Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2011: Murdochs Watergate – Juristische Köpfe – Aus für Datenkrake

19.07.2011

Zentrales Thema ist der Abhör-Skandal um die britische Zeitung "News of the World". Höchste Justizkreise sind mittlerweile erfasst, zwei Scotland-Yard-Chefs binnen 24 Stunden zurückgetreten, die ganze Behörde steht unter Korruptionsverdacht. Außerdem in der Presseschau: die ELENA-Einstellung, Porträts bedeutender Juristen und Dänemarks Grenzkontrollen.

Britischer Abhör-Skandal: Der Abhör-Skandal um die Boulevard-Zeitung "News of the World" erfasst nun auch die Justiz Großbritanniens. Wie neben vielen anderen Medien spiegel.de (Carsten Volkery) berichtet, ist nach dem Londoner Polizeichef Paul Stephenson gestern auch sein Stellvertreter John Yates zurückgetreten. Die Londoner Polizeibehörde Scotland Yard habe vor zwei Jahren auf Yates Entscheidung hin Ermittlungen wegen Abhörvorwürfen gegen die Boulevardzeitung nicht wieder aufgenommen. Zudem hätten die beiden Ex-Chefs den ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur des Boulevard-Blattes Neill Wallis als PR-Berater beschäftigt. Gegen ihn sowie andere Verantwortliche der Zeitung liefen nun polizeiliche Ermittlungen. Focus (I. Henkel/S. Remke/A. Weikart) stellt die Folgen von "Murdochs Watergate" für den Gesamtkonzern dar.

Scotland Yard selbst sei gerade dabei, "seinen eigenen Mythos" zu zerstören, meinen Hans Leyendecker und Nicolas Richter (SZ): Ein "allgemeiner Korruptionsverdacht" belaste die Behörde, weil "etliche Polizisten" von Journalisten Geld erhalten haben sollen. Zudem hätten trotz umfangreicher Beweismittel hochrangige Beamte immer wieder versichert, es gäbe "keine Hinweise auf systematische Lauschangriffe durch Journalisten des Murdoch-Blattes". Darüber lustig macht sich Natalie Tenberg in der taz – mit "zehn schlauen Sätzen zur Londoner Polizeibehörde". Einer davon: "Jack the Ripper haben die auch nie gefasst."

Als "Krise der Eliten" bezeichnet den Skandal die FTD in ihrem Leitartikel. Mit der Ausdehnung auf "die Hüter von Recht und Gesetz" habe der Skandal eine neue Qualität erreicht. Gleichzeitig sei ein Großteil der jetzt geäußerten Kritik Heuchelei. Auch Peter Sturm (FAZ) kritisiert die Scheinheiligkeit des allseitigen Rufes nach der Justiz – viele von denen, die jetzt auf Murdoch einprügelten, hätten "noch vor gut zwei Wochen (fast) alles dafür gegeben, einmal am Tisch des Herrn Platz nehmen zu dürfen". Auch dürfe im Eifer der Aufklärung die Pressefreiheit nicht "mit über Bord" gehen. Nikolaus Piper stellt dagegen in der SZ dar, wie das US-Murdoch-Blatt Wallstreet Journal gerade gezielt versucht, die Aufklärung des Abhörskandals als "Angriff auf die Pressefreiheit" zu diskreditieren. Als "frappierend" geißelt Christoph Albrecht-Heider (FR) die "Nähe von Regierenden und Spitzenpolizisten zu leitenden Journalisten".

Das Handelsblatt (A. Dörner/M. Eberle/M. Thibaut/R. Krieger) liefert angesichts des Skandals eine umfassende Darstellung des Geschäftsmodells Boulevard-Journalismus und seiner Methoden.

Weitere Themen – Rechtspolitik

ELENA: Wie unter anderem das Handelsblatt (Thomas Sigmund) berichtet, hat die Bundesregierung beschlossen, den elektronischen Entgeltnachweis "ELENA" aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken "schnellstmöglich einzustellen". Der notwendige Sicherheitsstandard bei der elektronischen Signatur sei flächendeckend in absehbarer Zeit nicht zu erreichen. Die bislang gespeicherten Daten würden gelöscht.

Wahlrecht: In einem Interview mit dem Focus (Herbert Rossler-Kreuzer) fordert Ex-Bundesverfassungsgerichts- und Bundespräsident Roman Herzog offene Wahllisten und ein Gesetzesinitiativrecht der Bürger per Volksinitiative. Die verschleppte Wahlrechtsreform hält er für eine "Schlamperei, aber keine Verfassungs- oder gar Staatskrise".

Kapitalanleger-Massenklagen: Der FAZ (Joachim Jahn) liegt ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zur Erleichterung von Massenklagen in Kapitalanlageverfahren vor. Der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes solle auf Anlagevermittler und Anlageberater ausgeweitet werden.

Weitere Themen – Justiz

Bundesfinanzhof-Präsident: Heute bringt auch die FAZ (Joachim Jahn) ein ausführliches Porträt des Bundesverfassungsrichters und wahrscheinlichen neuen Präsidenten des obersten deutschen Steuergerichts, Rudolf Mellinghoff. Der Artikel stellt seine frühere Richtertätigkeit am Bundesfinanzhof und seine Rolle im Euro-Rettungsschirm-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht heraus.

Generalbundesanwalt: Die SZ (Wolfgang Janisch) zieht mit einer Vorstellung des voraussichtlich künftigen Generalbundesanwalts Johannes Schmalzl (FDP) nach. Der "führungserprobte Jurist" sei von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) durchgesetzt worden und habe als Präsident des baden-württembergischen Landesamts für Verfassungsschutz Erfahrung gesammelt. Sein Augenmerk habe der islamistischen Terrorszene gegolten.

Mafia-Ermittler: Als "den echten Schimanski" porträtiert der Focus (Göran Schattauer/Eva Maria Kallinger) den Duisburger Kriminalhauptkommissar Heinz Sprenger. Er habe mit seinem Team maßgeblich zur Aufklärung der Duisburger Mafia-Morde beigetragen.

Deutsche Generalanwältin: Ebenfalls vorgestellt wird im Focus (Beate Strobel) die deutsche Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, Juliane Kokott. Die erst dritte Frau auf diesem Posten sei Mutter von sechs Kindern, spreche fünf Sprachen und könne bereits im Alter von 54 Jahren auf eine "Ausnahme-Laufbahn" zurückblicken.

Markenschutz bei eBay: In ihrer Rubrik "Urteil der Woche" erläutert die FTD (Magnus Hirsch) eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, in der dieser die Internet-Auktionsplattform eBay für den Markenschutz von dort beworbenen Produkten verantwortlich gesehen hat. Sobald ein Online-Dienst eine "aktive Rolle" in der Vermarktung von Produkten übernehme, sei er auch für ein möglicherweise rechtswidriges Warenangebot verantwortlich. Konkret ging es um Produktfälschungen.

Sperrung von Handys: lto.de (Lucas Günther) stellt ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Sperrung von Handys durch Mobilfunkanbieter vor. In einer "zeitgemäßen Entscheidung" habe das Gericht dem Verbraucherzentralen-Bundesverband Recht gegeben, der die Gleichbehandlung von Mobilfunk- und Festnetzanschlüssen bei Zahlungsverzug gefordert hatte.

Kartell-Schadensersatz: Die Besprechung eines Grundsatzurteils des Bundesgerichtshofs im Kartellrecht findet sich ebenfalls auf lto.de (Jan Imgrund). Das Gericht sei mit seiner Entscheidung, auch mittelbar Kartellgeschädigten Schadensersatzansprüche zuzuerkennen, auf die "idealistische" Linie der europäischen Institutionen eingeschwenkt und habe damit die bisherige "pragmatische" deutsche Herangehensweise hinter sich gelassen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Dänische Grenzkontrollen: Die EU-Kommission rügt Dänemark für seine Grenzkontrollen und erwägt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, so neben vielen anderen Medien zeit.de. Es sei der dänischen Regierung nicht gelungen Fakten vorzuweisen, die solche Kontrollen rechtfertigten. Nach der FAZ (Nikolas Busse) hält Bundesinnenminister Friedrich (CSU) die Kontrollen dagegen für rechtmäßig – allenfalls sendeten sie ein "Negativsignal".

An das "Fundament" Europas erinnert Reinhard Müller (FAZ): Wer das "Grundrecht auf Freizügigkeit" aushöhle, treffe den "Nerv des europäischen Projekts".

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2011: Murdochs Watergate – Juristische Köpfe – Aus für Datenkrake . In: Legal Tribune Online, 19.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3791/ (abgerufen am: 09.05.2024 )

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