Ex-Verfassungsgerichtspräsidentin: Jutta Lim­bach ver­s­torben

von Pia Lorenz

12.09.2016

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, ist im Alter von 82 Jahren in Berlin gestorben. Mit ihr geht eine der wohl bekanntesten Juristinnen Deutschlands. Doch nur Juristin war die Sozialdemokratin nie.  

Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jutta Limbach ist nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am Samstag im Alter von 82 Jahren verstorben. Das teilte das Gericht am Montag mit. Die Trauerfeier und die Beisetzung finden im engsten Familienkreis statt, beim BVerfG soll es zu einem späteren Zeitpunkt eine Gedenkfeier für Limbach geben.

Bis sie 2002 mit Erreichen der Altersgrenze aus ihrem Amt ausschied, stand die Juristin dem höchsten deutschen Gericht acht Jahre lang als Präsidentin vor. 1994 wurde sie zur Vizepräsidentin und Vorsitzenden des Zweiten Senats und nur wenige Monate später, noch im selben Jahr als Nachfolgerin von Roman Herzog zur Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts ernannt.

Als Präsidentin vertrat die gebürtige Berlinerin das Gericht in einer Zeit, die für dessen Akzeptanz "nicht immer einfach war", heißt es in der Mitteilung aus Karlsruhe. Nicht nur aufgrund ihres umsichtigen und zugewandten Führungsstils, sondern auch wegen ihres engagierten öffentlichen Eintretens für die Fundamente des demokratischen Verfassungsstaates habe sie zu den prägenden Richterpersönlichkeiten des BVerfG gehört.

Professorin in einer Zeit, als das nur Männer waren

Es war dieser Glaube an die Fundamente des demokratischen Verfassungsstaats, der die überzeugte Sozialdemokratin auszeichnete. Sie stand für Verständigung, einen starken Sozialstaat und die Gleichberechtigung von Frauen. Bei aller Sympathie für eine gezielte Frauenförderung hat Limbach aber eines immer deutlich gemacht: "Ohne Selbstbehauptungswillen kommt eine Frau in unserer Gesellschaft nicht voran". Aber sie schrieb in den achtziger Jahren auch: "Wenn ich aufrichtig bin, so kann ich keinen hindernisreichen Berufsweg nachzeichnen, den ich allein, mit eigener Kraft, geschlechtsdiskriminierenden Widrigkeiten trotzend, [...] gemeistert hätte." Eher sei ihr Werdegang "das Ergebnis glücklicher Lebensumstände und Zufälle".

Nur Juristin war sie nie. Schon ihre Großmutter saß für die SPD im Reichstag, ihre ganze Familie war politisch geprägt. Nach ihrer Berufung als Rechtsprofessorin an die Berliner Freie Universität im Jahr 1971 - zu einer Zeit, als die juristischen Fakultäten noch fest in Männerhand waren - rückte Limbach 1989 an die Spitze der Berliner Justizverwaltung, bevor sie 1994 zur Präsidentin des BVerfG gewählt wurde.

Gleich nach ihrem Amtsantritt als Senatorin für Justiz in ihrer Heimatstadt musste sie sich mit Hungerstreiks von verurteilten Mitgliedern der Rote-Armee-Fraktion auseinandersetzen. Und verfestigte dabei ihren Ruf als Vermittlerin: Sie traf sich mit zweien der Frauen, die in Berlin einsaßen. Stellung bezog die Sozialdemokratin immer: sei es für eine europäische Verfassung und für die Aufnahme plebiszitärer Elemente ins Grundgesetz, sei es für eine Stärkung des Sozialstaats. Politiker aller Couleur schätzten sie für diese Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.

Still wurde es nie um sie

Zur Dezernatszuständigkeit der bislang einzigen Frau an der Spitze des BVerfG gehörte insbesondere das Parlamentsrecht. Als Berichterstatterin bereitete Limbach u.a. das Urteil zur Zulässigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr vor. Unter ihrem Vorsitz traf der Zweite Senat zahlreiche wichtige Entscheidungen, beispielsweise zur Strafbarkeit früherer DDR-Agenten und Stasi-Mitarbeiter wegen ihrer Spionagetätigkeit, zur Teilnahme Deutschlands an der europäischen Währungsunion, zum Kinderexistenzminimum und zum Länderfinanzausgleich.

Auch nach ihrer Pensionierung wurde es nie still um Jutta Limbach. Seit 2003 war sie Vorsitzende der "Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz", auch Limbach-Kommission genannt. Die staatliche Institution befasst sich mit Raubkunst und deren Rückgabe an die Erben.

Sie war Mitglied im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, bis 2007 saß sie auch dem Deutschen Sprachrat vor, in dessen Auftrag sie das Buch "Ausgewanderte Wörter" herausgegeben hat. Die außergewöhnlichen Verdienste der Juristin wurden mit zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen gewürdigt. Jutta Limbach starb, wo sie geboren wurde. Die Mutter von drei Kindern sei in Berlin friedlich im Kreis ihrer Familie verschieden, heißt es in der Mitteilung aus Karlsruhe. Ihr Wirkungskreis reichte stets von Berlin bis Karlsruhe. Ihr Einfluss reicht noch viel weiter. 

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Ex-Verfassungsgerichtspräsidentin: Jutta Limbach verstorben . In: Legal Tribune Online, 12.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20555/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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