Rhea Karst, Associate bei Allen & Overy

"Als Pro­zess­an­walt sollte man ein bis­schen sch­rei­blustig sein"

Lesedauer: 5 Minuten

Rhea Karst startete vor 3 Jahren als Associate bei Allen & Overy. Im Interview erklärt sie, wie der Arbeitstag einer Prozessanwältin aussieht, warum sie sich mit Homeoffice anfangs schwer tat und welchen Tipp sie Jura-Studierenden gibt. 

LTO: Frau Karst, warum sind Sie Anwältin geworden?

Rhea Karst: Die Entscheidung habe ich einerseits nach dem Ausschlussverfahren getroffen, denn eine Tätigkeit im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich wäre für mich nicht in Betracht gekommen. Andererseits wollte ich immer schon etwas mit Sprache machen. Etwas, bei dem man durch das geschriebene Wort etwas bewegen kann. Und als Prozessanwältin ist dies ja der Fall.

Was war bisher das Schönste in Ihrem Berufsleben?

Die schönsten Momente sind für mich, wenn ein Prozess erfolgreich zu Ende geht und dabei die eigenen Argumente vom Gericht bestätigt werden. Es ist immer eine große Freude, für die Arbeit, die man in ein Verfahren gesteckt hat, belohnt zu werden. 

Und was das Schlimmste?

Es gibt ab und an Situationen, beispielsweise bei der Arbeit an einem umfangreichen Schriftsatz, in denen man das Gefühl hat, an ein Dead End gelangt zu sein. Das ist dann auch emotional herausfordernd. Zum Glück ist der Zustand nie von langer Dauer, weil man durch den Austausch mit den Kollegen aus solchen Sackgassen schnell wieder herauskommt – eigentlich gibt es für jedes Problem eine passende Lösung.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?

Mein Arbeitstag startet normalerweise zwischen 9 und 9.30 Uhr. Ich arbeite häufig an großen Mandaten und Schriftsätzen, manchmal auch über längere Zeit hauptsächlich an einem Schriftsatz. Morgens sehe ich mir dann meist zuerst an, was ich am Vortag erarbeitet und geschrieben habe, prüfe nochmals mit frischem Geist, ob alles schlüssig ist und die Formulierungen gut sind. Danach mache ich mich dann an den nächsten Abschnitt des Schriftsatzes. Zwischendurch kommen natürlich auch immer wieder kleinere Anfragen von Kollegen oder Mandanten rein, die ich, soweit möglich, unmittelbar bearbeite. Die einstündige Mittagspause verbringe ich häufig mit Kollegen und Freunden in der Stadt. Meistens radele ich zwischen 20.00 und 21.00 Uhr nach Hause.

Wie sieht es mit Homeoffice bei Ihnen aus?

Gerade in unserem Team haben wir etliche Kolleginnen und Kollegen mit Kindern, die Homeoffice bereits vor der Corona-Pandemie genutzt haben, teilweise auch an festen Tagen.
Ich persönlich habe vor der Corona-Zeit nur ganz selten – in drei Jahren vielleicht zweimal – Gebrauch davon gemacht. Ich habe immer befürchtet, dass ich mich zu Hause zu sehr ablenken lassen und nicht effizient genug sein könnte. Ich hatte auch Vorbehalte, die Arbeit dadurch zu sehr in meinen Privatbereich, in meine Wohnung, zu lassen. Ich dachte, ich könnte schlechter abschalten, wenn der Kanzlei-Laptop ständig im Wohnzimmer steht. Durch Corona hat sich das verändert. Ich habe festgestellt, dass Homeoffice für mich gut funktioniert und dass ich genauso konzentriert arbeiten kann wie im Büro. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Ich kann mir jetzt jedenfalls besser vorstellen, auch in Zukunft häufiger im Homeoffice zu arbeiten, wenn es sich anbietet.

Mehr Infos: Arbeitgeberprofil von Allen & Overy

"Jeder Berufseinsteiger bekommt einen 'Buddy' zur Seite gestellt"

Warum haben Sie sich für Allen & Overy entschieden?

Ich habe mich schon als Referendarin für A&O entschieden. Ich hatte für die Anwaltsstation viele Bewerbungsgespräche und das beste davon war bei Allen & Overy. Auch das Ausbildungsprogramm für Referendare hat mir zugesagt. Während der Anwaltsstation habe ich gemerkt, dass mich die Tätigkeit in diesem Umfeld und im Bereich Litigation auch als Associate reizen würde. 

Wie lief das Onboarding ab?

Es gab zwei Tage, an denen alle Newcomer die IT und alles Organisatorische erklärt bekommen haben, herumgeführt wurden und viele Kollegen kennenlernen konnten. Jeder Berufseinsteiger bekommt bei A&O einen "Buddy", einen Anwalt, der schon länger dabei ist, zur Seite gestellt. Ab dem dritten Tag wird man dann schon ganz normal in die Facharbeit einbezogen und bekommt erste Aufgaben zugeteilt.

Wie viele Arbeitsstunden haben Sie in der Woche?

Das variiert, aber im Durchschnitt würde ich sagen rund 50.

Wie gelingt Ihnen dennoch eine gute Work-Life-Balance?

Ich habe morgens vor der Arbeit genug Zeit, um laufen zu gehen oder Erledigungen zu machen. Da die Kanzlei praktisch im Zentrum von Frankfurt liegt und man mit dem Rad überall schnell hinkommt, kann man sich auch gut noch nach der Arbeit mit Freunden verabreden. Besonders praktisch ist das im Frühjahr und Sommer, wenn auf dem Opernplatz ein Weinfest nach dem nächsten stattfindet – von meinem Büro aus habe ich den Opernplatz direkt im Blick. 

Wie ist das Verhältnis zu den Partnern bei Allen & Overy?

Das Verhältnis zu meinem Chef ist sehr gut. Unser Team besteht aus vier (weiblichen) Associates und dem Partner. Mit den anderen Partnern habe ich eher punktuell zu tun, aber dann ist der Umgang auch immer sehr nett.

Mehr Infos: Arbeitgeberprofil von Allen & Overy

"Partnerin? Let's see"

Worum beneiden Sie die Partner?

Um das, was sie beruflich schon erreicht haben. Dass sie es geschafft haben, sich als Anwälte so viel Expertise zu erarbeiten und so anerkannt zu sein, dass sie bei Mandanten bzw. für potenzielle Mandanten als erste Ansprechpartner am Markt gelten.

In welchen Momenten denken Sie: Wie gut, dass ich kein Partner bin?

Ich mag alle juristischen Aufgaben. Was mich nicht so sehr reizt, sind organisatorische Fragestellungen oder beispielweise die Finanzen zu planen und zu überprüfen.

Möchten Sie denn mal Partnerin werden?

Nach drei Jahren kann ich das schwer beurteilen. Als ich angefangen habe, war das jedenfalls kein Ziel von mir. Mittlerweile habe ich gelernt zu sagen: Let‘s see.

Was ist Ihr Ratschlag an junge Menschen, die einmal Anwältin oder Anwalt werden möchten?

Im Studium wird meines Erachtens zu viel anhand von Fällen gelernt. Im Berufsleben bekommt man dann einen Fall und denkt zunächst: Das muss es ja schon mal gegeben haben! Dann findet man aber häufig nichts unmittelbar Vergleichbares aus der Rechtsprechung. Deswegen ist es meiner Meinung nach viel sinnvoller, wenn man schon im Studium versucht, abstrakt zu verstehen, welche Prinzipien hinter den Normen stehen. Zudem sollte man, insbesondere wenn man Prozessanwalt werden möchte, früh herausfinden, ob man Spaß am juristischen Schreiben hat. Denn eine rechtlich saubere Lösung für einen Fall zu finden ist das eine - genau so wichtig ist es aber, sie auch überzeugend darzustellen. Als Prozessanwalt sollte man daher ruhig ein bisschen schreiblustig sein.

Was wollten Sie als Kind werden bzw. was würden Sie heute wahrscheinlich machen, wenn Sie nicht Anwältin geworden wären? 

Als Kind wollte ich Journalistin werden, später auch mal Lektorin. Beides hat, wie meine jetzige Tätigkeit, einen Fokus auf der Arbeit mit der Sprache. 

Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung neben der Juristerei?

Wenn ich nicht arbeite, will ich auf jeden Fall draußen sein: Joggen, Wandern mit Freunden, Skifahren... Irgendetwas zum Abschalten, das neben dem Geist auch den Körper fordert und damit einen guten Ausgleich zum Arbeitsalltag bildet. 

Transparenzhinweis: Dieser Arbeitgeber hat aktuell und/oder in der Vergangenheit Stellenanzeigen in unserem Stellenmarkt geschaltet. Das Interview wurde nicht vergütet.

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