BGH zum Luftreinhalteplan Stuttgarts: Anlieger können nicht Ein­hal­tung von Fahr­ver­boten ver­langen

14.06.2022

Halten sich Lkw-Fahrer nicht an ein pauschales Durchfahrtsverbot in einer Stadt, können Privatpersonen nicht dagegen vorgehen. Schließlich soll das Verbot alle vor Abgasen schützen – nicht nur Einzelne. Das entschied der BGH.

Anlieger an einer Straße mit einem Lkw-Durchfahrtsverbot haben keinen Anspruch auf Unterlassung, wenn sich Lkw-Fahrer nicht daran halten. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag (Urt. v. 14.06.2022, Az. VI ZR 110/21).

Im konkreten Fall ging es um Lastwagen einer Speditionsfirma, die eine Straße zum Stuttgarter Hafen nutzen, für die ein Lkw-Durchfahrtsverbot gilt. Nur Lieferverkehr ist gemäß der Beschilderung erlaubt. Mehrmals täglich nutzten die Laster die Strecke aber als bloße Durchfahrt von der Niederlassung zur Autobahn und verstießen so gegen das Verbot, behaupten die klagenden Eigentümer anliegender Grundstücke. Schon die Vorinstanzen hatten entschieden, als einzelne Bürger beziehungsweise Grundstücksanlieger könnten sie nicht gegen das Unternehmen vorgehen.

Verbot schütze nicht den Einzelnen

Dem schloss sich der BGH nun an. Ein Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog scheide aus. Dazu müsste nämlich ein Schutzgesetz verletzt worden sein. Das Durchfahrtsverbot sei aber keins, weil es dazu den Einzelnen oder einzelne Personenkreise vor einer Verletzung eines Rechtsguts schützen müsste. Das Durchfahrtsverbot sei jedoch nicht für bestimmte Straßen angeordnet worden, um die Schadstoffkonzentrationen für die dortigen Anlieger zu reduzieren - sondern grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet, um allgemein die Luftqualität zu verbessern und der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entgegenzuwirken. "Die Kläger sind insoweit nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt", heißt es in der Mitteilung des BGH. Der Schutz von Einzelinteressen sei also nicht die Zielrichtung des Verbots. Es reiche nicht aus, dass - wie in diesem Fall - quasi nebenbei die individuelle Gesundheit geschützt werden kann, wenn sich alle an das Gesetz halten.

Städte haben verschiedene Möglichkeiten, die Belastung durch Abgase und Schadstoffe zu drosseln. Ein Beispiel sind Umweltzonen, in denen nur Fahrzeuge fahren dürfen, die bestimmte Abgasstandards einhalten. Hierfür gibt es Plaketten, die an der Windschutzscheibe angebracht werden. Laut Umweltbundesamt gibt es in Deutschland 56 Umweltzonen.

Stuttgart beispielsweise hat im Zuge des Luftreinhalteplans neben der Einführung der Umweltzone unter anderem ein Lkw-Durchfahrtsverbot beschlossen. Es gilt seit März 2010 für Lkw über 3,5 Tonnen. Der Lieferverkehr ist ausgenommen. So sollen Lkw, die die Stadt nur durchqueren wollen, zu anderen Wegen gezwungen und infolgedessen die Luftqualität in der Landeshauptstadt verbessert werden.

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

 

Zitiervorschlag

BGH zum Luftreinhalteplan Stuttgarts: Anlieger können nicht Einhaltung von Fahrverboten verlangen . In: Legal Tribune Online, 14.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48742/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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