Referendariat bei der ARD

Wahl­sta­tion hinter der Kamera

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Wenn in der Tagesschau das Palais des Bundesgerichtshofs auftaucht, waren vielleicht sie am Werk: Referendare, die in der Redaktion "Recht und Justiz" der ARD während ihrer Wahlstation juristische Kenntnisse mit journalistischer Praxiserfahrung verbinden. Anna K. Bernzen ließ sich den Zusammenhang erklären.

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Dass der gutgläubige Erwerb kondiktionsfest ist, weiß der strebsame Jurastudent spätestens im vierten Semester. Die Otto Normalverbraucher dagegen wundern sich bloß, warum sie ihre Rasenmäher nicht zurückbekommen. Schachtelsätze, Substantivierungen, Fremdwörter: Die Juristensprache ist für den Durchschnittsbürger ebenso schwer zu verstehen wie manche Paragraphenkette. Wer seine Wahlstation im Referendariat in der Redaktion "Recht und Justiz" der ARD verbringt, arbeitet also nicht nur als Jurist und Journalist, sondern auch als Übersetzer. "Wir betreiben klassische juristische Arbeit, mehr sogar als an manchen anderen Stellen", versichert Frank Bräutigam. Der promovierte Volljurist absolvierte 2004 seine Wahlstation in der Redaktion und übernahm im Dezember 2010 ihre Leitung. Mit seinen Redakteuren berichtet er für die Nachrichtensendungen und Magazine der ARD. Sein Vorgänger Karl-Dieter Möller spannte erstmals auch Referendare in den Redaktionsalltag ein. "Für die Justizverwaltung zu Beginn nicht selbstverständlich", so Bräutigam. Der erste Referendar musste sich die Anerkennung noch erstreiten, heute sind die angehenden Juristen fester Bestandteil der kleinen Redaktion. In der geht es häufig um Verbraucherrecht, hat Felix Zimmermann beobachtet. Der ehemalige Student der Bucerius Law School in Hamburg war im Frühjahr 2010 als Referendar in der Redaktion tätig. Sein erster eigener Fernsehbeitrag führte ihn in die Verhandlungssäle des Bundesgerichtshofs. Dort urteilten die Richter über die Störerhaftung von W-Lan-Betreibern. Vor dem Dreh hatte Zimmermann sich in die juristischen Hintergründe eingearbeitet und überlegt, welche Filmaufnahmen dazu passen würden. Nach der Verhandlung interviewte er die Anwälte und Beteiligten. Zurück in der Redaktion unterstützte ihn ein Cutter bei der Bildauswahl. Auch den Text zum Film schrieb er selber. Eine Menge Arbeit, an deren Ende ein Film von eineinhalb Minuten stand. "Wenn man seinen eigenen Beitrag produziert, muss man öfter mal tief durchatmen", gibt Zimmermann zu.

Um kurz vor acht wird es noch mal hektisch

Trotz Hektik und Zeitdruck kurz vor der Sendung: Frank Bräutigam spannt die Referendare von Anfang an in den Redaktionsablauf ein. Sie führen die juristische Vorrecherche durch, sind vor Gericht präsent, wählen Bilder aus oder kontaktieren die Beteiligten eines Falls. Wenn sie sich bewähren, so wie Felix Zimmermann, dürfen sie am Ende auch ihre eigenen Beiträge drehen. "Ich achte darauf, den Referendaren examensrelevante Fälle zu geben", sagt Bräutigam. Wenn etwa Zuschauer sich mit rechtlichen Fragen an die ARD wenden, dürfen die Referendare diese oft beantworten. Und wenn sie Glück haben, wählt der Prüfer im Examen einen der Fälle, die sie für die ARD im Sitzungssaal mitverfolgt haben. Ganz so hold war Fortuna Felix Zimmermann nicht. Aber obwohl er keinen seiner Examensfälle begleitet hatte, profitierte er von der journalistischen Arbeit im Referendariat: "Ich habe gelernt, den Kern eines Falls herauszuarbeiten. Man muss den Sachverhalt und die Sprache für einen Beitrag – anders als im Examen – brutal vereinfachen, auch wenn einem das als Jurist zuerst weh tut." Frank Bräutigam merkte das vor allem in seinem Aktenvortrag während des Examens: "Als Journalist arbeitet man sich schnell in neue Sachverhalte ein. Das hilft, wenn man in einer Stunde zehn Seiten für die Präsentation vorbereiten muss."

Nicht nur juristische Kenntnisse mitbringen

Daher legt er bei der Bewerbung einerseits Wert auf gute juristische Kenntnisse, wobei "gut" nicht unbedingt "vollbefriedigend" heißen muss. Andererseits fordert Bräutigam auch journalistisches Engagement. Das müsse sich aber nicht in einem Beitrag in einer überregionalen Tageszeitung zeigen. Ein spannend geschriebener Artikel über einen Strafrechtsprozess in einer Kleinstadt reiche. Wer sich eine Bewerbung vorstellen kann, sollte die Unterlagen so früh wie möglich zusammensuchen: Bis Ende des Jahres 2012 sind die Referendarsposten bereits vergeben. Felix Zimmermann jedenfalls wird die Wahlstation weiterempfehlen. "Man kommt viel herum, mehr vielleicht als in einer klassischen Kanzlei", sagt er. Ein Vorteil sei auch, dass die Arbeit so abwechslungsreich sei: "Man lernt, sich schnell in verschiedenste Spezialgebiete einzuarbeiten." Besonders die Erfahrungen mit dem Mietrecht haben ihm für sein Examen geholfen. Auch die während des Studiums viel zitierten Hohen Gerichte, Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, kennenzulernen, hat ihn beeindruckt. "Früher hieß es immer: '…so der BGH'. Jetzt sitzt man plötzlich mit in den Verhandlungen und ist ganz nah an den Richtern dran. Dadurch versteht man die Entscheidungsprozesse besser." Eine Herausforderung war für den Hobbyfilmer dabei die Auswahl des passenden Filmmaterials: "Besonders zu Verbraucherthemen lassen sich schwer Bilder finden." Dennoch könnte sich Felix Zimmermann eine Zukunft als Fachjournalist für Rechtsthemen sehr gut vorstellen. Die meisten der ehemaligen Referendare der ARD-Redaktion ergreifen nach dem Examen jedoch klassische juristische Berufe. Das liege, so schätzt Frank Bräutigam, aber eher daran, dass der Markt nicht allzu groß sei. "Davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen. Auch wir brauchen Nachwuchs." Mehr auf LTO.de: Referendariat in einer Botschaft: Fremdsprachen und Flexibilität sind gefragt Universitäts-Repetitorien: An der richtigen Stelle gespart? Rechtsdidaktik: Nachsitzen in Theorie und Praxis

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