Small Talk mit Franziska Albrecht, Juristin bei Green Legal Impact

"Ich habe früher besser ver­dient und sch­lechter geschlafen"

Interview von Leonie OttLesedauer: 5 Minuten

Im Small Talk fragen wir Juristinnen und Juristen, was sie denn so machen. Heute: Franziska Johanna Albrecht von der NGO Green Legal Impact über Karrieren im Klimarecht – und wieso sie ihren Wechsel aus dem Öffentlichen Dienst nicht bereut.

LTO: Frau Albrecht, was machen Sie beruflich?  

Franziska Johanna Albrecht: Ich bin Referentin für Umweltrecht bei der NGO Green Legal Impact, die das Recht als strategisches Mittel für den Umweltschutz stärkt. Zusammen mit Anwält:innen unterstützen wir Verbände, Bürgerinitiativen und Aktivist:innen bei juristischen Fragen.  

Wie sieht diese Unterstützung in der Praxis aus?  

Wir vernetzen die verschiedenen Akteure und bilden sowohl diese als auch ihre Anwält:innen zu juristischen Fragen. Wir erheben selbst keine Klimaklagen, sondern übernehmen eine koordinierende und moderierende Rolle zu den Themen Gerichtszugang, strategische Klagen und Defend the Defenders, also rechtlichen Schutz für Umwelt- und Klimaaktivist:innen.   

Welche Aufgaben haben Sie dort?  

Ich bearbeite rechtliche Probleme und Sachverhalte mit Umweltbezug, sowohl im Verfahrensrecht als auch im materiellen Recht. Zudem organisiere ich Veranstaltungen und Weiterbildungsformate und kümmere mich mit um die Öffentlichkeitsarbeit. Ich habe heute Vormittag zum Beispiel zu einer juristischen Frage aus dem Bereich Naturschutzrecht recherchiert, mit einer Kollegin den Ablauf unseres Green Legal Labs – eine mehrwöchige Weiterbildungsveranstaltung für Nachwuchsjurist:innen – geplant, einen Text zum kommunalen Widerstand gegen Straßenbauprojekte Korrektur gelesen und einen Ausbildungsplan mit einem zukünftigen Referendar besprochen. Das ist ein typischer Arbeitstag.  

Wie sind Sie bei Green Legal Impact gelandet?  

Ich komme ursprünglich aus einer Ministerialverwaltung, genauer gesagt aus dem Auswärtigen Dienst, und habe mich nach mehrjähriger Tätigkeit dort entschieden, einen neuen Karriereweg einzuschlagen und in den Bereich des Umweltrechts zu wechseln. Ausgangspunkt dafür war, dass ich 2017 knapp einen Terroranschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul überlebt habe. Das hätte auch anders ausgehen können und danach hatte ich das Bedürfnis, das Beste aus dieser zweiten Chance zu machen.  

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"Im Gartenbau hätte ich mich nur mit Blattläusen und Nacktschnecken rumärgern müssen"

Gibt es Momente, in denen Sie Ihre Berufswahl bereuen?  

Nein, ich bin insgesamt sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Aber natürlich gibt es Tage, an denen ich morgens die Nachrichten höre oder mein Mailpostfach öffne und mir denke, ich hätte auch ökologischen Gartenbau lernen können, dann müsste ich mich jetzt nur mit Blattläusen und Nacktschnecken rumärgern. Solche Tage haben aber wohl alle mal.  

Was mögen Sie an Ihrem Job am liebsten?  

Die Arbeit in einem Team, in dem alle motiviert sind und die Welt ein bisschen besser machen wollen.  

Und was mögen Sie nicht?  

Wissenschaftliche Literatur zum Ausmaß und den (drohenden) Schäden der Klima- und Biodiversitätskrise lesen. Ich finde das inhaltlich sehr spannend, aber es ist auch oft deprimierend.  

"Klimaschutzrecht umfasst viel mehr als medienwirksame Klimaklagen"  

Wie sind die beruflichen Chancen für junge Jurist:innen im Klimarecht?  

Ziemlich gut, vor allem, wenn man den Blickwinkel nicht auf das reine Klimaschutzrecht verengt, sondern auch andere Rechtsgebiete wie Biodiversitätsschutz, Verkehr etc. in den Blick nimmt. Klimaschutzrecht umfasst viel mehr als nur strategische (und vor allem medienwirksame) Klimaklagen, wie sie sich seit geraumer Zeit national wie international etabliert haben. Für die notwendige Transformation wird juristische Expertise in vielen Bereichen benötigt – in der Justiz, in der Politik und Politikberatung, in Unternehmen, in verschiedensten Behörden, in NGOs und internationalen Organisationen.  

Welche fachlichen Fähigkeiten sollte man denn für diesen Bereich mitbringen?  

Wichtig ist ein Interesse am Umwelt- und Klimaschutz, das über die rein rechtswissenschaftliche Beschäftigung damit hinausgeht. Man sollte bereit sein, interdisziplinär zu arbeiten und sich auch mit fachfremden Grundlagen, etwa im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich, zu beschäftigen.   

Man braucht auch nicht zwangsläufig ein zweites Staatsexamen, um im Klimaschutzrecht tätig zu werden. Allerdings muss man gerade als "Quereinsteiger:in" mit einem gewissen Rechtfertigungsdruck rechnen, weil die juristischen Karrierepfade in Deutschland immer noch sehr auf das traditionelle Schema zugeschnitten sind und die Branche sich nur langsam öffnet. Es gibt aber auch für Leute mit einem juristischen Masterabschluss und/oder ausländischen Abschlüssen zunehmend Betätigungsfelder. 

Franziska Albrecht ...

… ist Juristin bei Green Legal Impact 

… war vorher im Öffentlichen Dienst 

… geht abends mit gutem Gewissen ins Bett 

… hat mal in Afghanistan gelebt 

"Klimaschutzrecht ist in der eskalierenden Umweltkrise eine Krisendisziplin"

Gibt es charakterliche Voraussetzungen, die Klimarechtler erfüllen sollten?   

Es ist hilfreich, wenn man eine hohe Frustrationstoleranz hat. Das kann man sich bis zu einem gewissen Grad aneignen. Man muss in der Lage sein, eigene Grenzen zu ziehen und nach Feierabend auch mal bewusst abzuschalten bzw. rechtzeitig vor dem Burnout die Reißleine zu ziehen. Klimaschutzrecht/Umweltrecht allgemein ist in der eskalierenden Umweltkrise eindeutig eine Krisendisziplin und kann psychisch stark belastend sein. Wie in anderen Berufsfeldern mit vergleichbarem Stresspotenzial muss man sich dessen bewusst sein und die eigene Gesundheit im Blick behalten.    

Können Jurist:innen etwas gegen den Klimawandel ausrichten? Und wenn ja, wieso?   

Sie können nicht nur, ich würde sagen, sie müssen sogar. Schon aus schlichtem Eigennutz, schließlich möchten wir alle gerne auch in Zukunft auf einem einigermaßen lebenswerten Planeten leben. Das Recht hat eine wichtige gesellschaftliche Steuerungsfunktion. Natürlich werden wir allein mit rechtlichen Mitteln der Klimakrise nicht Herr werden, aber das Recht kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Schlimmste zu verhindern.   

"Abends mit gutem Gewissen ins Bett gehen"  

Ist die Bezahlung bei einer NGO wie Green Legal Impact eigentlich konkurrenzfähig?  

Natürlich können wir als NGO nicht die Gehälter zahlen, die man vielleicht in einer Großkanzlei oder in der Rechtsabteilung eines großen Unternehmens bekommen würde. Dafür kann man die Arbeit aber flexibler und selbstbestimmter gestalten und abends mit gutem Gewissen ins Bett gehen. Ich habe früher besser verdient und schlechter geschlafen. Andersrum ist es mir ehrlich gesagt lieber.  

Zum Schluss fragen wir immer gerne nach Empfehlungen für Bücher, Filme oder Podcast. Haben Sie hier eine Empfehlung für uns?  

Ja, das Buch "Wir alle haben ein Recht auf Zukunft" unserer Vorständin Roda Verheyen. Außerdem bin ich ein großer Fan von Solarpunk-Geschichten (ein optimistisches Genre der Science-Fiction-Literatur), weil sie Mut und Lust auf eine bessere Zukunft machen.

Franziska Johanna Albrecht ist Juristin bei Green Legal Impact Germany e.V. und arbeitet daran, die Zivilgesellschaft zu stärken und der Umwelt zu ihrem Recht zu verhelfen.

Mehr über Klimaklagen und Karriere im Klimarecht im Klimaparagrafen-Podcast. Und noch mehr Interviews, Nachrichten und Analysen zu Klima und Recht gibt es im LTO Klima und Recht-Dossier.

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Klimaschutz

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