CDU-Chef Merz schlägt vor, eine "Notlage" auszurufen und die Grenzen dichtzumachen. Vizekanzler Habeck von den Grünen hält entschieden dagegen. Das schüre Erwartungen, die man nur enttäuschen könne.
Vizekanzler Robert Habeck hat den Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz für eine "nationale Notlage" mit scharfen Worten zurückgewiesen. "Das ist nicht Problemlösung, das ist unverantwortlich", sagte der Grünen-Politiker bei einer Wahlkampfveranstaltung der sächsischen Grünen in Leipzig.
Merz hatte die Erklärung einer "nationalen Notlage" ins Spiel gebracht, um EU-Recht temporär ignorieren und Migranten an Deutschlands Grenzen zurückweisen zu können, wenn sie vorher durch ein anderes EU-Land gekommen sind. So sieht es die europäische Dublin-Verordnung vor. Habeck wies darauf hin, dass Merz' Vorschlag zu großen Verwerfungen in der EU führen würde und sprach von einem "falschen Vorschlag".
Weiter sagte Habeck: "Nun weiß ich nicht, ob es – wie soll ich sagen – Unwissen oder vielleicht auch fehlende europäische oder Regierungserfahrung ist oder ob es der Versuch ist, einfach mal einen rauszuhauen, um mal einen rauszuhauen." Der Effekt sei jedenfalls der Gleiche: Im Raum stehe eine nicht einlösbare Forderung. "Man muss, wenn man Probleme lösen will, auch die Mittel für die Problemlösung vorher bedenken und nicht einfach eine Erwartungshaltung schüren, die dann wieder zur nächsten Enttäuschung führt." Habeck spielt damit darauf an, dass es rechtlich nicht so einfach ist, wenn es um asylrechtliche Grundsatzfragen wie Abschiebungen, Aufnahmestopp und Überstellungen geht.
"So wollen wir doch nicht leben": Habeck setzt auf Stimmungsumschwung
Habeck skizzierte auch seine Hoffnung auf einen Stimmungsumschwung in Deutschland bis zur nächsten Bundestagswahl, die regulär im September 2025 stattfindet. "Im Moment ist alles anstrengend, schwer, bis zum Zerreißen angespannt. Der Populismus hat ein leichtes Spiel. Sehr viele Leute sind ermüdet, ziehen sich zurück." Es gebe aber "eine große Unwahrscheinlichkeit", dass die Situation im September kommenden Jahres die gleiche sei wie im laufenden Monat.
Dieser erhoffte Umschwung, so wohl der Gedanke, käme den Grünen entgegen. Er glaube fest daran, dass die Mehrheit in einem Land leben wolle, "wo eine Perspektive geschaffen wird, wo man nicht denjenigen politisch belohnt, der den anderen am stärksten niedermacht". Habeck erklärte: "So wollen wir doch nicht leben. Und es muss nur irgendein Kristallisationspunkt kommen, wo wir uns selbst beweisen, dass wir viel, viel besser in Deutschland sind, als die Stimmungslage und die Umfragen es im Moment zeigen. Wenn das passiert, dann kann wirklich alles passieren."
Die Stabilität der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei verloren gegangen, das gelte es nun anzunehmen, sagte Habeck. "Ein Jahr vorher hat es auch noch keiner geglaubt, dass dann die Mauer fällt. Dinge passieren, wenn Menschen sie passieren lassen. Und Menschen sind wir", so Habeck. Es gebe kein Naturgesetz, dass wir missmutig und voller Hass sein müssten. "Das entscheiden wir schon selbst. Das haben wir selber in der Hand. Und wenn wir das in die Hand nehmen und es anders entscheiden, dann ist ganz viel möglich in Deutschland."
dpa/xp/LTO-Redaktion
Habeck kritisiert Merz-Vorschlag zur Asylpolitik: . In: Legal Tribune Online, 29.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55296 (abgerufen am: 11.10.2024 )
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