Brexit und die Rechte des Geistigen Eigentums: Abwarten und Tee trinken

von Nico Kuhlmann und Katja-Maria Harsdorf

07.03.2019

Der Brexit wird auch die Rechte des Geistigen Eigentums nicht unberührt lassen. Warum aber im Ergebnis auch nach einem Brexit einiges erst einmal bleiben wird, wie es ist, erklären Katja-Maria Harsdorf und Nico Kuhlmann.

Der gemeinsame Binnenmarkt ist eine der vielen Erfolgsgeschichten der Europäischen Union (EU). Einen wichtigen Beitrag zur Vereinfachung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des gemeinsamen Binnenmarkts hat nicht zuletzt die Schaffung von unionsweiten Schutzrechten des Geistigen Eigentums beziehungsweise die unionsweite Harmonisierung nationaler Schutzrechte geleistet. Damit wird es nach dem Brexit erstmal vorbei sein – zumindest in Bezug auf das Vereinigte Königreich (UK).

Am 29. März verliert aller Voraussicht nach das gesamte Primär- und Sekundärrecht der EU – die Verträge sowie alle Verordnungen, alle Richtlinien und alle Beschlüsse – die unmittelbare Rechtskraft in UK. Dies bleibt nicht ohne Folgen für das Markenrecht, das Patentrecht und das Urheberrecht.

Im Markenrecht wurde bereits im Jahr 1994 ein einheitliches Schutzrecht für die gesamte EU eingeführt. Gegenwärtig sind schätzungsweise 1,7 Millionen Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Kraft. Um eine Unionsmarke zu erlangen, ist nur ein einziges Eintragungsverfahren beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) in Alicante notwendig. Wenn das Anmeldeverfahren erfolgreich abgeschlossen und die Marke eingetragen ist, entfaltet die Unionsmarke ihren Schutz in allen Ländern der EU. Ein Antrag, eine Gebühr und dann ein einheitlicher und umfassender Schutz.

Kommt das EU-Einheitspatent?

Im Patentrecht existiert ein vergleichbares Schutzrecht bisher nicht. Mit dem bisherigen Europäischen Patent kann lediglich das Anmeldungs- und Erteilungsverfahren für mehrere nationale Patente gebündelt werden. Allerdings soll nach jahrzehntelanger Diskussion nun das sogenannte Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung auf den Weg gebracht werden. Dieses auch als Einheitspatent bezeichnete Schutzrecht wäre ähnlich wie die Unionsmarke ein einheitliches Recht mit länderübergreifender Wirkung. Für Streitigkeiten rund um dieses Einheitspatent ist vorgesehen, ein Einheitliches Patentgericht (EPG) zu errichten, das unter anderem auch eine Abteilung in London haben soll. Allerdings ist die Hürde der Ratifizierung noch nicht genommen.

Zwar hat beispielsweise auch UK bereits die notwendige Ratifkationshandlung vollzogen, dies im Übrigen im Jahr 2018, also nach dem Brexit-Vote, aber unter anderem die Zustimmung Deutschlands steht aufgrund einer Verfassungsbeschwerde noch aus. Darüber hinaus nehmen am Einheitspatent auch nicht alle Länder der EU teil. Spanien hat sich beispielsweise aufgrund der geplanten Sprachenregelung verweigert.

Im Urheberrecht gibt es kein Schutzrecht mit unionsweiter Geltung und auch keine entsprechenden Pläne. Nationale Urheberrechte an Werken entstehen durch persönliche, geistige Schöpfungen stattdessen jeweils in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Ausformung der nationalen Schutzrechte ist aber durch Richtlinien und Verordnungen der EU in vielen Bereichen umfassend harmonisiert. Gegenwärtig wird beispielsweise an einer weiteren Urheberrechts-Richtlinie gearbeitet, um die nationalen Regelungen für den digitalen Binnenmarkt weiter auszuformen und anzugleichen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Schutzvoraussetzungen und der Schutzumfang des Urheberrechts zwar national normiert sind, diese Regelungen aber aufgrund der EU-Vorgaben zu gleichen oder zumindest regelmäßig ähnlichen Ergebnissen kommen.

Deal regelt hauptsächlich Fragen des Markenrechts

Diese Einheitlichkeit steht nun auf dem Spiel, wenn UK die EU verlässt. Im Bestreben Rechtssicherheit zu schaffen, wurde im Rahmen der Brexit-Verhandlungen intensiv über die Rechte des Geistigen Eigentums diskutiert. Als Ergebnis dieser Verhandlungen befindet sich im –  vorerst vom britischen Parlament abgelehnten –  Deal ein eigener Abschnitt zu den Rechten des Geistigen Eigentums.

Im Deal geregelt werden vornehmlich Fragen des Markenrechts. So sollen nach Art. 54 Abs. 1 des Deals die Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmackmustern ohne erneute Prüfung zu Inhabern eines vergleichbaren Rechts in UK werden. Ein Antrag soll nicht notwendig sein, auch Kosten sollen für dieses Umschreibeverfahren nicht anfallen.

Zum Patentrecht finden sich im Deal hingegen – mit Ausnahme des ergänzenden Schutzzertifikats in Art. 60 des Deals – keine Regelungen. Dies liegt unter anderem daran, dass das bereits bestehende Europäische Patent durch einen von der Europäischen Union unabhängigen völkerrechtlichen Vertrag, das Europäische Patentübereinkommen, geregelt wird. Dessen Unterzeichner bleibt das Vereinigte Königreich grundsätzlich auch nach dem Brexit. Auch das geplante System des Einheitlichen Patentgerichts beruht mit dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht maßgeblich auf einem völkerrechtlichen Vertrag.

Auch urheberrechtliche Fragen werden im Deal – mit Ausnahme des Datenbankschutzrechtes in Art. 58 des Deals – nicht geregelt. Mangels eines einheitlichen europäischen Schutzrechts war dies auch nicht zwingend notwendig.

Vor dem Hintergrund der jüngeren Ereignisse ist aber ohnehin fraglich, ob der Deal überhaupt noch vom britischen Parlament angenommen wird. Für den nicht mehr unrealistischen Fall des No-Deal Brexits hat die britische Regierung darum entsprechende Vorkehrungen getroffen, die auch die Rechte des Geistigen Eigentums umfassen.

Hard Brexit: "Technical Notices" und "Statutory Instruments"

Für den Fall, dass der Brexit ohne vorherige Annahme des Deals erfolgt, hat die britische Regierung bereits im Jahr 2018 zur Orientierung über einhundert verschiedene sogenannte Technical Notices veröffentlicht. Hierin erklärt die britische Regierung, welche Aspekte in bestimmten Industrien und einzelnen Rechtsgebieten bei einem Hard Brexit zu beachten sind. Außerdem skizziert die britische Regierung darin, welche weiteren Schritte für den Fall geplant sind, dass der Brexit ohne Deal stattfindet. Es handelt sich bei diesen Technical Notices sozusagen um staatliche Absichtserklärungen.

Solche Technical Notices existieren für den Flug- und Zugverkehr, für Umweltschutzangelegenheiten und Austauschprogramme für Studierende – und eben auch für die verschiedenen Rechte des Geistigen Eigentums.

Die Technical Notice für das Markenrecht sieht beispielsweise vor, dass bereits eingetragene Unionsmarken auch ohne Deal weiterhin im Vereinigten Königreich in der Form geschützt bleiben, dass sie nahtlos in ein gleichwertiges nationales Schutzrecht übergehen. Insbesondere ein entsprechender Antrag des Rechteinhabers soll nicht notwendig sein. Lediglich noch nicht erfolgreich abgeschlossene Unionsmarkenanmeldungen müssen innerhalb von neun Monaten nach dem Brexit gebührenpflichtig erneut beim britischen Markenamt angemeldet werden, wenn entsprechender Markenrechtsschutz für UK erlangt werden soll.

Zum Patentrecht erklärt die britische Regierung in der entsprechenden Technical Notice, dass sie prüfen wird, ob es möglich wäre, im Rahmen eines No-Deal-Szenarios beim neuen einheitlichen Patentsystem zu bleiben. Auch in der Literatur ist die grundsätzliche Möglichkeit der Teilhabe des UK am ausgehandelten System nach einem Brexit umstritten. Sehr vielversprechend klingt das alles nicht.

Schließlich sollen nach der Technical Notice für das Urheberrecht zwar die bereits umgesetzten Richtlinien und geltenden Verordnungen der EU in Kraft bleiben. Bei grenzüberschreitend wirkenden Mechanismen müssen Rechteinhaber und Nutzer aber Einschnitte befürchten. So wird die erst im Jahr 2018 in Kraft getretene Portabilitäts-Verordnung nach dem Brexit nicht mehr im Vereinigten Königreich gelten. Diese Verordnung hat es Reisenden beispielsweise bisher ermöglicht, im EU-Ausland auf in Deutschland abgeschlossene Abonnements für Streaming-Dienste im Internet zuzugreifen.

Zur Umsetzung der verschiedenen Technical Notices in geltendes Recht hat die britische Regierung unter anderem bereits entsprechende sogenannte Statutory Instruments (SI) entworfen. Hierbei handelt es sich um rechtsverbindliche Regelungen der Exekutive, die dem Grunde nach mit deutschen Rechtsverordnungen vergleichbar sind. Finalisierte Entwürfe hierfür hat die britische Regierung bereits für das Markenrecht und das Urheberrecht veröffentlicht. Insgesamt sind schon 232 solcher Statutory Instruments erstellt und im Internet verfügbar gemacht worden.

Aber natürlich besteht ein Restrisiko dahingehend, dass die britische Regierung einzelne Ankündigungen – aus welchen Gründen auch immer – doch nicht umsetzt oder das britische Parlament den Erlass einzelner Statutory Instruments aus politischen Gründen blockiert.

Harmonisierung wohl eine Illusion

Die Absicht der britischen Regierung ist somit, im Fall des Brexit den Status Quo der Rechte des Geistigen Eigentums soweit wie möglich zu bewahren – auch ohne gleichzeitiges verbindliches Entgegenkommen der EU im Rahmen eines Deals.

Vollständig und vor allem langfristig wird dies aber nicht gelingen. Selbst im Markenrecht, wo durch die Schaffung eines neuen nationalen Schutzrechts größtmögliche Kontinuität erzielt werden soll, könnte sich durch die fehlende vereinheitlichende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Auslegung der markenrechtlichen Regelungen auseinander entwickeln. Zudem ist in Hinblick auf das Urheberrecht nicht auszuschließen, dass die britische Regierung das bisher harmonisierte Recht nach nationalen Wünschen anpasst und umgestaltet. Auf Dauer werden sich die entkoppelten Schutzrechtsregime somit wahrscheinlich auseinander entwickeln. Und im Patentrecht schließlich scheint alles offen zu sein.

Diese ganze Planung war im Übrigen nicht ganz günstig. Die britische Regierung hat nach eigenen Angaben für die gesamten Vorbereitungen für den Brexit bisher über vier Milliarden Britische Pfund ausgegeben. Aus kontinentaleuropäischer Sicht heißt es nun Tee trinken und abwarten, wie der Brexit erfolgen wird – oder ob überhaupt.

Der Autor Nico Kuhlmann (@NicoKuhlmann) ist Associate bei Hogan Lovells International LLP in der Praxisgruppe Intellectual Property, Media & Technology in Hamburg und berät umfassend zu Fragen des Rechts des Geistigen Eigentums. Die Autorin Katja-Maria Harsdorf ist Rechtsreferendarin in Hamburg und absolviert gegenwärtig ihre Rechtsanwaltsstation bei Hogan Lovells.

 

Zitiervorschlag

Brexit und die Rechte des Geistigen Eigentums: Abwarten und Tee trinken . In: Legal Tribune Online, 07.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34235/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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