Menschen in einem vollen Hörsaal
Integrierter LL.M. an der Leuphana Uni

Das Jura­stu­dium der Zukunft in Lüne­burg?

von Panos Athanasiadis und Pauline Dietrich, LL.M.2025 M08 4, Lesedauer: 6 Minuten

Staatsexamen und LL.M. in einem Rutsch: Während sich manche Unis immer noch konsequent gegen den integrierten Bachelor sträuben, erfüllt der Masterstudiengang in Lüneburg auch die Zulassungsvoraussetzungen für das erste Staatsexamen.

Wer in der juristischen Ausbildung so viele Fliegen wie möglich mit einer Klappe schlagen will, sollte Jura in Lüneburg studieren. Dort kann man ohne ein Doppelstudium anzutreten die juristische Ausbildung mit gleich drei Abschlüssen in der Tasche beenden: dem Bachelor of Laws (LL.B.), dem Master of Laws (LL.M.) und dem ersten juristischen Staatsexamen. Das ist bislang deutschlandweit einzigartig.

Möglich macht das der noch junge Masterstudiengang, den man sowohl mit dem ersten Staatsexamen als auch mit dem Master-Abschluss beenden kann. Generelle Zulassungsvoraussetzung ist selbstredend ein Jura-Bachelor, den man ebenso an der Leuphana erwerben kann. 35 Studienplätze stehen jeweils zum Wintersemester bereit, einige Vorlesungen finden in englischer Sprache statt. In das zweijährige Studium ist eine Examensvorbereitung integriert, bestehend aus Wiederholungs- und Vertiefungskursen in Kleingruppen. 

"Die allerersten Studierenden der Leuphana Law School haben Anfang Juni 2025 das Staatsexamen absolviert — jeweils mit Prädikat", so Studiengangleiter Prof. Dr. Till Patrik Holterhus gegenüber LTO. Ihnen stünden damit alle Türen zu den klassischen juristischen Berufen als auch anderen juristischen Jobs offen.

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Nur ein Schwerpunktbereich

In dem Studienaufbau sind die "klassischen" Inhalte des Jurastudiums mit denen des Schwerpunktbereichs eng verbunden. Anders als an anderen Jurafakultäten ist genau vorgesehen, in welchem Semester man welche Schwerpunktbereichsvorlesung besuchen sollte. Aber auch nur so geht das System auf, in der Regelstudienzeit sowohl die Staatsexamensinhalte zu vermitteln als auch die Anforderungen an einen Master-Abschluss zu erfüllen, etwa indem man Schwerpunktbereichsarbeit und Masterarbeit kombiniert. 

Der einzig und allein angebotene Schwerpunktbereich "Recht im Kontext" ist dabei geschickt gewählt. Schließlich zeichnet sich ein Master-Abschluss anders als das juristische Staatsexamen dadurch aus, dass er auch interdisziplinär qualifiziert. Durch die Lehrveranstaltungen des Schwerpunktbereichs wird genau das erreicht, etwa durch Vorlesungen wie "Strafgewalt und Politik" wird die Brücke zwischen Jura und Politik gebaut. Eine untrennbare Verbindung, der viele Jurist:innen normalerweise erst im Berufsalltag begegnen. 

"Viermal so viele Bewerbungen wie Plätze"

Die unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen an Staatsexamen und Master zu verbinden, war aber gar nicht so einfach: "Die Vereinigung von Bologna-Logik einerseits und den strukturellen Anforderungen nach dem niedersächsischen Juristenausbildungsgesetz sowie der niedersächsischen Juristenausbildungsverordnung andererseits stellten uns am Anfang vor erhebliche Hürden. Mittlerweile hat sich das System des Studiums jedoch eingespielt und funktioniert gut. Dies gilt insbesondere auch für die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Landesjustizprüfungsamt Niedersachsen in Celle", so Holthus. 

Mit "Bologna" meint der Professor die große EU-Reform, die die Hochschulabschlüsse in den Mitgliedstaaten harmonisieren sollte und die auch in Deutschland zur großflächigen Umstellung auf das Bachelor-Master-System in den allermeisten Studiengängen führte. Dass das neue Konzept an der Leuphana aufgeht, zeigen auch die Bewerberzahlen. Holthus zufolge kamen im vergangenen Wintersemester 2024/25 ungefähr viermal so viele Bewerbungen herein, wie es Plätze gab.

Dass die moderne Herangehensweise an die juristische Ausbildung gut ankommt, zeigt auch ein Statement aus den Reihen der Fachgruppe des Masters gegenüber LTO. So sei der "Betreuungsschlüssel" im Vergleich zu anderen Fakultäten gut. "An unserer jungen Fakultät sind auch viele der Lehrenden noch jung, sodass aufgeschlossen mit diversen Sachverhalten gearbeitet wird und sich unsere Übungsfälle nicht verstaubter Rollenklischees bedienen", so Katharina Zehner und Lina Porter, beide Studentinnen im zweiten Semester des Masters.

Zwei Semester für die Examensvorbereitung

Konkret läuft das Masterstudium folgendermaßen ab: Im ersten Semester wird das Bürgerliche Recht so vermittelt, dass die Leistungskontrolle dem Niveau der Übung für Fortgeschrittene aus dem niedersächsischen Staatsexamensstudium entspricht. Daneben gibt es Module aus dem Schwerpunktbereich. Das setzt sich im zweiten Semester fort, dort folgen zudem die Übungen für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht sowie im Strafrecht. Im Anschluss an das zweite Semester wird die Schwerpunktbereichsprüfung durchgeführt. 

Im dritten und vierten Semester des Masters steht dann die Vorbereitung auf die Staatsprüfung in den Pflichtfächern auf der Agenda. Konkret findet ein etwa 40 Wochen andauernder Examenskurs statt, jede Woche wird eine Examensklausur zur Übung geschrieben. Im vierten Semester ist außerdem das Schreiben der Masterarbeit vorgesehen, die zum Schwerpunktbereich gehört. Damit werden Master- und Schwerpunktbereichsarbeit kombiniert. 

Daneben ist der Besuch von Veranstaltungen aus dem sogenannten Komplementärstudium verpflichtend. Sie sollen die fachspezifischen Inhalte des rechtswissenschaftlichen Studiums erweitern. Es handelt sich um Vorlesungen, die eigentlich im Rahmen anderer Studiengänge angeboten werden. Der Studienplan empfiehlt etwa die Veranstaltung "Connecting Science, Responsibility and Society". 

Master soll Kritik am Jurastudium aufgreifen

"Das Jurastudium in Deutschland und insbesondere das deutsche Staatsexamen genießen zu Recht international hohe Anerkennung. Das neue Studienmodell der Leuphana Law School stellt das nicht in Abrede und möchte daran grundsätzlich auch gar nichts ändern. Gleichzeitig versucht die Leuphana Law School über die Integration in die Bologna-Logik inklusive LL.B und LL.M. ein interdisziplinäres Nebenstudium sowie das studium generale, kleine Studierendengruppen, neue Prüfungsformen und eine vollintegrierte Examensvorbereitung neue Akzente zu setzen und so aktuelle Kritik am Jurastudium aufzugreifen", erklärt Holthus.

Besonders einen der Kritikpunkte löst das Jurastudium an der Leuphana auf: Fällt man hier durch das erste Staatsexamen durch, hält man mit dem Master einen gleichwertigen Uniabschluss in den Händen, mit dem man zwar nicht ins Referendariat gehen darf, aber andere juristische Berufe ausüben kann, bei denen man nicht vor Gericht stehen muss. 

Integrierter Bachelor hat sich durchgesetzt

Im Rest der Republik verhindert inzwischen vielerorts immerhin und endlich die Einführung eines integrierten Bachelors, dass man nicht auf das Abitur zurückfällt, sollte man das erste Staatsexamen nicht bestehen.

In nahezu jedem Bundesland findet man mindestens eine Uni, die ihn eingeführt hat oder es zumindest plant. Das Prinzip des integrierten Bachelors: Erfüllen die Jurastudierenden die Voraussetzungen für die Teilnahme an der juristischen Staatsprüfung und haben sie die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung erfolgreich absolviert, können sie die Ausstellung eines Bachelor-Zeugnisses beantragen. Das gilt auch, wenn sie am Staatsexamen teilnehmen, aber durchfallen. So funktioniert es etwa in Nordrhein-Westfalen  - deswegen auch "NRW-Modell" genannt - flächendeckend an allen Jura-Unis. 

Gegen dieses Modell sträuben sich bislang Bayern und Baden-Württemberg. Das Justizministerium in Bayern beruft sich gegenüber LTO auf die verschiedenen LL.B.-Studiengänge, die man dort bereits belegen könne, und zwar auch parallel zum juristischen Staatsexamensstudium oder im Nachgang. "Für Studierende, die beim Absolvieren der Ersten Juristischen Prüfung nicht erfolgreich waren, stellen sie daneben eine Möglichkeit dar, sich für die Tätigkeit in einem spezifischen Berufsfeld zu qualifizieren sowie einen akademischen Bachelorgrad zu erwerben", so ein Sprecher aus dem Staatsministerium. 

"Ein sog. 'integrierter' Bachelor of Laws, der ohne Zusatzqualifikationen 'automatisch' beim Erwerb der Zulassungsvoraussetzungen zur Ersten Juristischen Staatsprüfung und Bestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung verliehen wird, ist hingegen nach bayerischem Hochschulrecht nicht zulässig und wird von den Bayerischen Staatsministerien der Justiz sowie für Wissenschaft und Kunst auch nicht für sinnvoll erachtet". 

Aber: An der Uni Bayreuth soll es ab dem Wintersemester 2026/27 neben einem LL.B.- sowie einem Staatsexamensstudiengang auch einen LL.M-Studiengang geben, der zu 90 Prozent Staatsexamensinhalte enthält. Nimmt man also nach einem LL.B.-Abschluss ein Doppelstudium bestehend aus Staatsexamensstudium und LL.M.-Studium auf und beendet beide, hat man auch beide Abschlüsse. Fällt man durch das Staatsexamen durch, kann man immerhin noch den LL.M. beenden. "Integriert" wie in Lüneburg ist der LL.M. dann aber nicht.

Baden-Württemberg sträubt sich gegen Modularisierung

Bis heute tut sich neben Bayern aber auch das Land Baden-Württemberg schwer. Erst Ende 2024 wurde dort eine Regelung beschlossen, die den Fakultäten die Einführung eines integrierten Bachelors als Modellversuch ermöglicht – davon Gebrauch gemacht hat aber nur die Uni Konstanz, die verbleibenden drei Fakultäten Tübingen, Freiburg und Heidelberg nicht. Und das ausgerechnet in dem Bundesland, in dem die Uni Mannheim seit Jahren Vorreiter ist bei der Kombination von Staatsexamen und Bachelor. Der Grund für das Zögern der drei verbleibenden baden-württembergischen Jura-Fakultäten ist aber offenbar, dass eine große Umstellung des Systems von Scheinen zu Modulen nötig wäre.

"Bisher sind die rechtswissenschaftlichen Staatsexamensstudiengänge nicht überall gleichermaßen in den Bologna-Prozess, der zum gestuften System von akkreditierten Bachelor- und Masterstudiengängen geführt hat, eingebettet. Dies erfordert ein Umdenken und im Weiteren auch einen – je nach Modularisierungsgrad des jeweiligen Staatsexamensstudiengangs – nicht unerheblichen Ressourceneinsatz sowie eine Abstimmung mit dem Justizministerium", erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gegenüber LTO

Konkret bedeutet das etwa für Studierende an der Uni Konstanz, dass sie nicht automatisch wie nach dem NRW-Modell einen Bachelor bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen erwerben, sondern sich neben dem Staatsexamensstudiengang in einen extra Bachelorstudiengang "Deutsches Recht" einschreiben müssen. "Integriert" im Sinne des NRW-Modells in das Staatsexamensstudium ist der Bachelor also auch in Konstanz nicht.

Der baden-württembergische Landesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften hat diese Situation erst Anfang Juli in einem Statement kritisiert und fordert die Einführung des integrierten Bachelors nach dem NRW-Modell kraft Gesetzes. Sonst liefen dem Land die Jurastudierenden davon. 

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