Anwalts-AG

Wenig geliebt trotz schönen Scheins

von Jörn HeinemannLesedauer: 3 Minuten
Rechtsanwälte können sich in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft zusammenschließen. Obgleich das Schrifttum diese Rechtsform seit einigen Jahren propagiert, haben bislang nur wenige Rechtsanwälte eine solche Anwalts-AG gegründet. Eine Entscheidung des LG Lüneburg bestätigt den Verdacht, dass bei der Wahl dieser Rechtsform oft berufsfremde Überlegungen im Vordergrund stehen.

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Die vom Gesetzgeber im Gegensatz zur Anwalts-GmbH bewusst nicht geregelte Anwalts-AG wurde zunächst vom BayObLG im Jahr 2000 registerrechtlich anerkannt und vom BGH im Jahr 2005 in Hinblick auf einzelne Satzungserfordernisse ausgestaltet. Die jüngste Mitgliederstatistik der BRAK zum 1.1.2010 weist bundesweit 20 Anwalts-AG in 7 Kammerbezirken aus, eine Abfrage des Unternehmensregisters vom 6.4.2010 (Firmenname: Rechtsanwalt; Rechtsform: Aktiengesellschaft) ergab die Eintragung von 18 Anwalts-AGs bei 11 Registergerichten. Damit ist die Anwalts-AG deutlich weniger verbreitet als die Anwalts-GmbH, von denen immerhin 401 in der BRAK-Mitgliederstatistik erfasst sind.

Diskrepanz zwischen Rechtswirklichkeit und Schrifttum

Die geringe Nachfrage an dieser Rechtsform zur gemeinsamen anwaltlichen Berufsausübung steht in einem auffälligen Missverhältnis zum ausufernden berufsrechtlichen Schrifttum, das sich in mehr als zwei Dutzend Aufsätzen und Monographien diesem Gesellschaftstypus gewidmet hat. Immerhin haben zwei besonders engagierte Verfechter, Volker Römermann und Malte T. Passarge, nicht bloß theoretisiert, sondern sind im letzten Jahr durch die Gründung der Römermann Rechtsanwälte Aktiengesellschaft mit gutem Beispiel vorangegangen. Insbesondere Passarge hat in seiner Disseration aus dem Jahr 2002 ausführlich die Vor- und Nachteile einer Anwalts-AG dargestellt. Dieser Gegenüberstellung, die ein deutliches Übergewicht der Vorteile dieser Gesellschaftsform erkennen lässt, kann man spätestens seit dem 1.1.2006 ein nicht unerhebliches Manko, das allen Anwaltskapitalgesellschaften anhaftet, hinzufügen: die zwingende und für jedermann (§ 9 Abs. 6 Satz 1 HGB) kostenfrei abrufbare Offenlegung der Jahresabschlüsse im Unternehmensregister, § 8b Abs. 2 Nr. 4, § 325 HGB.

Die gläserne Rechtsanwaltskapitalgesellschaft

Und man erfährt so einiges über die eingetragenen Anwalts-AGs, z.B. dass es sich bei diesen vornehmlich um kleine Kapitalgesellschaften i.S. des § 267 Abs. 1 HGB handelt, dass auch die Anwaltsaktionäre eine sperrige Firma (z.B. ABAXON Lurz Fuß Rechtsanwälte AG) nicht scheuen, dass so manche Gesellschaft einen Jahresfehlbetrag ausweisen musste und dass dem Aufsichtsrat einer Rechtsanwalts-AG zwei Universitätsprofessoren angehören, die sich vor allem auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts einen Namen gemacht haben. Dass eine umfassende Publizität von Unternehmensdaten gerade bei Rechtsanwaltsaktiengesellschaften sinnvoll erscheint, belegt ein Urteil des LG Lüneburg vom 23.12.2009 (7 O 93/09): die Rechtsanwaltskammer Celle hatte sich im Ergebnis erfolgreich gegen die Firmierung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwalts-AG gewandt, der aber Rechtsanwälte weder als Aktionäre noch als Vorstand angehörten. Die Öffentlichkeit in der Form des rechtsuchenden Publikums hat ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer hinter der einschüchternden Firma einer Anwalts-AG steht. Deshalb sollte jedermann die bestehenden Informationsquellen, wie das Unternehmens-, aber auch das (kostenpflichtige) Handelsregister nutzen, um Licht ins Dunkle zu bringen. Wer zuviel Neugier abwehren möchte, sollte auf den schönen Schein von Seriosität und Kompetenz einer Anwalts-AG verzichten und auf die bewährten, aber nicht minder seriösen anwaltlichen Kooperationsformen, nämlich die Sozietät oder die Partnerschaftsgesellschaft, zurückgreifen.

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