"Manchmal hat der Mannschaftsbus mich am Landgericht Münster eingesammelt"
LTO: Herr Kintrup, Sie haben schon viele Jahre Handball gespielt, sind aber erst 2013, mit 24 Jahren, zum HBW Balingen-Weilstetten in die erste Bundesliga gewechselt. Wie kam das?
Dr. Michael Kintrup: Ich habe in Münster studiert und während dieser Zeit mit dem Team der Universität Münster regelmäßig auch an den Deutschen Hochschulmeisterschaften teilgenommen. Mein damaliger Trainer in Balingen, Dr. Rolf Brack, hat mich 2012 bei der Finalrunde in Leipzig noch einmal "entdeckt" und zwei Jahre lang immer wieder nachgefragt, ob ich mir nicht einen Wechsel nach Balingen vorstellen könne. Ich habe ihm aber zunächst gesagt, dass ich erst mein erstes Examen in der Tasche haben möchte. Das war dann im Jahr 2013 der Fall, deshalb habe ich ihm schließlich zugesagt. Ich war noch jung genug, um die Profi-Laufbahn zu versuchen.
Die Saison verlief aber leider nicht so wie geplant.
Nein, direkt zu Beginn meiner Zeit in Balingen hatte ich leider eine schwere Schulterverletzung. Parallel waren wir noch im Abstiegskampf. Und gerade in der ersten Bundesliga, der stärksten Liga der Welt, wird einem natürlich keine Spielzeit geschenkt. Gerade neben einem Kai Häfner, der damals noch in Balingen gespielt hat und mittlerweile über 150 Spiele für die Nationalmannschaft gemacht hat, war es schwer, auf Einsatzminuten zu kommen.
"Parallel zum Referendariat habe ich in der zweiten Liga gespielt"
Was haben Sie dann gemacht?
Nachdem meine Verletzung auskuriert war, habe ich weiter versucht, mich für Bundesligaeinsätze zu empfehlen. Bei der Kaderstärke war es aber schwer. Nach dem Jahr in Balingen habe ich mir dann überlegt, dass ich gerne das Referendariat am Landgericht Münster absolvieren möchte. So war ich auch wieder in der Nähe meiner Heimat. Ich bin dann zur HSG Nordhorn-Lingen in die zweite Liga gewechselt. So konnte ich dann beides parallel auf hohem Niveau machen, Handball in der zweiten Liga und Referendariat.
Wie schafft man es, neben dem Referendariat noch Handball auf Profi-Niveau zu spielen?
Grundbedingung ist zunächst ein erhebliches Entgegenkommen der Ausbilder im Referendariat. Ich hatte damals bis zu achtmal in der Woche Training in Nordhorn, teilweise auch Spiele unter der Woche. Zusammen mit zwei Mannschaftskollegen bin ich z.B. jeden Tag die gut 80 Kilometer zwischen Münster und Nordhorn gependelt. Die Ausbilder in den Stationen haben mir zum Glück die Flexibilität eingeräumt, um Arbeit, Krafttraining und Spiele unter einen Hut zu bekommen. Teilweise hat mich der Mannschaftsbus auch am Landgericht Münster eingesammelt.
Während des Referendariats sind Sie dann zum TuSEM Essen gewechselt.
Ja, ich habe meine schriftlichen Examensklausuren im August 2016 geschrieben und wollte noch einmal eine andere Herausforderung annehmen. Die Wahlstation habe ich dann bei Bird & Bird in Düsseldorf gemacht, habe aber noch in Münster gewohnt. Ich bin also viermal die Woche um halb sieben mit dem Zug nach Düsseldorf gefahren, habe bis 18 Uhr in der Kanzlei gearbeitet und war dann um 19 Uhr in Essen in der Trainingshalle. Zuhause in Münster war ich dann gegen Mitternacht.
"Mein Chef bei Kümmerlein war Ironman-Profi und hat viel mehr trainiert als ich"
Auch nach dem Examen haben Sie weiter Handball gespielt, parallel dazu angefangen, zu promovieren, und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei gearbeitet.
Ja. Ich hatte auch da aber das Glück, dass mein damaliger Chef Dr. Sebastian Longrée ehemaliger Ironman-Profi ist und noch viel mehr trainiert hat als ich. Deshalb hatte er viel Verständnis und hat es mir ermöglicht, weiterhin Handball im Profi-Bereich zu spielen.
Hatten noch andere Mitspieler weitere Jobs neben ihrer Handballkarriere?
Tatsächlich sind sehr viele Erstliga-Profis zweigleisig unterwegs und studieren oder machen eine Ausbildung. Zum Beispiel hatte Kai Häfner schon während seiner Zeit in Balingen ein abgeschlossenes Bachelorstudium. Auch viele skandinavische Profis kommen erst nach Deutschland, wenn sie ein Studium abgeschlossen haben. Jura ist vielleicht nicht der typische Studiengang für Profi-Handballer, aber ich kenne schon einige, die mittlerweile Volljuristen sind.
"Das Adrenalin fehlt schon"
Im März 2020 haben Sie sich dann entschieden, Ihre aktive Handballkarriere zu beenden. Anwalt sind Sie jetzt seit knapp sechs Jahren. War es eine große Umstellung für Sie, nicht mehr jeden Tag in der Halle zu sein?
Ich bin im Sommer 2018 nach Hamburg gezogen und habe dann zwei Jahre lang bei der HG Hamburg Barmbek in der Dritten Liga gespielt. Ich habe mein Pensum also stufenweise reduziert, von achtmal Training in der Woche und weiten Auswärtsfahrten in der zweiten Liga auf viermal die Woche Training und nicht ganz so weite Fahrten. Ich konnte mich also langsam darauf vorbereiten. Aber das Adrenalin fehlt schon.
Inwiefern helfen Ihnen Ihre Erfahrungen aus dem Profi-Handball denn bei Ihrer Anwaltstätigkeit?
Ich finde den Teamgedanken sehr wichtig. Man arbeitet auf ein gemeinsames Ziel hin und lernt, seine Rolle in einem größeren Team zu finden. Dabei hat man mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun, nicht nur mit den Mitspielern, sondern auch mit den Trainern, Physiotherapeuten und Ehrenamtlichen. Das ist in einer Großkanzlei ähnlich: Alle Zahnräder müssen ineinandergreifen, um den wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen.
Und man braucht natürlich viel Disziplin und ein gutes Zeitmanagement, um zum Beispiel den Mannschaftsbus rechtzeitig zu erwischen. Als Handballer lernt man auch, mit Stress umzugehen. Wer schon einmal in einer vollen Halle bei einem Derby war, weiß, was da für eine Lautstärke ist. Deshalb lasse ich mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen, wenn es in der Kanzlei hektisch wird.
"Bei den Schiedsverfahren spielt sich oft alles innerhalb von wenigen Wochen ab"
Sie sind im Bereich Streitbeilegung tätig, unter anderem im Sportrecht. Da muss es ja manchmal sehr schnell gehen.
Ja, ich führe staatliche Verfahren, aber auch Schiedsverfahren. Dabei bin ich teilweise als Parteivertreter tätig, manchmal aber auch als Schiedsrichter. Bei Sportschiedsverfahren spielt sich alles oft innerhalb von wenigen Wochen ab, gerade bei Lizenzstreitigkeiten. Wenn es um den Auf- oder Abstieg geht, muss für alle Beteiligten schnell Klarheit herrschen. Zum Beispiel war ich im vergangenen Jahr Schiedsrichter in einem Verfahren um die Lizenz des Handball Sportverein Hamburg. Aufgrund einer Liquiditätslücke hatte Hamburg erstmal keine Lizenz bekommen, der Zwangsabstieg in die vierte Liga drohte. Schließlich haben wir dem Verein dann aber die Lizenz erteilt – unter der Bedingung, dass Hamburg eine Sicherheitsleistung an die Handball-Bundesliga zahlt.
Was fasziniert Sie am Sportrecht?
Die Vielseitigkeit. Man beschäftigt sich mit vielen verschiedenen Rechtsgebieten, etwa Kartellrecht, Vereinsrecht, Steuerrecht, aber auch mit dem gewerblichen Rechtsschutz, der häufig durch die Vermarktungsrechte berührt ist. Ich mag auch, dass das Sportrecht so international ist. Man lernt Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt kennen und reist viel. Vieles spielt sich z.B. auch vor dem Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne ab.
"Irgendwann möchte ich einen Ironman absolvieren"
Treiben Sie noch Sport?
Ja, ich halte mich auf jeden Fall mit Krafttraining und Laufen fit. Aber ich setze mir natürlich weiterhin Ziele: Ich möchte auch gerne mal den Ironman erfolgreich absolvieren, also 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einen Marathon laufen. Für uns Handballer ist das wohl eher untypisch, aber mich reizt der Ironman.
Die letzte Frage liegt auf der Hand: Welchem Handballverein drücken Sie die Daumen?
Ich verfolge sehr aufmerksam, was meine ehemaligen Vereine machen, seien es Gladbeck im Ruhrgebiet oder Nordhorn, Essen und Balingen in der Zweiten Liga. Ich hoffe sehr, dass Balingen den Aufstieg in die Bundesliga schafft, auch wenn das schwierig wird. Der Verein leistet eine unfassbare Jugendarbeit und die ganze Stadt lebt den Handball. Ein solcher Verein tut der Bundesliga gut.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Michael Kintrup ist Senior Associate bei Osborne Clarke in Hamburg. Als Handballprofi hat er zwischen 2013 und 2018 für den HBW Balingen-Weilstetten, die HSG Nordhorn-Lingen und TuSEM Essen aktiv.
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