Zusatzbezeichnungen für Anwälte

Machen 60 Stunden einen Mediator?

Martin W. HuffLesedauer: 3 Minuten
Die EU fördert die Mediation, die BORA sieht vor, dass ein Anwalt sich unter bestimmten Voraussetzungen als "Mediator" bezeichnen darf. Doch wie muss die Ausbildung aussehen und wie viele Stunden sind notwendig? Martin W. Huff über eine Auseinandersetzung zwischen der RAK Berlin und dem Anbieter einer Mediationsausbildung über die erforderliche Stundenzahl.

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Vor wenigen Tagen hat das Bundesjustizministerium seinen Entwurf zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie vorgelegt. Damit wird die Mediation als Möglichkeit der Streitschlichtung weiter gefördert.

Die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) trifft schon seit Jahren in § 7a BORA Aussagen über die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Mediator. Dort heißt es kurz und unpräzise: "Als Mediator darf sich bezeichnen, wer durch eine geeignete Ausbildung nachweisen kann, dass er die Grundsätze des Mediationsverfahrens beherrscht".

Schon seit langem gibt es in den Kommentierungen zu dieser Vorschrift Bedenken: Ist diese Vorschrift mit Art. 12 GG in Einklang zu bringen? Ist sie überhaupt erforderlich? Und kann nicht das Ziel, mit der wahren Aussage werben zu dürfen, man sei "Mediator", mit dem Wettbewerbsrecht erreicht werden?

Doch solange die Vorschrift nicht für rechtswidrig oder verfassungswidrig erklärt worden ist, gilt sie weiter und ist auch anzuwenden.

Die Voraussetzungen: Weniger als der Fachanwalt, in der Regel 90 Stunden

Die Ausbildung zum "Mediator" bieten verschiedene Institute und Universitäten von der Deutschen Anwaltsakademie über die Centrale für Mediation des Otto-Schmidt-Verlags bis bin zur Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder an. Die Lehrgänge vermitteln die Bedeutung von Mediation, aber auch die Techniken, die man beherrschen muss, um diese Dienstleistung sinnvoll anbieten zu können.

Doch wie lang, wie intensiv muss die Ausbildung sein? Ging Ende der neunziger Jahre eine Arbeitsgruppe der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) noch von 200 Stunden aus, so hat sich diese Stundenzahl mittlerweile reduziert. Die meisten regionalen Kammern sehen es als ausreichend an – und nehmen die Rechtsanwälte dann auch in ihre oft im Internet veröffentlichten Mediatorenliste auf - wenn sie eine Ausbildung von 90 Stunden absolviert haben.

Dies ist zwar weniger als bei der Fachanwaltsausbildung mit mindestens 120 Stunden, erscheint aber vielen Experten, so auch dem Berliner Rechtsanwalt und Mediator Michael Plassmann als Vorsitzendem des BRAK-Ausschusses "Außergerichtliche Streitbeilegung", als ausreichend. Nur unter 90 Stunden, so hat es etwa auch der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln beschlossen, darf ein Rechtsanwalt nicht gehen, wenn er sich als "Mediator" bezeichnen will. Denn ansonsten sei eine vernünftige Ausbildung nicht gewährleistet.

Stundendumping: In nur 60 Stunden zum Mediator?

Jetzt versucht ein Anbieter, die Stundenzahl nach unten zu schrauben. Das Deutsche Familienrechtsforum e.V. aus Stuttgart warb im Mai 2010 unter anderem im "Berliner Anwaltsblatt" mit einer "Mediationsausbildung gem. § 7a BORA", die in nur 60 Stunden absolviert werden könne. In der Werbung wird behauptet, schon mit 60 Stunden würden die Voraussetzungen des § 7a BORA erfüllt.

Gegen diese Werbung ist jetzt die Rechtsanwaltskammer Berlin vorgegangen und hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die das Landgericht (LG) Berlin mit Beschluss vom 27.7.2010 (Az. 16 O 284/10 – noch nicht veröffentlicht) auch erließ. Dadurch wird dem Deutschen Familienrechtsforum untersagt, für die Ausbildung mit den Bezeichnungen "Mediationsausbildung gem. § 7a BORA" oder "Mediatoren-Intensiv-Ausbildungslehrgang gem. § 7a BORA" zu werben.

Die Berliner Richter vertreten in ihrem Beschluss die Auffassung, dass das Forum über ein wesentliches Merkmal seines Lehrgangs täuscht. Denn die Rechtsanwälte verstünden das Angebot so, als dürften sie nach dem Lehrgang den Titel "Mediator" nach § 7a BORA führen. Dies sei aber bei den meisten Rechtsanwaltskammern gerade nicht der Fall. Vielmehr müssten es mindestens 90 Stunden sein.

Es ist zu erwarten, dass dieser Rechtsstreit die Gerichte noch weiter beschäftigen wird, die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Fraglich ist, ob die Anwaltschaft sich mit einer Ausbildung von wenigen Stunden einen Gefallen tut oder ob die Absenkung des Niveaus beim Publikum nicht eher negativ ankommt.

Die Auseinandersetzung ist aber auch ein Zeichen dafür, dass viele Rechtsanwälte besondere Zusatzbezeichnungen erwerben möchten, um am Markt bestehen zu können. Viele solcher Bezeichnungen – wie etwa der "zertifizierte Testamentsvollstrecker" (verliehen ohne den Nachweis praktischer Erfahrungen) oder die "Dekra-Zeritifizierung" sind bisher allerdings  – beanstandet und untersagt worden.

Der Autor Martin W. Huff ist Wirtschaftsjurist und Rechtsanwalt in Leverkusen. Er hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen zu berufsrechtlichen Themen verfasst.

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Thema:

Mediation

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