Selbstpräsentation für Juristen

Der Körper spricht mit

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Ein Anwalt überzeugt mit Worten? Nicht nur. Auch die Körpersprache trägt viel dazu bei, wie der Jurist beim Gegenüber ankommt – sei es vor Gericht oder in der Kanzlei. 

"Man kann nicht nicht kommunizieren", stellte der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick fest. Das bedeutet: Es braucht nicht immer Worte, um eine Botschaft an sein Gegenüber auszusenden. Ein Großteil der Kommunikation verläuft nonverbal – also durch Mimik oder Gestik. Das trifft auch auf den Berufsalltag von Juristen zu. 

Das Gesagte wird immer begleitet durch die Körpersprache. Wer weiß, wie er Mimik und Gestik gezielt einsetzt, kann sich in so manch einer Situation Vorteile verschaffen. "Ein Jurist muss ein Chamäleon sein – er muss ständig in unterschiedliche Rollen schlüpfen", sagt Monika Matschnig. Beraterin für Körpersprache und Wirkungskompetenz. Zu ihren Kunden zählen unter anderem zahlreiche Juristen, die – je nach Situation – Professionalität, Überzeugungskraft oder Vertrauen ausstrahlen müssen.

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Die Haltung des Gegenübers spiegeln

Ein Beispiel: Ein Anwalt will einen neuen Mandanten gewinnen. Der Mandant hat ein Problem und sitzt vielleicht etwas bedrückt in der Kanzlei. "Da macht es für den Anwalt keinen Sinn, eine starke Körperhaltung einzunehmen, um den Mandanten damit beeindrucken zu wollen", erklärt Monika Matschnig. "Vielmehr sollte der Anwalt die Haltung des Mandanten spiegeln, um auf diesem Weg Vertrauen aufzubauen." Erst wenn es darum geht, dem Mandanten eine Lösung zu präsentieren, sollte sich der Anwalt wieder kraftvoll und selbstsicher zeigen, so die Körpersprache-Expertin.

Anders vor Gericht: Eine aufrechte Körperhaltung, ein fester Stand und Blickkontakt zeigen dem Gegner und dem Richter, dass der Anwalt präsent ist. Fahrige Bewegungen oder ausweichende Blicke weisen hingegen nicht unbedingt einen professionellen und selbstbewussten Verteidiger hin. "Wirkungskompetenz hat Sachkompetenz überholt – auch im rechtlichen Umfeld", ist Monika Matschnig überzeugt. "Die Fakten können noch so gut recherchiert sein. Aber wenn sie schlecht präsentiert werden, hat der Jurist schon verloren."

Erfahrene Richter bleiben unbeeindruckt

Dr. Tim Holthaus, Richter und Pressesprecher am Landgericht Essen, misst der Körpersprache keine so große Rolle bei: "Die Körpersprache eines Anwalts oder eines Staatsanwalts hat keinen Einfluss auf den Richterspruch. Als Richter macht man sich frei von der Art des Auftritts im Gerichtssaal." Laienrichter mit wenig Erfahrung ließen sich durch starke nonverbale Signale vielleicht noch eher beeindrucken, vermutet Holthaus. Anders sei es auch bei Vergleichsverhandlungen, bei denen es darum geht, eine gemeinsame Basis für eine Einigung zu schaffen. "Wenn hier der Vertreter einer Partei verbal, aber auch nonverbal aggressiv auftritt, ist es schwer, eine Einigung zu erreichen", so Holthaus‘ Erfahrung. 

Grundsätzlich spiele in Zivilprozessen die Körpersprache eine geringe Rolle, weil es da vor allem auf die schriftlichen Argumente ankomme, so der Richter. Im Strafprozess hingegen gilt der Inbegriff der mündlichen Verhandlung. "Da hat man auch als Richter Verständnis, wenn der eine oder andere Anwalt mit seinem Plädoyer den Mandanten oder auch die anwesenden Medienvertreter beeindrucken will. Einige Anwälte sehen dies als Teil ihrer Aufgabe an."

Die Zeichen des Gegenübers lesen

Nicht immer besteht Körpersprache aus großen Gesten. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die dem Gegenüber auffallen: Der Gesichtsausdruck verändert sich für einen kurzen Moment. Das Schlucken fällt schwer. Eine Hand wischt dauernd über die andere. 

Viele Signale, die der Körper zeigt, geschehen unbewusst und sind nicht kontrollierbar. "Sie können Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht in Ordnung ist", erklärt Monika Matschnig und betont gleichzeitig: "Ein einziges nonverbales Signal hat noch keine Aussagekraft. Es müssen schon verschiedene Zeichen vorkommen, bevor man wirklich misstrauisch werden sollte."

Gerade Anwälten rät sie, nicht nur die eigene Körpersprache zu kennen und anzuwenden, sondern auch die nonverbalen Signale von Gegnern im Gerichtssaal zu lesen. 

Videobild schluckt das Raumgefühl

Schwieriger wird es mit dem Lesen der Körpersprache in Zeiten wie diesen, in denen Videokonferenzen den Berufsalltag prägen und viele sich nur noch digital austauschen. "Durch das Videobild fehlt uns das Raumgefühl und damit das Gefühl für Nähe und Distanz", erklärt Auftrittscoach Heike Thiem. Meist sieht man bei Video-Calls nur das Gesicht des Gegenübers, das in Großaufnahme viel näherkommt, als man es bei echten Begegnungen zulassen würde.

"Wer über Videotechniken mit anderen spricht, muss sich bewusst sein, dass die Mimik viel mehr verrät als in Situationen, in denen der gesamte Körper zu sehen ist", sagt Heike Thiem. "Man sollte daher versuchen, seine Mimik der Situation anzupassen." Auch die Gestik ist im Video nur begrenzt sichtbar. Thiems Tipp für Menschen, die gern mit den Händen reden: Sie sollten sich weiter von der Kamera entfernen und am besten im Stehen sprechen, damit die anderen Teilnehmer auch die Bewegungen der Hände sehen. Sie betont: "Das Medium ist für die meisten recht neu, viele fühlen sich noch unsicher. Deshalb ist es wichtig, sich mit der Wirkung in Online-Meetings beschäftigen, damit die Botschaft auch so ankommt, wie es gewünscht ist." 

Zur Wirkung gehört auch die richtige Kleidung: Jackett statt Alltagspulli, Business-Rock statt Jogginghose. "Durch professionelle Kleidung verändert sich die Haltung. Das merkt das Gegenüber am Bildschirm." Und auch der Bildhintergrund sollte bewusst gewählt werden, "denn er stärkt uns visuell den Rücken", so die Auftritts-Expertin.

Egal ob online, im Gerichtssaal oder in der Kanzlei: Die Körpersprache muss zum Gesagten passen. Oft merkt man selbst nicht, wenn es hier Differenzen gibt. Daher empfiehlt Monika Matschnig, eine externe Person für Feedback hinzuzuziehen. "Dazu braucht es natürlich auch den Mut, sich selbst zu reflektieren. Gerade das fällt Anwälten, die gern andere analysieren, häufig schwer." 

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