aus den Versammlungsgesetzen geht es über die Sicherung der Versammlungsfreiheit im Grundgesetz bis zum Vermummungsverbot und "Zivile[m] Ungehorsam".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Waffen des Rechts: Gerd Held (welt.de) bedauert vor der Kulisse brennender Autos in Berlin und Hamburg, dass der Staat darauf verzichte, "gegen Rechtsbrecher die Waffen des Rechts tatsächlich einzusetzen". Stattdessen stünde die Erforschung sozialer Ursachen von Gewalttätigkeiten im Fokus, dies sei aber gar nicht Aufgabe des Rechtssystems.

Datenschutz: lawblog.de (Udo Vetter)  beschäftigt sich mit Forderungen des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz aus Schleswig-Holstein. Nicht nur Behörden sondern auch Privatpersonen, die Internetseiten betreiben, sowie private Unternehmen würden aufgefordert, keine "Fanpages" mehr bei Facebook zu betreiben. Auch sollen die Adressaten der im lawblog verlinkten Pressemitteilung des Datenschutzzentrums den so genannten Gefällt-mir-Button von ihren Internetseiten nehmen. Die Weitergabe von Nutzerdaten an Facebook in den USA könne einen Verstoß etwa gegen das Telemediengesetz darstellen.

Auch die Montags-FAZ (hw) setzt sich ausführlich mit dem Vorstoß in Schleswig-Holstein auseinander und erläutert genau die kritisierten Funktionen und Anwendungen. Die Erhebung "personenbezogener Daten" durch Facebook sei rechtswidrig, so Datenschützer laut FAZ. Würde den Forderungen bis Oktober nicht Folge geleistet, drohten Bußgelder von bis zu 50.000 Euro. Harsche Kritik würden die Darstellungen der Norddeutschen Datenschutzstelle von Anwälten und Internetrechtlern erfahren: Die Ausführungen seien einseitig und unsachlich.

Klarnamen: In seinem Leitartikel "Im Dienste der Nutzer" setzt sich Steven Geyer in der FR  mit der Regulierung des Internets auseinander und kritisiert reflexartige Ablehnungen politischer Absichten. Einem "Netzriesen wie Facebook [sei] durchaus mit Gesetzen" beizukommen. Geyer analysiert die Parteipolitik, so etwa die Forderung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach Klarnamen im Netz, und deren eigentliche Stoßrichtung. Im Fall Friedrichs sei es etwa um reine Klientelpolitik gegangen.

Mit der Forderung nach Klarnamen befasst sich auch Albrecht Beutelspacher (fr.de). Ausgehend von Art. 5 des Grundgesetzes, dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit, sucht Beutelspacher Argumente sowohl für Gegner als auch Befürworter des Vorschlags aus dem Innenministerium. In "Ausnahmefällen" dürfe die Meinungsfreiheit eben auch eingeschränkt werden.

Steuerrecht: In einem Interview mit der FAS (Volker Zastrow) äußert sich der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof zum Steuerrecht und seinen Reformplänen. Dabei geht er unter anderem auf das Verhältnis von Steuern, Demokratie und Rechtsstaat ein. Auch wird über das Budgetrecht des Bundestags gesprochen und über die Frage, ob "denn Steuer überhaupt gerechtfertigt" sein kann.

Weitere Themen – Justiz

Ausbildungskosten: Mit dem umstrittenen Urteil des Bundesfinanzhofs zur Absetzbarkeit von Ausbildungskosten beschäftigt sich der Spiegel (D.Hipp/ Ch. Reiermann/ M. Verbeet). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wolle zwar auf einen Nichtanwendungserlass verzichten, jedoch werde sein Ministerium "den Richterspruch sehr restriktiv auslegen". Da die fragliche Steuervorschrift wohl verfassungswidrig sei, da sie eine willkürliche Ungleichbehandlung beinhalte, hätte sich jedoch das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall beschäftigen müssen, so der Spiegel. Mit ihrem "Ungehorsam" hätten die Richter indes "einen Nerv getroffen" und, so wird ein Steuerrechtler zitiert, der Finanzgerichtshof habe "das Recht (...) der Wirklichkeit angenähert".

Über die Möglichkeiten der Politik, mit dem Urteil umzugehen, schreibt die Montags-taz (Christian Rath), die ebenfalls davon ausgeht, dass es keinen Nichtanwendungserlass geben wird. In Betracht ziehe Schäuble wohl eine Gesetzesänderung, welche die Vorgaben aus dem Urteil "aushebeln" würde.

W-Professoren-Lohn: Über die Vereinbarkeit der Regelungen zur Besoldung von W-Professuren mit dem grundrechtlich geschützten Alimentationsprinzip für Beamte verhandelt das Bundesverfassungsgericht in diesem Oktober. Das Verwaltungsgericht Gießen legte diese Frage unlängst dem Karlsruher Gericht vor. Die FAS (Melanie Amann) schildert das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und die Regelungen zur Besoldung der so genannten W-Professuren. Ein Hochschullehrer aus Hessen habe dagegen geklagt, dass ihm ein wesentlich niedrigeres Grundgehalt als den früheren C-Professuren gezahlt würde. Die W-Besoldung sehe zwar vor, dass weitere Zuschläge verdient werden könnten, beispielsweise durch gute Lehre oder Gremienarbeit. Diese Aussicht sei jedoch unsicher und die Zuschläge teilweise nicht einmal ruhegehaltsfähig. Unterstützt werde die Klage vom Deutschen Hochschulverband, der "auf ein Grundsatzurteil" hoffe.

Streikverbot für Beamte: Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück haben zwei Lehrer erfolgslos gegen Bußgeldbescheide geklagt, die wegen der Teilnahme an einem Warnstreik der Lehrergewerkschaft GEW an sie ergangen waren. Über die Entscheidung aus Osnabrück berichtet die Samstags-taz (Christian Rath) und erläutert dazu ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom April 2009. Dieser habe entschieden, dass ein generelles Streikverbot für alle Beamten gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Mit dem Urteil des Gerichtshofs hätten sich auch die Osnabrücker Richter auseinandergesetzt: Inhaltlich sei das Urteil, so zitiert taz das Gericht, jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Aus diesem Grunde müsse das Bundesverfassungsgericht die Frage über das Streikverbot klären. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hingegen habe bereits Ende letzten Jahres vor dem Hintergrund des Straßburger Urteils die Verhängung von Geldbußen in einem vergleichbaren Fall abgelehnt.

NPD-Verbot: Der emeritierte Rechtsprofessor Hans Peter Bull beschäftigt sich in einem Gastbeitrag auf lto.de umfassend mit der immer wieder aufkommenden Diskussion um ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Vor dem Hintergrund des 2003 ergangenen Urteils im erfolglosen Verbotsverfahren stellt Bull die Frage, ob und unter welchen Umständen ein künftiger Antrag überhaupt Erfolg haben könnte. Gescheitert sei der Antrag damals an der Beobachtung der Partei durch Verbindungsleute, welche den Verfassungsschutzbehörden Informationen aus dem Innern der Partei geliefert hätten. Ohne diese so genannten V-Leute seien die nötigen Beweise für ein Verbotsverfahren jedoch kaum zu bekommen, so Bull.

Verbote für NPD: Wie unter anderem die Montags-taz (pw) informiert, hat das Bautzener Oberverwaltungsgericht einen Aufmarsch der NPD in Leipzig untersagt und damit der Stadt recht gegeben. Die Grünen kritisiert das Urteil unter Demokratie-Gesichtspunkten, so die taz.

Uni Köln: Vor dem Verwaltungsgericht Köln hat das Bündnis "Coordination gegen Bayer-Gefahren" Klage gegen die Universität Köln eingereicht. Erreichen wolle das Bündnis, so die Montags-taz (Bernd Kramer), dass die Universität ein Kooperationsabkommen mit dem Pharmakonzern Bayer offen lege. Das Abkommen sehe eine "präferierte Partnerschaft" bei der Entwicklung neuer Medikamente vor. Offen seien Fragen etwa nach den Verwertungsrechten für Forschungsergebnisse. Auch der Landesdatenschutzbeauftrage habe sich kritisch über das Vorgehen der Uni geäußert, die die Einsicht in den Vertrag ablehne.

Bernd Kramer (Montags-taz) kommentiert: Hier zeige sich ein "verqueres Selbstverständnis einer öffentlichen Institution", die mit Steuergeldern finanziert werde.

Monika Harms: Anlässlich eines als Vorabmeldung vorliegenden Berichts aus dem Focus beschäftigt sich die Montags-taz (Christian Rath) mit den bereits eingestellten Untersuchungen der Generalbundesanwaltschaft gegen Oberst Klein im Falle des Tanklasterangriffs bei Kundus in Afghanistan im Jahre 2009. Angeblich habe sich Generalbundesanwältin Monika Harms über die Behinderung ihrer Ermittlungen im Fall durch das Bundesjustizministerium beschwert. Eine Auslandsreise sei durch das Ministerium abgesagt worden, darüber habe sich Harms in einem Vortrag beschwert. Die taz geht hingegen davon aus, dass die Dienstreise gar nicht in direktem Zusammenhang mit den Oberst-Klein-Ermittlungen gestanden hat.

Whistleblower: In der Außenansicht der Montags-SZ diskutiert der Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer die Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum "Whistleblowing". Bauer zeichnet zunächst die Entscheidung samt Sachverhalt nach, um dann kritisch Stellung zu beziehen. Nicht jede Strafanzeige "ins Blaue hinein" könne von Arbeitgebern hingenommen werden; auch das Vorgehen des Gerichtshofs in Straßburg, die Arbeitgeberin im Zugrunde liegenden Fall nicht am Verfahren beteiligt zu haben, sei negativ zu bewerten.

Teures BVerfG: Wie unter anderem welt.de meldet, hat Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle den Vorschlag gemacht, bei Einreichung völlig aussichtsloser Verfassungsbeschwerden eine Missbrauchsgebühr von bis zu 5.000 Euro zu verhängen. Grund sei die Überlastung des Gerichts.

Rezeptbetrug: Möglicherweise haben tausende deutsche Apotheken Rezepte vorsätzlich falsch abgerechnet, indem andere Medikamente ausgegeben wurden, als auf dem Rezept vermerkt wurden. Dies prüfe die AOK für mehrere zehntausend Fälle und werde, so ftd.de, die Staatsanwaltschaft informieren. Auch einen Verstoß gegen die "Arzneimittelsicherheit" stelle das mutmaßliche Verhalten dar, so die AOK. Seitens des Deutschen Apothekerverbandes hieße es zu den Vorwürfen, die Probleme hätten sich wegen schlechter Rabattverträge zwischen AOK und verschiedenen Pharmaherstellern ergeben: Seien die Hersteller noch nicht lieferfähig, wie es häufig der Fall gewesen seien soll, müsse eben ein anderes Medikament an AOK-Patienten ausgegeben werden.

Helios-Kliniken: Gegen den privaten Klinikbetreiber Helios sind derzeit sieben Zivilerfahren anhängig, wie der Spiegel (Katrin Elger) zu berichten weiß. Zu hohe Entgelte für die Behandlung von Privatpatienten seien Anlass für den Verband privater Krankenversicherer gewesen, rechtliche Schritte gegen Helios einzuleiten, der dem Fresenius-Konzern gehört.

Döner-Morde: Wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg einen kurz bevorstehenden Durchbruch in den Ermittlungen um die so genannten Döner-Morde mit insgesamt neun Opfern torpedierte, schildert der Spiegel (Conny Neumann/ Andreas Ulrich).

Geschmacksmuster: Warum Apple Samsung ausgerechnet vor dem Landgericht Düsseldorf wegen der Verletzung eines Geschmacksmuster verklagt, erläutert das Handelsblatt (Kristin Schmidt).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Patentrechtsklagen: Das Handelsblatt (A. Postinett/ K. Schmidt) berichtet aus dem "Patentkrieg" in den USA. Technologiekonzerne wie etwa Apple oder Microsoft werfen sich gegenseitig Patentverletzungen vor. Über das"krude US-Patentrecht" und die Nutzung durch die Konzerne informiert der Beitrag ebenso wie über Reformpläne aus dem Weißen Haus; abschließend wird ein Vergleicht mit dem deutschen Rechtssystem gezogen.

Viktor Orbán: "Ein Land wird umgekrempelt": Unter diesem Titel schildert die Samstags-SZ (Michael Frank) umfassend und mit vielen Beispielen, wie sich der ungarische Ministerpräsident durch Gesetzesänderungen und neue Gesetze "ein Ungarn nach eigenen Regeln" baut. Möglich sei ihm und seiner Partei dies vor allem wegen ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt und Liberalität blieben dabei auf der Strecke, "demokratische und rechtliche Institutionen des Staates [seien] bereits erheblich geschwächt".

Verteidigung der Diktatoren: Der Spiegel (Julia Prosinger) porträtiert Strafverteidiger, die ehemalige Diktatoren vor internationalen Gerichten verteidigen und befasst sich dabei auch mit der schwierigen Rolle der Gerichte, die das Völkerstrafrecht durchsetzen sollen. Zu Wort kommt hier etwa Courtenay Griffiths, der die Verteidigung von Charles Taylor, Ex-Präsident Liberias, übernommen hat. Gregory Guy-Smith, Anwalt von Momcilo Perišic, einem früheren Chef der jugoslawischen Armee, kritisiert, der Unschuldsvermutung werde vor den Tribunalen nicht Genüge getan. Auch thematisiert der Artikel Werdegang und Verhältnis der Verteidiger zu ihren Mandanten, wie im Fall des früheren Präsidenten der Republika Srpska Radovan Karadžic und seinem Berater Peter Robinson. Karadžic bringe Robinson gern selbstgemachte Fleischklößchen mit zur Besprechung. Seine Verteidigung vor dem Tribunal übernehme Karadžic hingegen lieber selbst.

Iran: Viele Medien berichten über die Verurteilung zweier US-Amerikaner in Iran, so auch focus.de. Zu mehrjährigen Haftstrafen wegen illegalen Grenzübertrotts und Spionage seien die beiden verurteilt worden.

Strauss-Kahn: Die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gegen den ehemaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn steht wohlmöglich unmittelbar bevor, meldet spiegel.de. Die Glaubwürdigkeit der Hotelangestellten, die Strauss-Kahn wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, sehe sich erheblichen Zweifeln ausgesetzt.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

lto/dc

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. August 2011: Deutsche Soldaten im Krieg - Schleswig-Holstein im Kampf für Datenschutz - Waffen des Rechts gegen Autobrände . In: Legal Tribune Online, 22.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4074/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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