Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. November 2017: DSGVO wirft Schatten voraus / Strafe für Abt­rei­bungs­wer­bung / Kein Scha­dens­er­satz­an­spruch nach "wildem" Streik

27.11.2017

Justiz

AG Gießen zu Werbung für Abtreibungen: Das Amtsgericht Gießen hat eine Ärztin zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 150 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Internetseite darauf hinweist, dass in der Praxis auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. U.a. die Samstags-taz (Dinah Riese), Samstags-FAZ (Sarah Kempf) und lto.de (Pia Lorenz) berichten über die mündliche Verhandlung und die Entscheidung. Spiegel.de (Silke Focken) fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zum Verfahren zusammen. Bereits am Tag vor der Verhandlung hatten Frauenrechtler gegen den einschlägigen § 219a StGB, der das Anbieten, Ankündigen und Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen unter Strafe stellt, protestiert. Der Deutsche Ärztinnenbund und der Deutsche Juristinnenbund forderten die Abschaffung des Paragrafen, weil er das Recht auf freie Arztwahl unzumutbar einschränke. In der Samstags-FAZ (Sarah Kempf) wird der Regensburger Rechtsprofessor Martin Löhnig zitiert, der auf den Widerspruch hinweist, dass die Werbung für etwas strafbar sei, was selbst gar nicht strafbar ist. Er erinnert auch an die Geschichte der Norm, die erstmals durch die Nazitionalsozialisten eingeführt wurde. Die betroffene Ärztin selbst hat eine Online-Petition zur Abschaffung gestartet, die laut Samstags-FAZ bis Freitag bereits 120.000 Personen unterzeichnet hatten. Die Ärztin hat, wie die Samstags-SZ (Oliver Klasen) meldet, am Freitag bereits angekündigt, Rechtmittel einzulegen.

Meredith Haaf (Samstags-SZ) kritisiert, dass in Deutschland der Schwangerschaftsabbruch immer noch in die Nähe der Straftat – in die Schattenwelt des Halblegalen – gerückt werde. Der Paragraf 219a StGB erschwere Frauen in Notlage den Zugang zu Informationen und schade der gesamten Gesellschaft, so die Autorin. Für Jost Müller-Neuhof (Tsp) ist das Urteil richtig, das Gesetz aber falsch. Er meint, dass es berechtigte Gründe für ein Werbeverbot, nicht aber für ein Verbot des bloßen öffentlichen Anbietens und Ankündigens gebe. Sollte es den Gerichten nicht möglich sein, den Tatbestand hier einschränkend auszulegen, müsse der Gesetzgeber ran, so Müller-Neuhof.

LG Stuttgart – Schlecker-Verfahren: Am Montag soll das Urteil gegen den ehemaligen Drogeriekettenbesitzer Anton Schlecker fallen. Die FAS (Corinna Budras) erläutert, inwieweit sich die kürzlich erfolgte Zahlung von vier Millionen Euro strafmildernd auswirken könnte.

BVerfG zum Untersuchungszwang vor Namens- und Personenstandsänderung nach TSG: Laut lto.de hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer transsexuellen Person nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Versagung ihres Namens- und Personenstandswechsels nach dem Transexuellengesetz (TSG) wehrte. Sie wandte sich insbesondere gegen das Erfordernis von zwei voneinander unabhängigen Sachverständigengutachten, die zuvor eingeholt werden müssen. Das Karlsruher Gericht verneinte ein Rechtsschutzbedürfnis und verwies auf eine frühere Entscheidung in der bereits festgestellt wurde, dass das das Erfordernis der Gutachten nicht auf der Annahme beruhe, Transsexualität sei ein krankhafter Zustand oder eine psychische Störung.

LG Hannover zum Schadensersatz nach "wildem" Pilotenstreik: Das Landgericht Hannover hat den Schadensersatzanspruch eines Flugpassagiers zurückgewiesen, der von einer Flugannulierung im Oktober 2016 betroffen war. Seinerzeit waren zahlreiche Flüge ausgefallen, weil sich Besatzungsmitglieder massenhaft krank gemeldet hatten. Wie die Samstags-FAZ (Marcus Jung) berichtet, war das Gericht der Auffassung, dass es sich für TUI Fly um einen "außergewöhnlichen Umstand" gehandelt habe, der für das Unternehmen nicht beherrschbar gewesen sei.

LG Frankfurt zum Ausschluss eines israelischen Flugpassagiers von der Beförderung: Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) fasst noch einmal die Entscheidungsgründe des Landgerichtes Frankfurt zusammen, mit der die Klage gegen die Fluggesellschaft Kuweit Air abgewiesen wurde. Geklagt hatte ein israelischer Staatsbürger, dem die Beförderung aufgrund seiner Staatsangehörigkeit versagt wurde. Das Landgericht meinte, dass von der Fluggesellschaft nicht verlangt werden könne, gegen kuweitisches Recht, das Firmen verbietet, Vereinbarungen mit israelischen Staatsangehörigen zu schließen, zu verstoßen.

BGH zum Vorpachtrecht: Eine Klausel über ein Vorpachtrecht muss ausreichend konkret gefasst sein. Das hat der Bundesgerichtshof kürzlich in einer Entscheidung festgestellt, über die lto.de und Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichten. Im zu entscheidenden Fall fehlten Angaben darüber, wie oft das Vorpachtrecht gelten soll und für welchen Zeitraum. Für den Verpächter seien die Nachteile und Belastungen daher nicht ausreichend erkennbar und er werde durch die Klausel somit unangemessen benachteiligt, so das Gericht.

LG Hamburg – Markenrechtsstreit um "Black Friday": Wie lto.de (Anja Hall) berichtet, hat die Medien- und IP-Holding Super Union das Internetunternehmen Amazon wegen Verletzung der Rechte an der für Super Union eingetragenen Marke "Black Friday" verklagt. Die Klage richtet sich u.a. auf Unterlassung der Markenrechtsverletzung und auf Schadensersatz für die bisherige Nutzung. Laut Super Union benutze Amazon die bereits seit 2013 eingetragene Wortmarke ungenehmigt, um eigene Verkaufsveranstaltungen bzw. Rabattaktionen auf verschiedenen Plattformen durchzuführen und zu bewerben. Im Falle einer Verurteilung drohen Amazon bei jeder Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot Ordnungsgelder von bis zu 250.000 Euro.

VG Köln zum Weiterbetrieb des Hambacher Tagebaus: Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage des BUND NRW e.V. gegen die Fortführung des Braunkohletagebaus Hambach durch die RWE Power AG abgewiesen, berichtet die Samstags-FAZ (Reiner Burger). Anders als die Kläger war das Gericht der Auffassung, dass der Rahmenbetriebsplan für die Jahre 2020 bis 2030 nicht gegen europäisches Recht verstößt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. November 2017: DSGVO wirft Schatten voraus / Strafe für Abtreibungswerbung / Kein Schadensersatzanspruch nach "wildem" Streik . In: Legal Tribune Online, 27.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25709/ (abgerufen am: 14.05.2024 )

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