Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2017: Noch keine Pläd­o­yers im NSU-Pro­zess / Baye­ri­sche Gefähr­der­über­wa­chung / Justiz­re­form in Polen

20.07.2017

Recht in der Welt

Polen – Justizreform: Zahlreiche Medien widmen sich der Justizreform in Polen. Wie spiegel.de (Thomas Dudek) berichtet, ist die Debatte im Parlament in der Nacht auf Mittwoch in wüste gegenseitige Beschimpfungen ausgeartet und wurde daraufhin beendet. Die Europäische Kommission hat mit einem Verfahren gedroht, sollten die Maßnahmen tatsächlich in Kraft treten. Die Einzelheiten stellen u.a. spiegel.de, FR,  FAZ (Michael Stabenow), Welt (Christoph B. Schiltz) und taz (Eric Bonse) dar. Die SZ befasst sich auf einer ganzen Sonderseite mit dem Thema: So führen Florian Hassel/Thomas Kirchner ein ausführliches Interview mit der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes Małgorzata Gersdorf. Sie befürchtet, dass es nach der Verabschiedung der Reform keine Gewaltenteilung mehr in Polen geben werde. Florian Hassel beschreibt in einem weiteren Beitrag die Sitzung im Parlament. So hat, wie auch die taz (Gabriele Lesser) und die FAZ (Michael Stabenow/Konrad Schuller) melden, der polnische Präsident Andrzej Duda kurzfristig einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein höheres Quorum für die Richterwahl vorsieht. Die SZ (Florian Hassel) porträtiert aus diesem Anlass den Präsidenten.

Der Warschauer Rechtsprofessor Marcin Matczak (verfassungsblog.de) meint (in englischer Sprache), dass das vermeintliche Veto und der Alternativentwurf des Präsidenten kein Hindernis für die Reform seien. Duda habe keine wirklichen Gegenargumente vorgebracht, vielmehr die Ernennung der Richter durch Politiker akzeptiert. Auch der Danziger Professor Tomasz Tadeusz Koncewicz (verfassungsblog.de) sieht den Abschied vom Prinzip der Gewaltenteilung in Polen gekommen. Und laut Gabriele Lesser (taz) sind Polens Tage als demokratischer Rechtsstaat endgültig vorbei. Laurent Pech/Maximilian Steinbeis (Die Zeit) weisen darauf hin, dass Polens demokratische Verfassung nicht das einzige Opfer wäre, weil die Urteile polnischer Richter grundsätzlich von den Rechtssystemen der anderen Mitgliedstaaten anerkannt und umgesetzt werden müssten. Eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit sei kein schwammiger gemeinsamer Wert, sie sei eine der Betriebsbedingungen der EU selbst.

Russland – NetzDG auf russisch: Die Welt (Julia Smornova) berichtet, dass in Russland ein Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht wurde, der sich explizit an dem kürzlich vom Bundestag verabschiedeten Netzwerkdurchsetzungsgesetz orientiert. Soziale Netzwerke sollen danach verpflichtet werden, innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde strafbare Inhalte zu löschen oder zu sperren. Das soll alle Informationen betreffen, die "auf Propaganda des Krieges gerichtet sind", zum nationalen oder religiösen Hass anstachelten, falsch seien oder die Würde einer anderen Person verletzten. Außerdem gehörten dazu alle Informationen, deren Verbreitung in Russland unter Strafe steht. Kritiker befürchten, dass es dann noch einfacher wird, Posts politischer Inhalte schnell und ohne Gerichtsentscheid zu löschen.

Russland – Verbot der Zeugen Jehovas: Das oberste Gericht Moskaus hat einem Bericht der taz (Klaus-Helge Donath) zufolge im Berufungsverfahren die Zeugen Jehovas zu einer extremistischen Vereinigung erklärt und verboten. Der Anwalt der Glaubensgemeinschaft hat angekündigt, Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu führen.

Sonstiges

Verfassungskultur: Der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes Christof Gramm befasst sich in der FAZ mit der Frage, in welcher Form unsere Verfassung die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet.

Steuerrecht: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) fasst die Ergebnisse des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Gestaltungsmodelle sogenannter Cum-Ex-Geschäfte zusammen. Wieduwilt stellt die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt, dass dem Staat durch diese Anlagegeschäfte wohl bis zu 30 Milliarden Euro verloren gegangen sind.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau. 

lto/pf

(Hinweis für Journalisten)   

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2017: Noch keine Plädoyers im NSU-Prozess / Bayerische Gefährderüberwachung / Justizreform in Polen . In: Legal Tribune Online, 20.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23513/ (abgerufen am: 01.05.2024 )

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