Korrekturpraxis im Jurastudium

Gutes Feed­back ist so wichtig

von Sabine OlschnerLesedauer: 6 Minuten

Jedes Semester gibt es viele Klausuren und Hausarbeiten zu korrigieren. Nicht selten sind die Benotungen aber wenig hilfreich begründet. Das liegt teils am System der Korrekturpraxis – und dabei geht’s auch um Geld. 

Gut vorbereitet, eine solide Lösungsskizze und dann in der Klausur das Relevante kurz vor Ablauf der Bearbeitungszeit so gerade noch aufs Papier gekritzelt – das könnte gut werden, haben sich sicher die meisten Jurastudierenden schon ab und zu mal gedacht. Doch dann die Enttäuschung mit Blick auf den Klausurenaushang: wieder nur fünf Punkte. Was ist denn da schief gelaufen? 

Aufschluss darüber sollte eigentlich das Korrekturvotum zusammen mit den Bemerkungen am Rand der Klausurbearbeitung geben. Doch oft genug wird man als Jurastudentin oder -student daraus nicht schlau: "Verf. hat die Schwerpunkte nicht erkannt. […] Trotz der erheblichen Fehler noch 5 Punkte (ausreichend)". Bei derartigen Formulierungen fühlt man sich, als müsste man sich sogar noch glücklich über die Note schätzen. Das Verständnis dafür, was schief gelaufen ist, bleibt aber komplett auf der Strecke. 

Dabei kann man aus Fehlern bekanntlich lernen – wenn man sie denn deutlich aufgezeigt bekommt. Der Schlüssel zum Lerneffekt ist also Feedback. Wie ausführlich und fundiert die Rückmeldung von Korrekturassistentinnen und –assistenten im Jurastudium aber wirklich ausfällt, ist ganz unterschiedlich.

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"Manche nehmen ihre Aufgabe nicht wirklich ernst"

"Die Korrektur von Klausuren und Hausausarbeiten ist eine wichtige Aufgabe und die Anmerkungen sollten Jurastudierende weiterbringen", betont Nico Halkenhäuser. Als Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Zivilrechtslehrstuhl der Universität Mannheim liest er selber im Nebenjob Korrektur, vergibt aber auch Korrekturaufträge für den Lehrstuhl. "Leider gibt es immer wieder Korrekturassistent:innen, die ihre Aufgabe nicht wirklich ernst nehmen", bedauert er.  

Wenn man sich zu dem Thema in Jura-Foren umschaut und liest, wie manche an die Korrekturarbeit herangehen, wundert das nicht: Da werden schon mal 50 Klausuren in zwei Tagen bewertet oder pro Hausarbeit von 25 bis 30 Seiten gerade einmal 15 Minuten veranschlagt. Qualität sieht anders aus. Zum Vergleich: Halkenhäuser rechnet im Schnitt mit einer Stunde für eine Orientierungsklausur, für Hausarbeiten und Probeexamensklausuren bis zu zwei Stunden.  

"Wir erwarten Randbemerkungen und ein ausführliches Votum"

Ähnlich sieht es Niklas Köny, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität Trier. Er hat ebenfalls bereits zahlreiche Arbeiten korrigiert und ist als Co-Leiter des örtlichen Zentrums für juristische Examensvorbereitung (ZfjE) für die Verteilung der Aufgaben an die Korrekturassistentinnen und -assistenten zuständig. "Wir erwarten, dass eine Klausur oder Hausarbeit mit Randbemerkungen versehen und ein ausführliches Votum geschrieben wird, um die Note zu begründen", sagt Köny.  

Damit die Rückmeldungen möglichst einheitlich erfolgen, hat das ZfjE einen Korrekturbogen entwickelt, der den Korrigierenden bei der Arbeit helfen soll. "Darin ist zum Beispiel festgelegt, dass unter anderem der Stil, die Methode, klausurtaktische Aspekte und materiellrechtliche Inhalte bewertet werden sollen", erklärt Köny. Aber er weiß natürlich auch: "Die Korrektur einer juristischen Arbeit ist immer subjektiv, weil es selten ein Richtig oder Falsch gibt."

Klausurenkorrektur bedeutet Verantwortung

An der Universität Mannheim werden für bestimmte Klausurtypen Workshops und Anleitungen für Korrekturassistentinnen und -assistenten angeboten. "Hier lernen die Teilnehmenden, dass es darauf ankommt, sich das Gesamtwerk anzuschauen, etwa die Argumentationsfähigkeit, den Gutachtenstil und die juristische Methodik", erklärt Halkenhäuser. Außerdem erhalten die Korrigierenden für jeden Sachverhalt eine Lösungsskizze, um zu entscheiden, ob eine Argumentation eventuell anders ausgelegt werden kann.  

Professorin Dr. Angelika Siehr, Dekanin der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld betont, dass die korrigierte Klausur oder Hausarbeit keineswegs das einzige Feedback darstelle, dass die Studierenden erhalten. "Die Korrektur muss vielmehr immer im Zusammenhang mit der Besprechung des Übungsfalles durch die Professor:innen gesehen werden, die die Aufgabe gestellt haben." In der Regel werde den Studierenden im Anschluss an die Besprechung dann auch die Lösungsskizze oder zumindest die Powerpoint-Folien, die Grundlage der Besprechung waren, zur Verfügung gestellt, sagt Angelika Siehr.

Diese Aufgabe ist zugleich Verantwortung. Klausuren und Hausarbeiten zu bestehen, ist in der Regel notwendige Bedingung fürs Weiterkommen im Studium: ohne Grundstudium kein Hauptstudium, ohne Hauptstudium keine Anmeldung zum Examen. Auch wenn die Noten zu Beginn nicht examensrelevant sind, so sind sie doch wichtig, um etwa Nebenjobs als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl oder in einer renommierten Kanzlei zu ergattern. 

"Am Anfang kann diese Verantwortung belastend sein", weiß Halkenhäuser. Er kennt es von seiner Universität, dass man Korrekturaufträge auch ablehnen kann, wenn man den Verfasser oder die Verfasserin persönlich kennt. "Andererseits kann man Studierende mit einer fairen Bewertung vielleicht auch davor bewahren, etwas zu studieren, was ihnen gar nicht liegt."

Hohe Anforderungen an Korrekturleser

Damit die Korrekturen fachlich versiert sind, müssen Korrekturassistentinnen und -assistenten zumindest das erste Staatsexamen absolviert haben. "Voraussetzungen für die Tätigkeit sind ein mit mindestens ‘befriedigend’ abgeschlossenes erstes oder zweites juristisches Staatsexamen und gute Kenntnisse im jeweiligen Rechtsgebiet", sagt Angelika Siehr. "Eine Auswertung im Dezember 2021 ergab, dass die vertraglich gebundenen Personen durchschnittlich 8,52 Punkte im ersten Examen aufwiesen." Ähnlich handhaben es auch andere Universitäten. Eine Bewerbung ist meist formlos per E-Mail möglich, "Scans der Examenszeugnisse sind beizufügen", so die Professorin.  

Die Motivationen, aus denen heraus sich Leute für eine Korrekturassistenz bewerben, werden in Bielefeld nicht abgefragt. "Ich kann hier nur spekulieren", meint Siehr. "Neben dem Verdienstinteresse dürfte wohl vor allem auch eine Verbundenheit zur Universität beziehungsweise zur juristischen Ausbildung eine Rolle spielen." Köny etwa empfindet es als erfüllend, Studierende zu unterstützen. "Ich fand während meines Studiums gutes Feedback auf meine Arbeiten sehr wertvoll und möchte dieses Benefit gern an heutige Studierende weitergeben."  

Meist führen Referendare, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Doktoranden die Korrekturen im Nebenjob durch, hin und wieder bereits Berufstätige wie Anwälte oder Richterinnen. In der Regel erhalten erfolgreich Interessierte einen Werkvertrag und bestimmen selbstständig den Umfang ihrer Arbeit. Für die Versteuerung sind sie ebenfalls selbst verantwortlich. Es existiert allerdings ein jährlicher Freibetrag in Höhe von 3.000 Euro im Rahmen der sogenannten Übungsleiterpauschale.

Es geht auch um's Geld

Dass sich solch ein Nebenjob finanziell lohnt, ist selten der Fall. "Je nach Erfahrung kann es aber ein gutes Zubrot sein", sagt Köny. Das Entgelt, das pro Klausur oder Hausarbeit gezahlt wird, ist an jeder Universität unterschiedlich und bewegt sich meist zwischen sechs und 13 Euro, je nachdem, ob es sich um Ergebnisse aus einem Klausurenkurs, um Hausarbeiten oder um Orientierungsklausuren aus den ersten Semestern handelt.  

Dass bei solch einer geringen Vergütung manche nicht viel Sorgfalt auf die Korrektur verwenden, überrascht wenig. Um eine bessere Qualität zu erhalten, hat die Universität Mannheim ihre Korrekturassistentinnen und –assistenten gefragt, wie viel Zeit sie tatsächlich im Schnitt für die Bewertung einer Arbeit benötigen. "Auf dieser Grundlage wurde ein durchschnittlicher Stundensatz von 15 Euro festgesetzt", sagt Halkenhäuser.  

Auch die Universität Trier hat die Honorare angehoben. "Durch die Einführung digitaler Klausuren sparen wir Kosten für das Porto zum Versenden der Arbeiten", erklärt Köny. "Außerdem bewerten sich bei unseren Tandem-Klausuren die Studierenden gegenseitig, sodass für die übrigen Klausuren mehr Geld für Korrekturassistent:innen zur Verfügung steht." Ein weiterer Vorteil der digitalen Klausuren: Das oft leidige Problem der schlecht lesbaren Handschrift der Studierenden entfällt und die Korrigierenden können die Klausuren schneller bearbeiten.  

Setzen sich digitale Klausuren durch, könnte der Nebenjob als Korrekturassistentin oder -assistenz ggf. auch finanziell etwas attraktiver werden. Mehr Zeit, höhere Korrekturqualität? Schön wäre es. Denn Randbemerkungen und Voten müssen am Ende immer deutlich aufzeigen, wo die Fehler lagen und in welchem Bereich Jurastudierende ggf. noch einmal genauer einen Blick ins Lehrbuch werfen müssen. Denn ohne solch konstruktives Feedback bleiben die erwünschten Lerneffekte aus.

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