Ratgeber "Basiswissen Jura für das mündliche Examen"

"Die anderen kochen auch nur mit Wasser"

Interview mit Stephan Pötters, LL.M., Dr. Christoph Werkmeister, LL.M.Lesedauer: 6 Minuten
Die mündliche Prüfung ist für viele Studenten und Referendare der unangenehmste Teil des Examens. Stephan Pötters und Christoph Werkmeister wollen mit ihrem Buch Abhilfe schaffen. Im LTO-Interview erklären sie, wie man sich am besten vorbereitet, die Nerven behält und was bei der Kleiderwahl zu beachten ist.

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LTO: Der Gedanke an die mündliche Prüfung treibt vielen Studenten den Angstschweiß auf die Stirn. Das liegt auch daran, dass die Vorbereitung auf "die Mündliche" in der Ausbildung oft zu kurz kommt: Während mittlerweile an fast jeder Uni Klausurenkurse angeboten werden, wird die Situation in der mündlichen Prüfung kaum geübt. Wie kann Ihr Buch "Basiswissen Jura für das mündliche Examen", das im De Gruyter Verlag erscheint, dabei helfen, diese Lücke zu schließen?
Pötters: Der Leitgedanke unseres Buches ist die veränderte Prüfungssituation im mündlichen Examen. Vielerlei Wissen, das für die schriftlichen Klausuren entweder gar nicht oder lediglich rudimentär vorhanden sein muss, kann für die mündliche Prüfungssituation plötzlich eine Rolle spielen.
Stephan Pötters, LL.M. Neben den materiellen Kenntnissen, die auch für die Klausuren im Staatsexamen präsent sein müssen, werden in der mündlichen Prüfung häufig prozessuale Fragen und taktische Erwägungen mit einbezogen – gerade auch von den Praktikern unter den Prüfern. Kurze Fragen zur Rechtsgeschichte dienen im Prüfungsgespräch mitunter als Lückenfüller, während sie in den Klausuren im Grunde nicht auftauchen.
Da diese Besonderheiten bislang in der Ausbildungsliteratur bislang nicht hinreichend beleuchtet wurden, haben wir versucht, diese Lücke zu schließen. Das Werk soll den Leser für das Lernen für die mündliche Prüfung sensibilisieren, so dass er bestimmte Problemkreise von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet.

"Spontan argumentieren mit juristischer Methodik"

Werkmeister: Im Übrigen zielt das Buch darauf ab, dem Prüfling die bestmöglichen Voraussetzungen für das spontane Argumentieren und Lösen von Fällen an die Hand zu geben. Aus diesem Grund behandelt es nicht nur das erforderliche Faktenwissen, sondern ermutigt bewusst zum Einsatz der Werkzeuge der juristischen Methodik. Außerdem wollen wir ein gemeinsames Vorbereiten mit der Lerngruppe unterstützen und haben deshalb kurze Quizfragen zu unterschiedlichen Themenfeldern und Mustervorträge zusammengestellt. Auch das Training für den Kurzvortrag, der in einigen Bundesländern  einen integralen Bestandteil der mündlichen Prüfung darstellt, ist unseres Erachtens nach sehr wichtig.
LTO: Nach den anstrengenden Klausuren ist die Luft bei den Prüflingen erstmal raus und die Wartezeit bis zum mündlichen Examen lang. Die Aussicht auf eine längere Auszeit ist dann verlockend. Wann sollte man Ihrer Meinung nach mit der Vorbereitung auf die mündliche Prüfung beginnen?
Werkmeister: Wir halten ein wenig Erholung nach den kräftezehrenden Klausuren für obligatorisch. Eine echte Auszeit für einige Wochen nach den Klausuren sollte sich jeder Prüfling gönnen. Nach einem Zeitraum von spätestens acht Wochen sollte der ambitionierte Student allerdings mit der Vorbereitung auf die mündliche Prüfung beginnen.

"Die anderen kochen auch nur mit Wasser"

LTO: Gerade bei mündlichen Prüfungen ist ein großer Anteil des Erfolgs sicherlich abhängig von der physischen und psychischen Konstitution des Prüflings. Haben Sie Tipps – sowohl für die Wartezeit dazwischen als auch für den konkreten Prüfungstag?
Pötters: Ein Patentrezept gibt es hierfür leider nicht. Man sollte wie gesagt nach unserer Auffassung zunächst nach den Klausuren einen gewissen Abstand gewinnen. Dies erreicht man am einfachsten mit einem Tapetenwechsel, zum Beispiel in Form einer Urlaubsreise.
Ferner sollte man sich vor Augen führen, dass die Klausurergebnisse nun ohnehin nicht mehr beeinflusst werden können und es sich stattdessen lohnt, sich ganz auf die Vorbereitung für die mündliche Prüfung zu konzentrieren. Wenn man sich Gedanken über mögliche Fehler in den schriftlichen Prüfungen macht, kann man sich damit beruhigen, dass die anderen Prüflinge im Zweifel auch alle nur mit Wasser kochen. Soll heißen: Wenn eine Klausur besonders schwer war, dann war das sicherlich für alle Kandidaten der Fall.
LTO: Und am Tag der Prüfung selbst?
Werkmeister: Am Tag der Prüfung gilt entsprechendes. Wohl kein Kandidat ist bei so einer wichtigen Prüfung nicht aufgeregt. Man sollte sich bei der Beantwortung der Fragen keine Gedanken darüber machen, wie die jeweilige Antwort auf den Prüfer wirken mag.
Vielmehr geht es darum, spontan Position zu beziehen, ganz egal, ob das Ergebnis nun argumentativ angreifbar ist oder nicht. Sofern eine Antwort falsch sein sollte, darf man sich davon nicht unmittelbar entmutigen lassen – eine Prüfung, in der alles richtig beantwortet wurde, ist streng genommen nun einmal mit 18 Punkten zu bewerten. Auch bei einzelnen Ausrutschern kann man durchaus eine gute Note erzielen.

"Systematik verstehen statt Meinungsstreitigkeiten pauken"

LTO: Können Sie inhaltliche Schwerpunkte in der mündlichen Prüfung ausmachen? Kann man sich auch Lücken erlauben?
Pötters: Wir empfehlen grundsätzlich, umfassend zu lernen. Niemand kann aber das gesamte examensrelevante Recht in jeder Facette beherrschen. Lücken ergeben sich deshalb von ganz alleine. Umfassend bedeutet also nicht, dass man jegliche Meinungsstreitigkeiten und Auslegungsprobleme beherrschen muss.
Der Schwerpunkt sollte vielmehr auf dem Erlernen der Grundprinzipien und der Systematik bestimmter Gebiete liegen – gerade auch in der mündlichen Prüfung kommt es vor allem auf das Verständnis von Zusammenhängen und eine professionelle juristische Argumentation mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden an.

"Die Prüfer vorab recherchieren, aber nie nur den Protokollen glauben"

LTO: An vielen Universitätsstandorten gibt es Examensprojekte, die Protokolle der Prüfer zur Verfügung stellen. Ist es sinnvoll, diese bei der Vorbereitung zu benutzen?
Werkmeister: Definitiv. Ein unerlässlicher Aspekt einer erfolgreichen Vorbereitung auf die mündliche Prüfung ist eine genaue Recherche über die Mitglieder der Prüfungskommission. Die Protokolle stellen dabei allerdings nur einen Ausgangspunkt der Vorbereitung dar.
Dr. Christoph Werkmeister, LL.M. Lässt sich der Prüfer über eine Internetsuchmaschine auffinden, kann etwa ein Blick auf den Lebenslauf oder auch nur auf seine berufliche Tätigkeit und seine Themenschwerpunkte Rückschlüsse auf bevorzugte Prüfungsgebiete zulassen.
Ferner kann es sinnvoll sein, sich ein bis zwei Mal in eine Vorlesung oder gar eine mündliche Prüfung des Prüfers zu setzen, um so seinen Fragestil kennenzulernen. Allerdings kennt man seine Prüfer erst wenige Wochen vor dem Termin, so dass es in der Regel nicht möglich sein wird, noch einer ihrer Prüfungen beizuwohnen.
Wichtig ist jedoch, dass sich der Prüfling nicht von einer vermeintlichen "Protokollfestigkeit" eines Prüfers blenden lässt. Es kann immer sein, dass ein Prüfer in genau der entscheidenden Prüfung auf einmal von seinem Schema abweicht.

"Die Kommilitonen immer ausreden lassen"

LTO: Horrorgeschichten von Prüfern, die Punkte abziehen, weil die Kandidaten keine angemessene Kleidung tragen oder Fragen von Kommilitonen beantworten, gibt es genug. Wie vermeidet man die typischen Fauxpas in der Prüfung?
Pötters: Man sollte sich zu diesen Aspekten nicht allzu viele Gedanken machen. Im Hinblick auf die Kleiderwahl ist nach unserer Auffassung jedenfalls formelle Kleidung vorzuziehen, sprich Anzug bei Herren und Kostüm, Hosenanzug oder ähnliches bei Damen. Die Prüfer werden die Note zwar sicherlich nicht in erster Linie vom Aussehen abhängig machen, es ist aber besser, hier kein Risiko einzugehen.
Ansonsten sollte man einfach die Grundregeln der Höflichkeit beachten und beispielsweise die Prüfungskommission begrüßen, sich am Ende des Vortrags für die Aufmerksamkeit bedanken und beim Prüfungsgespräch natürlich die Kommilitonen ausreden lassen.
LTO: Herr Pötters, Herr Werkmeister, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Die Autoren Stephan Pötters, LL.M. und Dr. Christoph Werkmeister, LL.M. sind beide als Repetitoren in Köln, Bonn und Düsseldorf tätig.
Das Interview führte Andreas Schmitt.

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