Inneneinrichtung: My Home is not my Kanzlei

Gil Eilin Jung

16.05.2010

Sich einzurichten fällt nicht jedem leicht, der hauptberuflich mit Prozessen, Mandaten und Fällen zu tun hat. LTO sprach mit der Berliner Interior-Expertin Birgit von Heintze über Farben, Formen und Fehler und erfuhr, warum man sich selbst den Stil der schicksten Sozietät nicht in die eigenen vier Wände holen sollte.

Mit dem Ameublement ist es derzeit ein wenig wie mit der Mode. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Alles ist erlaubt und eindeutige No-Gos von heute können unter Trendsettern morgen schon wieder hitverdächtig sein. Ja was denn nun?, mag sich mancher Jurist fragen, den solch stilistisches Laissez-faire schlichtweg überfordert.

Wenn es darum geht, ins Eigenheim zu investieren, ist eines sonnenklar: Dass das Zuhause auf keinen Fall ein Mini-Abklatsch der Kanzlei werden darf. Warum sich Home-sweet-Home unbedingt vom Office abheben sollte, verrät die Berliner Inneneinrichterin Birgit von Heintze im Gespräch mit LTO.

LTO: Frau von Heintze, Geld in Möbel zu investieren, ist gerade in rauen Zeiten nicht das Verkehrteste. Gründe finden sich immer, aber worauf kommt es an?

Birgit von Heinze: Das Wichtigste ist das Budget. Es lässt zu, welche Veränderungen man vornimmt. Macht man es im Kleinen, fängt man mit einem Zimmer an oder macht man gleich die komplette Wohnung? Wenn man das eruiert hat, muss man gucken, ob man über Ikea-Niveau hinausgelangt. Das ist auch Anwälten mit einem noch nicht so üppigen Salär möglich. Es muss ja nicht gleich das Minotti-Sofa sein, aber es gibt auch preisgünstige Anbieter etwa aus Estland, die fantastische Qualitäten bieten, die das Suchen sinnvoll macht.

"Stilbrüche sind notwendig"

LTO: Raten Sie jungen Juristen dazu, sich von ihrem studentischen Krempel konsequent zu verabschieden, so nach dem Motto: Hau weg den ollen Plunder, wir nähern uns jetzt dem stylischen Establishment!?

Von Heinze: Ich bin offen gestanden nicht so ein Fan dieser schwedischen Möbelfirma, aber Altes aus Studententagen muss nicht grundsätzlich auf dem Sperrmüllberg landen. So eine Kuckucksuhr in der Küche hat doch was. Wichtig ist, dass Menschen, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn sind, Gegenstände in ihr Leben integrieren, die ihnen etwas bedeuten - und zwar unabhängig davon, ob sie das Gesamtbild verhunzen oder nicht. Ein emotionales Stück wie der alte Nussbaum-Sekretär vom Großvater, das Biedermeier-Sofa von Tante Ilse oder die goldene Buddhabüste vom letzten Thailandtrip sollte man mit einbinden. Stilbrüche finde ich nicht nur wünschenswert, sie sind sogar notwendig, denn sie spiegeln den Charakter des Bewohners wieder. Eine komplette Neueinrichtung macht eigentlich nur Sinn, wenn einem das Haus abgebrannt ist oder man ausgeraubt wurde.

LTO: Na gut, wir haben die Kreditkarte im Jackett und nun kann’s losgehen. Die Frage ist lediglich: in welche Richtung bitte schön?

Von Heintze: Das entscheidende Kriterium ist, dass man sich zuhause wohlfühlt. Möbel, die prestigegezeichnet und designorientiert sind und den Warenpreis für jeden sofort erkennbar machen, weil man etwas darstellen will, finde ich wenig überzeugend. Im Gegensatz zur Kanzlei, die schick und durchdesignt sein kann, sollte das Zuhause die Sehnsucht nach einem Ort des Rückzugs wecken, der Geborgenheit vermittelt. Gerade Kopfmenschen wie Anwälte brauchen das, um Ruhe zu finden.

LTO: Nun lieben Juristen aber oftmals den puristischen Stil. Was spricht dagegen, diesen konsequent zuhause weiterzufahren?

Von Heintze: Ich will es mal so sagen: Die 90er sind vorbei und damit auch die Zeit der offensiven Design-Statements. Designklassiker erleben zwar gerade ein Revival. Aber wenn ich abends nach Hause komme aus meiner Kanzlei, habe ich doch keine Lust, dort auch noch auf USM-Regalsysteme zu schauen. Ich finde es kritisch, wenn sich Wohn- und Esszimmer gar nicht mehr vom Büro unterscheiden und das Arbeiten im Kopf überhaupt kein Ende mehr nimmt. Ich bin für eine klare Trennung, weil sich das, was man zuhause hat, vom Job abheben sollte.

"Landhausstil ist over"

LTO: Wunderbar, da hätten wir doch schon mal eine klare Linie. Was können wir denn noch ausschließen?

Von Heintze: Definitiv den Landhausstil. Der hat sich komplett überholt, ohne Pardon. Es gibt zwar eine erkennbare Wende, dass Leute wieder zu verspielteren Formen greifen und sich von strengen, puristischen Linien abwenden. Aber der liebliche Stil ist wirklich over.

LTO: Nähern wir uns jetzt dem, was unter all dem Angesagten am angesagtesten ist?

Von Heintze: Gerne! Ganz vorne liegt das Spiel von verschiedenen Materialien. Man kann eine Menge Wärme erzeugen, wenn man viel mit Holz macht oder Fell. Fell ist ein ganz großes Thema, auch im Sommer – aber alles in geraden Formen, nichts Rustikales. Weitere Themen sind Weiß und China, Lackmöbel, Natur und Treibholz. Als Beispiel: ein Treibholzlampenfuß mit einem weißen Lackschirm – das ist eine schöne Kontrastsprache. Da hat man das Haptische und das Statement. Eine weitere Linie ist Silber. Auch ungewöhnlich im Sommer, aber das funktioniert. Eine kalte Farbe, die sich gut kombinieren lässt.

LTO: Manch einem Juristen aus eher konservativem Elternhaus sind britische Farbgebungen wie Dunkelrot und Grün vertraut. Schüttelt es da die Interior-Expertin?

Von Heintze: Keineswegs. Ich versuche immer herauszufinden, welche Farbwelten jemand bevorzugt. Zudem muss man sich überlegen, ob man seine Wände farbig gestalten oder eher mit farbigen Möbeln punkten will. Beides zusammen geht nicht! Ich würde immer zu einer ruhigen Farbgebung der Wände raten und zu auffälligeren Accessoires, die gerne der Jahreszeit angepasst sein dürfen und sich einfach austauschen lassen.

"Ich liebe Schwarz-Weiß und Grau"

LTO: Wie halten Sie es denn persönlich mit der Farbgebung?

Von Heintze: Ich liebe Schwarz-Weiß! Das ist ein zeitloser Klassiker à la Coco Chanel, ein Inbegriff von Understatement. Wem das aber ein zu großer Farbkontrast ist, dem empfehle ich Graunuancen. Ich gestalte gerade ein Apartment, wo ich mit drei Grautönen arbeite. Der Flur ist dunkel, da kann man ein dunkles Grau wagen. In den übrigen Räumen nehme ich ein helleres Grau, den Kamin setze ich wieder Flanellfarben ab. Um es nicht zu eintönig zu machen, halte ich das Esszimmer in einem tiefen Aubergine. Die Decken bleiben alle weiß. Da ist eine wunderschöne Farbkombination. Aber auch ins Gräuliche gehende Brauntöne sind toll. Die wirken sehr warm, reduziert und sehen extrem edel aus.

LTO: Noch einmal zurück zur Gesamteindruck. Was halten Sie für das wichtigste begleitende Detail, wenn es um Einrichtungsfragen geht?

Von Heintze: Wer beispielsweise in einer Mietwohnung wohnt, findet häufig hässliche Türgriffe aus Hartplastik oder Messing vor, die das ganze Bild verhunzen können. Da lohnt sich die Anschaffung von Griffen im Bauhaus- oder Jugendstil, aus Edelstahl, Holz oder Horn. Auch wenn solche Griffe nicht billig sind, lassen sie sich beliebig weiterverwenden und verändern den ganzen Charakter einer Wohnung oder eines Hauses, weil sie hochwertiger aussehen. Der echte Eyecatcher muss also gar nicht immer unbedingt das 12.000-Euro-Designsofa sein. Das Beste findet man ohnehin immer im Detail.

Zitiervorschlag

Gil Eilin Jung, Inneneinrichtung: My Home is not my Kanzlei . In: Legal Tribune Online, 16.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/533/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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