BGH zu Zusatzbezeichnungen für Anwälte

Zwei Fälle machen noch keinen "zer­ti­fi­zierten Tes­ta­ments­voll­st­re­cker"

von Martin W. HuffLesedauer: 5 Minuten
Der Anwaltsmarkt ist hart umkämpft, Zusatzqualifikationen sind ebenso begehrt wie umstritten. Der "zertifizierte Testamentsvollstrecker" ging nun bis nach Karlsruhe – und wurde dort kassiert. Die Bezeichnung und Verleihung an sich beanstandete der BGH allerdings gar nicht. Das Urteil ist damit weit mehr als eine Einzelfallentscheidung, meint Martin W. Huff.

Anzeige

Rechtsanwälte müssen sich auf dem umkämpften Markt der Rechtsdienstleistungen zunehmend gegen Wettbewerber behaupten. Dabei treten nicht mehr nur Rechtsanwälte als unmittelbare Konkurrenten auf, sondern auch Dienstleisterangebote von Nichtanwälten nehmen zu. Ein Weg, nicht nur mit der klassischen Fachanwaltsbezeichnung die eigene Kompetenz und Dienstleistung, herauszustellen, ist es seit einiger Zeit, auch mit Zusatzbezeichnungen zu werben. Umstritten ist in diesem Bereich vieles, immer wieder gibt es Ärger zwischen Kammern und Mitgliedern. Über eine der umstrittenen Fragen hatte nun der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden: Die Bezeichnung als "zertifizierter Testamentsvollstrecker" ist nicht per se rechtswidrig. Das soll allerdings nur dann gelten, wenn ihr Träger auch tatsächlich über eine gewisse praktische Erfahrung im Bereich der Testamentsvollstreckung verfügt.

Von Dekra bis Prädikatsanwalt: Was geht und was nicht mehr

Zulässig ist die Bezeichnung "Mediator". § 7a der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) sieht dies ausdrücklich vor, wenn eine anerkannte Ausbildung durchlaufen wurde, auch wenn deren Voraussetzungen im Einzelnen weiterhin umstritten sind. Als gescheitert können hingegen wohl die Versuche der Dekra angesehen werden, mit der "Dekra-Zertifizierung für Juristen" und einem Prüfsiegel in den Markt vorzudringen. Das Landgericht (LG) Köln (Urt. v. 03.2.2009, Az. 33 O 353/09) hatte dieses Prüfsiegel als irreführend angesehen und auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln war in der mündlichen Verhandlung (6 U 38/09) der gleichen Auffassung. Ein erneuter Versuch unter geänderten Bedingungen misslang ebenfalls vor dem LG Köln (Urt. v. 26.11.2009, Az. 31 O 607/09) und schließlich stellte die Dekra ihre Versuche ein. Auch die Initiative der "Prädikatsanwälte" ist vom Markt verschwunden, nachdem das OLG Nürnberg es Anwälten mit einem Prädikatsexamen untersagte, sich als ebensolche zu bezeichnen (OLG Nürnberg, Beschl.v. 13.07.2009, Az. 3 U 525/09).

Zertifizierter Testamentsvollstrecker ohne praktische Erfahrung?

In das Fahrwasser dieser Auseinandersetzung geriet auch die Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V. (AGT) in Bonn. Sie verleiht die Bezeichnung "zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" an Rechtsanwälte, die bei ihr eine durchaus umfangreiche theoretische Ausbildung als Testamentsvollstrecker durchlaufen haben. Allerdings werden dazu keine praktischen Erfahrungen wie etwa der Nachweis erfolgter Testamentsvollstreckungen verlangt, sondern die Verleihung des Zertifikats setzt nur eine mindest zweijährige Zulassung als Rechtsanwalt voraus. Bei anderen Berufsgruppen (Bankangestellte/Bestatter) handhabt die AGT dies anders. Gleich mehrere Rechtsanwaltskammern waren gegen diese Zertifizierung vorgegangen, weil sie darin einen Verstoß sowohl gegen § 5 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbwerb (UWG) als auch gegen § 7 Abs. 1 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) sahen. Mit dem "Zertifikat" werde der Eindruck erweckt, dass sowohl besondere theoretische als auch praktische Erfahrungen im Zeitpunkt der Verleihung des Zertifikats vorlägen, was tatsächlich nicht  der Fall sei. Die Anwaltsgerichtshöfe sowohl in Niedersachsen (AGH Niedersachsen, Beschl. v.12.01.2009, Az. AGH 23/08) als auch in Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 07.01.2011, Az. 2 AGH 36-38/10) teilten bislang diese Auffassung. Eine Entscheidung des BGH wurde daher mit Spannung erwartet. Die Karlsruher Richter hatten in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren der Rechtsanwaltskammer Nürnberg zu entscheiden, nachdem die beiden Vorinstanzen gegenläufig entschieden hatten.

BGH: Zwei Fälle machen noch keinen Testamentsvollstrecker

Der BGH (Urt. v. 09.06.2011, Az. I ZR 113/10) hat nun die Ansicht des OLG Nürnberg gestützt, das die Werbung in der bisherigen Form als Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht und das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot sah. Auch ohne Kenntnis der Urteilsgründe, die bisher noch nicht vorliegen, kann der Entscheidung wohl entnommen werden, dass es einem Rechtsanwalt grundsätzlich erlaubt ist, sich als "Testamentsvollstrecker" zu bezeichnen. Denn es handele sich hier nicht um eine besondere Berufszeichnung, sondern um eine Tätigkeitsbeschreibung, so der I. Zivilsenat.  Auch gehe der Rechtsverkehr nicht davon aus, dass es sich bei der Bezeichnung mit dem Zusatz AGT um eine "amtliche Verleihung" handelt. Dass dies nicht so ist, sei dem Verbraucher schon klar. Aber auch die Karlsruher Richter hatten Bedenken, weil der "zertifizierte Testamentsvollstrecker" keinerlei praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung nachweisen muss. Wer als Rechtsanwalt mit dieser  Bezeichnung werbe, der erwecke den Anschein, neben einer theoretischen Ausbildung auch praktische Erfahrungen nachweisen zu können. Jedenfalls die zwei abgewickelten Testamentsvollstreckungen, auf welcher der die Bezeichnung führende Advokat aus Nürnberg  sich berief, reichten dazu nicht aus, so die Bundesrichter. Es muss also mehr hinzukommen. Denn, so hatten die meisten Anwaltskammern argumentiert, ein Zertifikat impliziere auch die Prüfung der praktischen Tätigkeit. Nur dann, wenn auch diese Gegenstand der Zusatzausbildung sei, könne man über solche Bezeichnungen diskutieren.

AGT will die Bezeichnung noch nicht aufgeben

Rechtsanwalt Eberhard Rott aus Bonn, Vorsitzender der AGT, erklärte zu der Entscheidung gegenüber LTO: "Wir sehen nach wie vor das starke Bedürfnis, auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung für eine Qualitätssicherung zu sorgen und somit dem Rechtsverkehr eine verlässliche Grundlage für die Auswahl eines Testamentsvollstreckers zu geben. Das gilt  insbesondere, nachdem der BGH mit seinem Urteil vom 11. November 2004 (Az. I ZR 213/01) jedem erlaubt hat, als Testamentsvollstrecker aufzutreten." Wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, will Rott prüfen, wie der Verein die Rechtsauffassung des BGH in die AGT-Zertifizierung umsetzen kann. "Wir werden das auch am 8. November 2011 auf dem Deutschen Testamentsvollstreckertag intensiv diskutieren", so der Vorsiteznde. Er hofft, dass bis zu diesem Zeitpunkt die schriftlichen Gründe der Entscheidung des BGH vorliegen, um auf einer sicheren Grundlage zu entscheiden, wie es mit dem Zertifikat weitergeht. Aufgeben will die AGT die Bezeichnung noch nicht. Die Entscheidung wird insgesamt dafür sorgen, dass innerhalb der Anwaltschaft weiter heftig diskutiert wird, mit welchen "Zusatzbezeichnungen" ein Rechtsanwalt außerhalb der Fachanwaltschaften werben darf. Und es wird auch zukünftig im Raum stehen, ob solche Bezeichnungen nur von den Kammern verliehen werden dürfen oder auch von anderen Einrichtungen. Für Letzteres gibt die  Pressemitteilung des BGH durchaus erste Anhaltspunkte. Bis auf Weiteres wird es also dem Verbraucher obliegen, bei Zusatzbezeichnungen genau hinzusehen, woher sie kommen und was für die Verleihung der Bezeichnung verlangt wurde. Der Autor ist Rechtsanwalt und Journalist und kommentiert unter anderem im Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, die Vorschriften der § 43 b BRAO und § 7 BORA. Mehr auf LTO.de: BGH: Anwalt ohne einschlägige Praxiserfahrung kein "zertifizierter Testamentsvollstrecker" Zusatzbezeichnungen für Anwälte: Machen 60 Stunden einen Mediator? Fortbildungsnachweise: Mit Wissen werben

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Anwaltsberuf

Verwandte Themen:
  • Anwaltsberuf
  • Testamente

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter