Die juristische Presseschau vom 14. September 2011: Piloten über 60 fliegen weiter - "Ficken" als Marke - Rechtsstaat mit Scharia in Libyen

14.09.2011

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten der Lufthansa zu kippen, findet heute breiten Raum. Außerdem in der Presseschau: Der Begriff "Ficken" ist nach einem Urteil des Bundespatentgerichts als Marke geschützt, in Libyen soll ein Rechtsstaat auf Grundlage der Scharia eingeführt werden und vieles andere.

Piloten über 60 fliegen weiter: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Piloten der Lufthansa nicht bereits mit 60 in den Zwangs-Ruhestand geschickt werden dürfen. Eine entsprechende Klausel im Tarifvertrag stelle eine Diskriminierung wegen des Alters dar und verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auf EU-Richtlinien beruhe. Das Bundesarbeitsgericht, das die Klage dreier Piloten vorgelegt hatte, werde laut lto.de (ChristianOberwetter) seine bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten können.

Die taz (Christian Rath) weist darauf hin, dass der EuGH im Falle der Pensionierung von Staatsanwälte mit 65 als sozialpolitisch intendierte Altersgrenze akzeptabel und zur Sicherung der Beschäftigung junger Arbeitnehmer gerechtfertigt sei.

Die FTD erinnert in ihrem Leitartikel daran, dass der Pilot, der im Jahr 2009 durch eine Notlandung auf dem Hudson River alle Passagiere eines Verkehrsflugzeugs retten konnte, bereits 58 gewesen sei und meint: „Alter ist kein Hindernis.“ Auch Daniel Baumann (FR) plädiert für individuelle Gesundheitstests statt einer starren Altersgrenze.

Die SZ (Jens Flottau) verweist auf die ungewöhnliche Einigkeit zwischen der Lufthansa und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Insbesondere bestünden Zweifel daran, dass die hohen körperlichen Anforderungen bei Nachtflügen bis 65 zu bewerkstelligen seien. Bei VC hoffe man darauf, in künftigen Tarifverträgen älteren Kollegen bevorzugt kurze Routen und Tagesflüge zuweisen zu können, um das "ersichtliche Absinken der Leistungsfähigkeit" auffangen zu können.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Play it again, Mick: Der EU-Ministerrat hat beschlossen, die Schutzrechte für Tonaufnahmen von Musikern von 50 auf 70 Jahre zu verlängern. Dies meldet die FR. Diese zwischen den Einzelstaaten nicht unumstrittene Entscheidung müsse binnen zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Von den Leistungsschutzrechten profitierten auch ausübende Künstler wie Sänger oder Schlagzeuger.

Thomas Hoeren (beck.blog.de), Professor für Informationsrecht, bezeichnet diese Maßnahme als Unverschämtheit. Er argumentiert, durch Buyoutmaßnahmen hätten die Musiker der Aufnahmen gerade nichts davon, vielmehr verschanze sich die Musikindustrie hinter den Künstlern, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die Berliner Rechtsanwältin Angelika Strittmatter weist in einem Interview mit der taz (Julian Weber) die Kritik der Creative-Commons-Bewegung an der EU-Entscheidung zurück. Von einem "Wegsperren des aufgenommenen Kulturguts" könne keine Rede sein, da jeder auch von geschützten Songs Coverversionen einspielen könne.

Bleiberecht mit Fallstricken: Am Beispiel von zwei serbischen Roma-Schülerinnen aus Hamburg zeigt zeit.de (Lisa Srikiow), wie schwierig es ist, das seit dem 1. Juli mögliche Beleibrecht nach § 25a des Aufenthaltsgesetzes gut integrierten Jugendlichen zugute kommen zu lassen. In dem Artikel, der vergangenen Donnerstag in Die Zeit erschien und jetzt auch online verfügbar ist, wird unter Berufung auf Pro Asyl erläutert, dass von den 87000 mit einer Duldung in Deutschland lebenden Ausländern 24000 minderjährig seien. Da das Gesetz nur für Jugendliche zwischen 15 und 20 gelte und mindestens sechs Jahre Schulbesuch in Deutschland zwingend voraussetze, kämen lediglich 5000 Jugendliche für das Bleiberecht in Frage.

Weitere Themen - Justiz

"Ficken" als Marke: Das Bundespatentgericht hat einen Antrag auf die Eintragung von "Ficken" als Marke genehmigt, berichtet spiegel.de. Ein Schnapshersteller, der einen Schnaps gleichen Namens vertreibt, hatte vor Gericht geklagt, um sich den Begriff beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen zu lassen. Da "Ficken" geschlechtsneutral sei, läge, anders als bei den nicht markenfähigen "Busengrabscher" und "Schenkelspreizer" keine einseitige Herabwürdigung vor.

Aktionärsrechte HypoVereinsbank: Wie die FAZ (Florian Dirnhausen) berichtet, hat der Bundesgerichtshof die Abberufung des "besonderen Vertreters" nach § 142 Aktiengesetz bei der HypoVereinsbank gebilligt. Die Rolle und Bedeutung des institutionell vorgesehenen Vorkämpfers für eine Minderheit von Aktionären wird im historisch und rechtsdogmatisch erläutert.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Scharia in Libyen: Mit der Ankündigung von Mustafa Abd Al Dschalil, dem Vorsitzenden des Übergangsrats, einen Rechtsstaat auf Grundlage der Scharia aufbauen zu wollen, befasst sich die FAZ, die darin vor allem eine bewusste Abkehr von Ghaddafis erzwungenem Säkularismus und den Prinzipien seines Grünen Buchs erblickt.

Völkerrecht und Krieg: Reinhard Merkel (zeit.de) setzt sich mit den völkerrechtlichen Problemen der NATO-Operation in Libyen auseinander. Dieser Text erschien bereits vergangenen Donnerstag in Die Zeit und ist jetzt online verfügbar. Cora Stephan (welt.de) betont in ihrem Beitrag, dass eine vernünftige Exit-Strategie wichtiger sei als überbordende humanitäre Ziele.

Sonstiges

Völkerrecht und Weltrecht: verfassungsblog.de (Max Steinbeis) berichtet über eine rechtshistorische Tagung zum Thema "Völkerrecht und Judentum" an der Humboldt-Universität. In der Zeitschriftenumschau der FAZ (Manfred Lindinger) werden Aufsätze vorgestellt, die sich mit der Idee des Weltrechts und der Aporien zwischen universal und partikular beschäftigen.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro


(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. September 2011: Piloten über 60 fliegen weiter - "Ficken" als Marke - Rechtsstaat mit Scharia in Libyen . In: Legal Tribune Online, 14.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4288/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen