Die juristische Presseschau vom 17. Juni 2011: Hacker verurteilt - Wahlrecht vertrödelt - Verbraucherschutz verbessert

17.06.2011

Eigentlich hätte Lady Gaga am Duisburger Amtsgericht aussagen sollen. Doch die Richter verurteilten einen jungen Hacker, der in ihren Computer eingedrungen war, dann doch ohne Anhörung des Popstars. Außerdem in der Presseschau: immer mehr Aufregung über die verspätete Reform des verfassungswidrigen Wahlrechts, neue Schutzvorschriften der EU zugunsten der Verbraucher und vieles andere.

Hacker: Das Amtsgericht Duisburg hat einen jungen Hacker, der in Computer von Musikfirmen und Künstler eindrang, um sich unveröffentlichte Songs  zu beschaffen, zu einer 18-monatigen Jugendstrafe verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, wenn der Hacker seine Computer-Sucht behandeln lässt. Hierüber berichtet unter anderem die SZ (Johannes Kuhn). Udo Vetter (LawBlog) spricht von einem "überharten Urteil". Haftstrafen für nicht vorbestrafte Jugendtäter gebe es sonst nur bei Totschlag und Vergewaltigung.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Wahlrecht: Auch heute sorgt das zu erwartende Fristversäumnis bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Wahlrechtsreform für Aufregung. Spiegel.de (Anna Reimann) gibt einen Überblick über die aktuelle politische Debatte. Heribert Prantl (SZ) spricht in seinem Kommentar von einer "Schande des Parlaments". Zwar seien schon öfter Fristen des Verfassungsgerichts verpasst worden, doch beim Wahlrecht gehe es um den Kern der Demokratie. Detailliert spielt er durch, was passieren könnte, wenn es vorzeitige Neuwahlen gäbe. Reinhard Müller (FAZ) mahnt zwar auch zu mehr Respekt vor dem Verfassungsgericht, kritisiert aber zugleich das Urteil aus dem Jahr 2008. Die Richter müssten sich fragen lassen, ob die Beseitigung des früher unbekannten "negativen Stimmgewichts" wirklich nötig sei, zumal es nur mit ganz grundsätzlichen Wahlrechtsreformen völlig vermeidbar ist.

Kinderrechte: In einem Gastkommentar für die SZ fordert die Journalistin und Unicef-Funktionärin Maria von Welser die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz. Angeblich sei Deutschland hierzu durch die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Außerdem würden Kinder nur durch explizite Erwähnung im Grundgesetz als eigenständige Persönlichkeiten anerkannt, behauptet von Welser.

Fluggastdaten: Die EU plant den Aufbau eines eigenen Systems zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten. Die taz (Christian Rath) stellt die Pläne und den Stand der Debatte vor. In einem Kommentar kritisiert Christian Rath (taz), dass die geplante Speicherung von Fluggastdaten in vielen Punkten noch weiter gehe als die Vorratspeicherung von Telekom-Daten. Auch wenn die EU Fluggastdaten kürzer speichern wolle als die USA (5 Jahre statt 15 Jahren), sei dies völlig unverhältnismäßig und verstoße gegen Vorgaben des Verfassungsgerichts.

Verbraucherschutz:  Die FTD (Mark Schrörs) berichtet, dass der Beschluss einer neuen EU-Verbraucher-Richtlinie nach dreijährigen Verhandlungen nur noch Formsache sei. Nach dem EU-Ministerrat habe am Donnerstag auch der Binnenmarktausschusss des Europäischen Parlaments zugestimmt. Die Richtlinie regele zum Beispiel, "dass ein Verbraucher im Internet künftig explizit bestätigen muss, dass er eine kostenpflichtige Dienstleistung erwerben will und ihm das bewusst ist" 

Mietrecht: LTO.de (Gregory Benedicter) stellt Pläne des Bundesjustizministeriums vor, die Vermietern das Vorgehen gegen Mietnomaden erleichtern. Sie sind Teil des Referentenentwurfs für ein Mietrechtsänderungsgesetz. Erstens werde eine einstweilige Verfügung möglich, wenn ein gekündigter Mieter keine Miete mehr zahlt. Zweitens sollten bei der Zwangsvollstreckung eines Räumungstitels auch gegen bisher unbekannte Untermieter einstweilige Verfügungen erwirkt werden können. Und drittens solle eine fristlose Kündigung möglich sein, wenn der Mieter die vereinbarte Kaution nicht rechtzeitig bezahlt.

Schwarzfahrer: Die FAZ (David Klaubert) greift die in Berlin schwelende Diskussion um die Entkriminalisierung von Schwarzfahrern auf. Eine Richterin hatte dies gefordert, um die Justiz zu entlasten. Linke und Grüne seien dafür, SPD, CDU und FDP dagegen.

Weitere Themen – Justiz

Mordfall Barschel: Der Kriminalbiologe Mark Benecke verteidigt in einer Kolumne für die FR die Anordnung der Lübecker Staatsanwaltschaft, die Kleidung des 1987 in einer Genfer Badewanne zu Tode gekommen  Ex-Ministerpräsidenten  Uwe Barschel erneut zu untersuchen. "Auch an Textilien, die in Wasser gelegen haben, kann noch einiges haften. Nicht nur die angeblich gesuchte Erbsubstanz, auch Fasern vom Pulli eines möglichen Mörders", schreibt Benecke.

Domain-Beschlagnahme: Aus Anlass der Beschlagnahme der Domain des Film-Portals kino.to stellt zeit.de (Thorsten Kleinz) die Rechtslage dar. Voraussetzung für eine Beschlagnahme sei, dass der Inhalt der Domain selbst rechtswidrig sei. Dies sei fraglich, wenn sie nur Links auf illegal kopierte Film-Streams auf anderen Servern enthalte. Neuland sei es außerdem, wenn die Polizei auf einer beschlagnahmten Domain eigene Botschaften platziere.

Mängelhaftung: Die FAZ (caf) berichtet über ein EuGH-Urteil, das den Bundesgerichtshof korrigiert. Der Verkäufer einer mangelhaften Ware muss verschuldensunabhängig auch die Ein- und Ausbaukosten bezahlen. Nur ausnahmsweise, wenn Kaufpreis und Austauschkosten ganz unverhältnismäßig auseinanderklaffen, könne der Ersatz der Tauschkosten gedeckelt werden, so der EuGH laut FAZ.

Kündigungsrecht: Das BAG entschied Ende Mai, dass keine Kündigung wegen Betriebsstillegung möglich ist, wenn der Betrieb von einer Schwestergesellschaft im Ausland weitergeführt wird. Dann liege ein Betriebsübergang vor, der Kündigungen ausschließe. Diese Entscheidung stellen lto.de (Markus Kappenhagen) und der Handelsblatt-Blog (Klaus Heeke) dar.

Anwalts-Überstunden: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über den Versuch einer Berliner Anwaltskanzlei, Mandanten unter angestellten Anwälten zu werben. Diese werden aufgefordert, nach dem Ausscheiden aus ihrer Kanzlei die Überstunden, die in der dreijährigen Verjährungszeit angefallen sind, einzuklagen. Klauseln im Arbeitsvertrag, die dies ausschließen, seien nicht unbedingt wirksam.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Kambodscha-Tribunal: Querelen am internationalen Tribunal für die Aufarbeitung der Verbrechen der Roten Khmer schildert die FAZ (Petra Kolonko). Ein britischer Ankläger hat zwei Ermittlungsrichtern, darunter dem Deutschen Siegfried Blunk, vorgeworfen, Ermittlungsverfahren vorschnell beendet zu haben.  Die UNO habe die Richter jedoch verteidigt.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. Juni 2011: Hacker verurteilt - Wahlrecht vertrödelt - Verbraucherschutz verbessert . In: Legal Tribune Online, 17.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3530/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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