Partnerinnen in Großkanzleien: Dr. Sandra Urban-Crell

"Ich handele nicht wie ein Mann, sondern ich handele wie ich"

Ein Interview mit Sandra Urban-CrellLesedauer: 6 Minuten
Drei Frauen, drei Lebenswege, eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind Partnerin in einer Großkanzlei. Wir haben sie nach ihrem persönlichen Erfolgsrezept gefragt und nach den Hürden, die sie auf  ihrem Weg an die Spitze überwinden mussten. Im ersten Teil unserer Serie: Dr. Sandra Urban-Crell, Arbeitsrechtlerin bei McDermott Will & Emery und junge Mutter.

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LTO: Frau Dr. Urban-Crell, Sie sind zur Partnerin bei McDermott, Will & Emery ernannt worden und später in Mutterschutz gegangen. Wäre das auch umgekehrt möglich gewesen? Wären Sie also auch Partnerin geworden, wenn Sie bereits ein Kind hätten? Urban-Crell: Diese Frage lässt sich im Konjunktiv formuliert eigentlich schwer beantworten. Für unsere Kanzlei kann ich sie aber uneingeschränkt mit "Ja" beantworten. Ich bin nicht die einzige Mutter, die zugleich Partnerin ist. Auch eine Kollegin, zweifache Mutter, wurde unlängst zur Partnerin ernannt. LTO: Bietet Ihre Kanzlei auch Teilzeitmodelle an? Gibt es bei Ihnen so genannte Teilzeit-Partner? Oder gar Möglichkeiten, Kinder betreuen zu lassen? Urban-Crell: Institutionalisierte Teilzeitmodelle – nennen wir sie mal so – haben wir nicht, auch keine Kinderbetreuungseinrichtungen. Was wir selbstverständlich unterstützen, sind individuelle Lösungen. Ich denke, das berücksichtigt die einzelnen Belange noch besser und ist daher vorzugswürdig. Sowohl bei den angestellten Anwälten als auch bei den Partnern handhaben wir dies so. Wenn ein Kollege mit dem Wunsch nach Teilzeit auf die Partnerschaft zukommt, überlegen wir gemeinsam, wie wir diesen Wunsch am besten umsetzen. Wir stehen individuellen Teilzeitlösungen sehr aufgeschlossen gegenüber, weil wir das in der heutigen Zeit für sehr wichtig halten. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird heutzutage sehr viel häufiger gestellt, schon im Vorstellungsgespräch eines Berufsanfängers. Eine Kanzlei sollte dies fördern, um auch für hochqualifizierte Bewerber mit Familie oder Familienwunsch ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

Erst der Berufswunsch, dann die Familienplanung

LTO: Wie werden Sie Ihr Leben in Zukunft managen? Sie sind ja nicht nur Partnerin im Arbeitsrecht, sondern haben auch einen Lehrauftrag an der FH Köln und veröffentlichen viel. Muss Ihr Partner Hausmann sein, um all das mit einer Elternschaft zu verbinden? Urban-Crell: (lacht) Glücklicherweise nicht, das wäre auch nicht gut für die Beziehung. Wir sind beide flexibel, sowohl mein Mann als auch ich arbeiten vorübergehend etwas weniger. Dabei haben wir allerdings auch das Glück, dass wir Betreuungsmöglichkeiten im familiären Umfeld zurückgreifen können. Das macht alles sicherlich leichter. Allerdings weiß ich, dass auch Kolleginnen sehr gut zurecht kommen, die externe Betreuungseinrichtungen nutzen. Das ganze funktioniert mit Kinderfrau oder Tagesbetreuung genauso gut. LTO: Haben Sie Ihre Karriere geplant? Und warum in der Großkanzlei und nicht zum Beispiel der jedenfalls auf dem Papier einfachere Weg in einer Behörde? Urban-Crell: Wenn man diese Entscheidung trifft, muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies zwei völlig unterschiedliche Arbeitsweisen sind. Sicherlich sind viele der Meinung, dass der öffentliche Dienst für die Familienplanung besser ist. Für mich hat sich die Frage allerdings nie gestellt, weil mir schon früh klar war, dass ich eine beratende und gestalterische Tätigkeit ausüben möchte - eben die Anwaltstätigkeit. Ich denke aber auch, dass es ein Trugschluss ist, zu glauben, dass der öffentliche Dienst der einfachere Weg ist. Wenn man dort ambitioniert und ehrgeizig die eine oder andere Stufe mehr nehmen möchte, wird man auch im öffentlichen Dienst keine 35-Stunden-Woche haben. Ich persönlich finde ohnehin, man sollte die Familienplanung bei der Berufswahl nicht überbewerten. Man kann im Rahmen seiner beruflichen Entwicklung auch später immer noch entscheiden, ob man im gewählten Umfeld seine familiären Pläne verwirklichen kann oder nicht. Hier sollte man nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen.

Wer sich selbst treu bleibt, kommt am Besten an

LTO: Inwieweit hängt die Machbarkeit Ihres Jobs mit dessen Inhalt zusammen? Wäre es im Bereich M & A schwieriger als im Arbeitsrecht? Urban-Crell: Pauschal lässt sich das schwer sagen. Sicher kann man aber für alle Bereiche feststellen, dass von beiden Seiten eine gewisse Flexibilität erforderlich ist. Ohne diese geht es nicht. Nach meiner Erfahrung gilt dies nicht nur im M&A-Bereich, sondern ebenso im Arbeitsrecht. Bei wichtigen Terminen, dringenden Angelegenheiten oder zeitsensiblen Transaktionen erwarten unsere Mandanten zu Recht, dass ihr persönlicher Berater erreichbar ist. Niemand wird dies unter Hinweis auf seinen "freien Tag" ablehnen. Bei größeren Projekten ist dies aber häufig für den "Teilzeit-Anwalt" kein Problem. Wir arbeiten in allen Bereichen sehr gut in Teams zusammen. Ist jemand verhindert, kann zumeist ein mit der Sache vertrauter Kollege einspringen. LTO: Arbeiten Sie und Ihre Kolleginnen "wie ein Mann"? Urban-Crell: (lacht) Was heißt denn "wie ein Mann" arbeiten? Wenn Sie das rein zeitlich und vom Einsatz her betrachten, meine ich, darf man da keine Unterschiede machen. Der Mandant will gute Leistung und gute Beratung, egal ob von einem Mann oder einer Frau. Es mag sein, dass Frauen an gewisse Themen anders herangehen, unter Umständen eine etwas empathischere Arbeitsweise haben, oder auch mehr Soft Skills einbringen. Aber wenn man "wie ein Mann" arbeiten würde, würde frau die Vorteile, die sie hat, sofern man sie als solche erkennt, in der Kommunikation zum Mandanten oder zur gegnerischen Partei verleugnen. LTO: Das wäre auch meine nächste Frage gewesen: Es kann ja durchaus sinnvoll sein, bestimmte, dem weiblichen Geschlecht eher zugeschriebene Charaktereigenschaften produktiv einzusetzen statt alles dafür zu tun "wie ein Mann" zu arbeiten…   Urban-Crell: Ja, ich halte das für richtig und wichtig. Wenn die Arbeitsweise nicht dem eigenen Naturell entspricht, wenn man versucht, sich zu verstellen, bezweifele ich, dass das mehr Erfolg hat. Und auf Dauer wäre das wohl auch sehr anstrengend. Für mich nehme ich in Anspruch: Ich handele nicht wie ein Mann, sondern ich handele wie ich. So kommt es auch bei den Mandanten und Kollegen am Besten an. LTO: Haben Sie sich jemals wegen Ihres Geschlechts "diskriminiert" gefühlt? Urban-Crell: Ganz kurze Antwort: Nein. LTO: Stichwort "gläserne Decke": Anders als viele Ihrer Geschlechtsgenossinnen haben Sie den Sprung von der mittleren zur höheren Führungsebene geschafft. Was haben Sie anders gemacht? Urban-Crell: Das ist schwer zu beantworten. Sicherlich gibt es mehrere Punkte, die Einfluss auf eine Beförderungsentscheidung haben, auch hinsichtlich einer möglichen Partnerschaft. Das gilt aber nicht nur für Kanzleien, sondern auch für andere Unternehmen. Ich vermute, dass es in einigen Unternehmen oder gewissen Branchen immer noch Vorbehalte gegenüber Frauen in den Führungsetagen gibt. Da zeigt sich dann die "gläserne Decke" dadurch, dass Frauen als hochqualifizierte "Sachbearbeiterin" tätig werden, aber eben auch nicht mehr.

Bei der Einstellung entscheidet am Ende das Bauchgefühl

Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass es bei der einen oder anderen Kollegin vielleicht auch fehlende Bereitschaft oder fehlender Mut ist, den "einen Schritt mehr" zu machen. Auf dem Weg zu einer Partnerschaft muss man sich schließlich auch durchsetzen können. Viele entscheiden sich dann schon aus diesem Grund gegen die weitere Karriere. Pauschal kann man das aber natürlich nicht beantworten - wie gesagt, es sind oft mehrere Punkte entscheidend. Für unsere Kanzlei kann ich aber guten Gewissens sagen, dass es diese "gläserne Decke" nicht gibt. Wer bei uns als Frau etwas erreichen möchte, wird das – mit dem nötigen Einsatz – auch schaffen. LTO: Bei gleicher Qualifikation zweier Associates: Stellen Sie die Frau oder den Mann ein?
Urban-Crell: Entscheidend sind in solchen Situationen die Soft Skills und die Frage, ob die Chemie stimmt. Das findet man im Vorstellungsgespräch und eventuell einem gemeinsamen Essen schnell heraus. Ich muss das Gefühl haben, dass die Bewerberin oder der Bewerber gut in das Team passt, das ist unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Letztlich entscheidet also bei identischen Qualifikationsvoraussetzungen das Bauchgefühl. Dann ist es egal, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. LTO: Ohne diese Frage geht es derzeit nicht: Braucht Deutschland die Frauenquote? Urban-Crell: Ich denke eher nein, und zwar aus einem einfachen Grund: Wer aufgrund einer Quote quasi zwangsweise befördert wurde, wird tendenziell mit vielen Vorbehalten kämpfen müssen und einen schweren Stand haben. Ich bezweifele, dass sich Frauen damit einen Gefallen tun. LTO:  Frau Dr. Urban-Crell, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Das Interview führte Daniel Schneider.

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