Eine nachdenklich blickende Frau vor einer modernen Skyline, die den Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart symbolisiert.
Als deutsche Anwältin in Dubai

"Vor wenigen Jahren habe ich noch gesagt, ich würde nie hierhin reisen"

Interview von Dr. Franziska Kring2025 M08 11, Lesedauer: 7 Minuten

Laura Kintzel ist als Volljuristin nach Dubai gegangen. Derzeit gründet sie ein Beratungsunternehmen. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam, wie schwierig Arabisch ist und wie sie die Menschenrechtslage dort beurteilt.

LTO: Frau Kintzel, Sie haben in Deutschland Jura studiert und beide Examina gemacht, sind dann aber nach Dubai gegangen. Weshalb?

Laura Kintzel: Für mich stand schon während des Studiums fest, dass ich im Ausland arbeiten möchte – die Frage war nur, wo. Fremde Sprachen und Länder haben mich schon immer interessiert. Ich bin in Deutschland geboren, aber unter anderem in England und Belgien aufgewachsen. Nach dem Jurastudium habe ich einen LL.M. in den Niederlanden gemacht. Direkt nach dem Referendariat habe ich mich dann bei einer deutschen Kanzlei in Dubai beworben – und wurde genommen.

Wieso haben Sie sich ausgerechnet für Dubai entschieden?

Schon im Studium habe ich mich auf das Gesellschaftsrecht spezialisiert und in diesem Umfeld wollte ich auch arbeiten. Dubai ist ein wirtschaftsstarker Standort mit einem unternehmerfreundlichen Umfeld. Viele größere Konzerne haben mittlerweile Niederlassungen in Dubai und viele Menschen kommen hierhin, um ein Unternehmen zu gründen. Für mich als Gesellschaftsrechtlerin eröffnet sich in Dubai dadurch ein großer Markt potenzieller Mandanten. 

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"Ich habe mit einem Kollegen ein Beratungsunternehmen gegründet"

Bis vor kurzem haben Sie bei einer deutschen Kanzlei in Dubai beraten. In welchen Bereichen waren Sie tätig?  

Ich war Legal Consultant im Gesellschaftsrecht. Dabei habe ich Mandanten bei der rechtlichen Strukturierung ihrer Geschäftsmodelle unterstützt, Gründungsprozesse begleitet und an der Umsetzung von Management-Entscheidungen mitgewirkt. Auch in der rechtlichen Begleitung von Transaktionen, Gesellschafterwechseln und Umstrukturierungen war ich involviert. 

Vor kurzem habe ich gemeinsam mit einem Kollegen das Beratungsunternehmen "LYNX Partners" gegründet. Auch wir werden weiterhin in diesen Bereichen tätig sein und primär zur Gründung von Unternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Deutschland beraten.

Welche Zusatzqualifikationen mussten Sie machen, um in Dubai zugelassen zu werden? 

Um als Legal Consultant zugelassen zu werden, musste ich meine deutsche Anwaltszulassung und meinen Lebenslauf einreichen und einen Eid ablegen, dass ich das lokale Recht wahren werde. Und ich muss im Jahr acht Kurse im Recht der VAE belegen. Vier davon sind vorgegeben, die anderen kann man frei auswählen. Wichtig ist aber, dass ich keine Anwältin bin, sondern Legal Consultant. Ich kann zwar im lokalen Recht beraten, aber nicht vor den Gerichten auftreten. Deshalb arbeiten wir mit externen Kanzleien zusammen.

"Alle, die mich kennen, wussten, dass ich keinen klassischen Juristenweg einschlage"

Ins Ausland zu gehen, ist ein großer Schritt. Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

Alle, die mich gut kennen, wussten von Anfang an, dass ich keinen klassischen Juristenweg einschlagen würde. Meine engsten Freunde und meine Familie haben mich in meiner Entscheidung bestärkt. Auf meinem Instagram-Kanal kamen dagegen überwiegend negative Reaktionen. Viele haben nicht verstanden, wie man als Frau nach Dubai ziehen kann. Ich wurde auch gefragt, ob ich dann ein Kopftuch tragen muss.

Und? Müssen Sie?

Natürlich muss ich kein Kopftuch tragen. Es gibt in einigen Behörden zwar Kleidungsregelungen, die gelten aber für Frauen und Männer. Man muss die Knie bedecken und die Ärmel müssen bis über die Ellenbogen reichen. Die Regelungen in Dubai sind aber noch liberaler als in anderen Emiraten.

Wie reagieren Sie auf die übrigen Kommentare?

Ich nehme solche Kommentare nicht persönlich, sie prallen an mir ab. Aber ich versuche, manche Themen aufzugreifen und darüber zu sprechen, wie das Leben hier wirklich aussieht. 

Tatsächlich habe auch ich vor wenigen Jahren noch gesagt, dass ich nie nach Dubai reisen würde, auch nicht als Touristin. Ich war der Meinung, dass Frauen hier weniger Rechte haben und nicht mit dem gleichen Respekt behandelt werden wie Männer. Als ich mich dann aber intensiver mit Dubai beschäftigt habe, habe ich festgestellt, dass die Darstellung in den Medien teilweise nicht stimmt.

"Als Frau fühle ich mich sehr sicher in Dubai"

Inwiefern?

Zum Beispiel hört man viel Negatives über die Frauenrechte in Dubai. Tatsächlich habe ich in beruflicher Hinsicht selten einen so respektvollen Umgang miteinander erlebt wie hier. In den vergangenen Monaten habe ich mit den verschiedensten Menschen zusammengearbeitet, etwa mit Geschäftsführern, Regierungsvertretern und Anwälten. Das waren Begegnungen auf Augenhöhe und zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass ich schlechter behandelt werde, weil ich eine Frau bin. Auch im privaten Alltag fühle ich mich in Dubai – im Vergleich zu vielen anderen Städten – sehr sicher. 

Sie sind jetzt seit etwa neun Monaten in Dubai. Was fasziniert Sie am meisten an der Stadt? 

Mich fasziniert die Internationalität. Hier leben zu 90 Prozent Ausländer, viele aus Pakistan, Bangladesch und Indien, aber auch viele Europäer. Diese Menschen kommen mit Visionen nach Dubai, sie wollen sich etwas aufbauen und bringen viel Eigeninitiative mit. Dadurch zeichnet sich die Arbeitskultur in Dubai aus. 

Im Alltag fasziniert mich, wie effizient alles funktioniert und wie gut alle Prozesse laufen. Es kommt nie eine Metro zu spät; die Krankenhäuser sind gut ausgestattet und modern. Man kann vieles innerhalb weniger Minuten digital erledigen, etwa Handwerker oder einen Arzt nach Hause bestellen. 

Natürlich haben wir auch in Deutschland ein halbwegs funktionierendes Gesundheitssystem, aber das ist nicht vergleichbar. In Dubai sieht man, was alles möglich ist und was vielleicht auch in Europa in den nächsten Jahren kommen wird.

"Dubai hat ein detailliertes und modernes Arbeitsrecht"

Dubai ist aber auch eine Stadt der Kontraste. Es gibt Luxus, es gibt viele reiche Menschen. Daneben gibt es aber auch viele Gastarbeiter, die auf Baustellen für einen niedrigen Lohn arbeiten und kaum über die Runden kommen. Wie erleben Sie das und wie gehen Sie damit um? 

Dubai ist eine Stadt mitten in der Wüste, die sich noch im Aufbau befindet. Es gibt viele Baustellen und dementsprechend auch viele Arbeiter aus Pakistan, Indien oder Bangladesch. Die Löhne der Arbeiter sind gering, aber höher als in ihren Herkunftsländern. Die Menschen kommen zum Arbeiten nach Dubai, bekommen Wohnungen gestellt, verdienen sicheres Geld und können dann Anteile zurück an die Familie überweisen. 

Man kann nicht alle Länder am Niveau der Arbeitnehmerrechte in Deutschland messen, aber auch die VAE haben ein Arbeitsrecht mit vielen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer. Als ich nach Dubai gekommen bin, musste ich ein von der Regierung vorgegebenes Training zu den Arbeitnehmerrechten absolvieren. In dem Kurs saß ich als einzige Europäerin mit 20 Bauarbeitern. Der Kurs hat mir erstmalig vor Augen geführt, dass Dubai tatsächlich ein detailliertes und modernes Arbeitsrecht hat.

Was ist darin zum Beispiel geregelt?

Man darf auch hier maximal acht Stunden am Tag arbeiten, im Sommer darf man in der Mittagszeit mehrere Stunden nicht im Freien arbeiten. Es gibt 30 Tage Urlaub im Jahr. 

Sehr interessant finde ich auch die Gehaltszahlung. Als Arbeitgeber zahlt man die Gehälter nicht direkt an die Angestellten, sondern alles läuft über ein zentrales behördliches System. Dort muss ein Arbeitgeber Angaben zu seinen Angestellten und deren Gehalt machen. Dann überweist er das Geld an die Behörde und über das System wird das Gehalt ausgezahlt. Wenn der Arbeitgeber das Geld nicht pünktlich an die Behörde zahlt, drohen Bußgelder. So haben die Angestellten eine Garantie, dass das volle Gehalt pünktlich gezahlt wird.

Sie sind sehr begeistert von der Stadt. Gibt es auch etwas, das Sie an Dubai nicht mögen?

Natürlich gibt es in einer internationalen Stadt wie Dubai Herausforderungen. Die Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Deshalb muss man eine gewisse Offenheit mitbringen, wenn man nach Dubai geht. Es gibt immer wieder Kommunikationsschwierigkeiten und die Arbeitsweisen unterscheiden sich. Darauf muss man sich einstellen und es braucht etwas Zeit, bis man sich zurechtgefunden hat. Aber für mich ist die Internationalität unglaublich wertvoll und bereichernd.

"Arabisch ist die sechste Sprache, die ich lerne"

In einer internationalen Stadt wie Dubai kommt man mit Englisch gut klar. Sie lernen jetzt trotzdem Arabisch. Wieso haben Sie sich dazu entschieden? 

Sprachen sind ohnehin meine Leidenschaft. Arabisch ist neben meiner Muttersprache Deutsch, Englisch, Französisch, Flämisch und Spanisch die sechste Sprache, die ich lerne. Für mich ist es auch eine Frage des Respektes. Wenn ich in ein fremdes Land ziehe – und ich bin ja oft umgezogen – möchte ich zumindest Grundkenntnisse der Sprache lernen. 

Wenn man in Dubai erfolgreich sein möchte, muss man viel Zeit und Energie in sein berufliches Netzwerk investieren – vielleicht sogar noch mehr als in Deutschland. Für mich spielt die Sprache beim Netzwerken eine große Rolle. Wenn man sich Mühe gibt und ein paar Grundlagen mitbringt, hat man einen ganz anderen Zugang zu den Menschen. Und teilweise sind viele Gesetze und behördliche Dokumente auch erst einmal in arabischer Sprache, bevor wir sie übersetzen lassen – da hilft es dann, wenn man zumindest ein bisschen versteht.

Sie haben gerade erst ein Unternehmen gegründet, lernen Arabisch und fühlen sich in Dubai offenbar wohl. Haben Sie vor, irgendwann nach Deutschland zurückzukehren?

Als ich das erste Mal in Dubai war, habe ich mir gedacht, dass es ein guter Karriereschritt wäre, hier anzufangen. Aber je länger ich hier bin, umso weniger möchte ich wegziehen. Aktuell gibt es für mich keinen Grund dazu, Dubai zu verlassen. Beruflich etablieren wir uns jetzt mit unserem Beratungsunternehmen, weshalb ich auf jeden Fall einige Jahre bleiben werde. 

Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch.

Laura Kintzel hat in Berlin und Amsterdam Jura studiert und das Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern gemacht. Nach dem zweiten Staatsexamen ging sie nach Dubai und arbeitete als Legal Consultant bei einer deutschen Kanzlei. Vor kurzem hat sie mit einem Kollegen das Beratungsunternehmen "LYNX Partners" gegründet.

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